Erinnerungen ergänzt von Erfahrungen und Begegnungen

Zu: „Unterwegs durch die Jahre“ von Wilfried Bielz. Eigenverlag, Bensberg, Juli 2018. 347 Seiten

Eine Aufnahme im siebenbürgischen Altenheim in Drabenderhöhe (Deutschland) ist eine Alternative die für den von vielen Schülergenerationen (nicht nur des Honteruslyzeums) geschätzten Deutschlehrer Wilfried Bielz und für seine Ehefrau Sigrun heute nicht in Erwägung gezogen wird. Der Altenheim-Alltag wäre auch schwer vorstellbar für jemanden der jahrzehntelang gern mit Schülern gearbeitet hat, der im Rentenalter  im Dienst des Vereins für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) bei der Deutschlehrerfortbildung im fernen Russland stand, der nach der 1974 erfolgten Aussiedlung nach Deutschland endlich seinem Wunsch auch andere Länder und Kulturen kennenzulernen, durch zahlreichen Reisen nachkommen konnte.
„Unterwegs durch die Jahre“ trägt den Untertitel „Erinnerungen“ und bietet dem heute 85 Jahre alten Verfasser den Anlass, auf die wichtigsten Stationen seines Lebens Rückschau zu halten. Aber der Band bietet viel mehr als lediglich persönliche Erinnerungen. Es geht da um die Beschreibung von Lebensumständen in ganz verschiedene Zeiten, um Porträts von ehemaligen Lehrern, von Freunden und Kollegen als ein Zeichen des Dankes und um manche von ihnen (z.B. die Lehrer Richard Lang und Karl Eugen Weiß) vom Versinken in die Vergessenheit zu bewahren. Hinzu kommen Begegnungen und Gespräche mit Freunden aus der Kindheit oder aus der Schule, aus der alten und der neuen Heimat, Erfahrungen die Bielz sammeln konnte, von denen besonders jene aus Russland ihn erfreut und bereichert haben: „Dass ich im Herbst oder Winter meines Lebens dieses riesige Land erleben und mich mehr ahnend als verstehend der russischen Seele nähern durfte, empfinde ich als ein unerwartetes Geschenk.“ Dabei erhält der Leser auch einen Einblick in russische Lebensverhältnisse, in die Einstellung vieler Russen gegenüber Deutsche und deutsche Sprache. Nicht unerwähnt bleibt das Drama der Russlanddeutschen die unter Stalin Deportation und Zwangsarbeit in der sowjetischen „Trudarmija“ erleiden mussten.
Der Band enthält ein Geleitwort von Hansgeorg von Killyen und einen Klappentext von Frieder Schuller und ist chronologisch gegliedert. Er beginnt mit Erinnerungen aus der in Hermannstadt verbrachten Kindheit und Jugend, führt in die Jahre an der Schäßburger Bergschule, erwähnt das Dorfschullehrer-Jahr in Haschagen, beschreibt die Studienjahre in Bukarest. Das Honterusgymnasium an dem Bielz 16 Jahre als Deutschlehrer (1958 - 1974) unterrichtet hat, empfindet er heute als  „meine wichtigste Wirkungsstätte“. Der Unterricht an der Honterusschule, gerade in den schwierigen Jahren der kommunistischen Machtherrschaft, war für die meisten der Lehrer mit Verantwortung und Hingabe verbunden. In dem dieser Lebensetappe gewidmeten Kapitel („Wie ich ein Kronstädter wurde“) beschreibt das Bielz folgendermaßen: „Man ging täglich an der Honterusstatue vorbei, deren ausgestreckter Arm auf unsere Schule zeigte. Wir verstanden das als Mahnung, Tradition und Rang dieser Schule zu bewahren. Honterus selbst war ja seiner Epoche, der Reformationszeit, als Pädagoge weit voraus.“
Aus der Kronstädter Zeit sind Erinnerungen an Kronstädter wie Dr. Arnold Huttmann, die älteren Lehrerkollegen Kurt und Maja Philippi, an Max Clompe gebunden sowie bleibende Eindrücke an einige Höhepunkte (vor allem Theater- und Filmaufführungen) des damaligen Kulturleben im grauen sozialistischen Alltag. Nicht unerwähnt soll hier auch ein Detail bleiben, das Wilfried Bielz mit der „Karpatenrundschau“ verbindet: eine kurze Zeit arbeitete er nebenberuflich als Stilist bei der KR-Vorgängerin „Volkszeitung“.
Der Band fährt fort mit den Kapiteln „In Deutschland“ und „In Russland“ und endet mit einem „Ausklang“ in dem Bielz trotz mancher Sorgen um Erhalt der europäischen Kultur und Demokratie, um die Weltwirtschaftslage oder um eine gesunde Umwelt, optimistisch bleibt: „… die dunkle Wolke weicht der Hoffnung und dem Vertrauen, dass sich unsere jüngere Generationen bewähren und ein zufriedenes Leben führen werden.“
„Unterwegs durch die Jahre“ führt den Leser in eine Zeitreise mit ihren Höhe- und Tiefpunkten die nicht nur die eigene Großfamilie betrifft und interessiert. Keinen Augenblick hat man dabei den Eindruck, dass der Autor seine eigenen Verdienste hervorheben will, dass da etwas schöngeredet werden soll oder dass eine Rechnung offen geblieben sei. Zu Wort kommen neben Familienangehörige auch Freunde, ehemalige Schüler, Lehrerkollegen deren Berichte oder Schreiben in den Text eingebaut sind.
Der Band der in einer leserfreundlichen großen Schrift gedruckt ist, mit einem reichen Bildmaterial (Familienfotos, Fotos mit Freunden, von Reisen und aus der alten Heimat) kann bei Herrn Dorin Stoica (Tel. 0736-040.031; E-mail: dorin52st@ gmail.com) zum Preis von 49 Lei bestellt und gekauft werden.
Im Anschluss veröffentlicht die KR einen Auszug aus dem Kapitel „In Deutschland“ in dem Wilfried Bielz das Dilemma von Auswandern oder Bleiben erläutert - eine schwierige Entscheidung für jemanden der mit Herz und Seele seinen Lehrerberuf wahrnehmen wollte.