„Es geht um nichts geringeres, als das Erringen unserer Zukunft in sprachlicher und kultureller Hinsicht“

Thomas Șindilariu im Interview

Thomas Șindilariu (l) empfängt den Abgeordneten des DFDR Ovidiu Ganț zu einer Besprechung im Department für Interethnische Beziehungen. Foto: privat

Thomas Șindilariu wurde zum Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens ernannt. Șindilariu ist Historiker, Leiter des Archivs der Honterusgemeinde in Kronstadt und Vorsitzender des Ortsforums Kronstadt. Bei den Kommunalwahlen 2020 in Rumänien hatte er seitens des DFDR für das Amt des Bürgermeisters von Kronstadt kandidiert. Über die Herausferderungen des neuen Amtes aber auch über die bevorstehenden Wahlen beim Kronstädter Ortsforum sprach mit Thomas [indilariu die KR-Redakteurin Elise Wilk.


Herr Șindilariu, seit dem 1. Februar sind Sie Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen innerhalb des Generalsekretariat der Regierung Rumäniens. Was sind konkret die Aufgaben dieses Amtes?
Seit den Anschlusserklärungen der verschiedenen Gruppen der deutschen Minderheit im neu entstandenen Großrumänien vor mehr als 100 Jahren, war es ein konstantes Anliegen unserer Gemeinschaft, Vertreter in die Regierung des Landes entsenden zu können. Daran lässt sich beobachten, dass das politische Credo des DFDR schon damals voll ausgebildet war: unsere Minderheit wünscht am Tisch, an dem die Entscheidungen fallen, die sie betreffen, dabei zu sein, um konstruktiv sich einbringen zu können. Übrigens, vor genau 100 Jahren eröffnete der Kronstädter Gymnasialprofessor, Journalist und Parlamentarier Lutz Korodi (1886-1954) die Reihe unserer Vertreter in der Regierung Rumäniens. Die wechselhafte Geschichte diesbezüglich, wäre einmal eine genauere historische und biografische Untersuchung wert. Das Department für Interethnische Beziehungen (DRI) ist dem Generalsekretariat der Regierung Rumäniens untergeordnet und ist auf drei Haupttätigkeitsfeldern tätig: 1. Begleitung der Arbeit der nationalen Minderheiten Rumäniens, die im Rat der Nationalen Minderheiten des Landes zusammengeschlossen sind. 2. Mitgestaltung und Verbesserung des rechtlichen Rahmens hinsichtlich des Schutzes und der Möglichkeit der Ausübung der spezifischen Minderheitenrechte in unserem europäischen Kontext. 3. – aber gewiss nicht an letzter Stelle – Konzipierung und Umsetzung von Projekten mit interethnischer Ausrichtung zur Stärkung der Identität der Minderheiten in kultureller, sprachlicher und religiöser Hinsicht sowie zur Förderung des interkulturellen, interethnischen und interreligiösen Dialogs.


Mit welchen Erwartungen haben Sie die neue Stelle angetreten?
Hoffnung ist der treffendere Begriff. Es ist die Hoffnung, das in mich gesetzte Vertrauen rechtfertigen zu können, im Sinne der Aufgaben des DRI und der Anliegen unserer deutschen Minderheit hinsichtlich der Sicherung unserer kulturellen und sprachlichen Zukunft in Rumänien. Von meiner direkten Vorgängerin, Christiane Cosmatu, habe ich ein gut bestelltes Feld vorgefunden, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Die Kollegen, Staatssekretärin Eniko Lacziko und Unterstaatssekretär Aledin Amet, die Bereichsleiter im DRI und die Angestellten haben mich sehr gut aufgenommen, aus den bisherigen Gesprächen haben sich etliche Projektideen entwickelt, insbesondere die Weitsicht des Historikers und meine auch internationalen Kontakte sind als willkommene Verstärkung des Teams gesehen worden.

Gibt es schon konkrete Projekte, an denen Sie beteiligt sind?
Ja, es wird z. B. an der Veranschaulichung historischer Mehrsprachigkeit in Anbetracht von Seuchengefahr gearbeitet. Es geht dabei darum, darauf hinzuweisen, dass die akute Gefahr früher ein Beschleunigungsfaktor war, der zur umgehenden sprachlichen Anpassung der Seuchenschutzverordnungen gegenüber ALLER Bewohner eines Ortes geführt hat. Bei den gegenwärtigen Covid-19 Verordnungen sollte das ganz ähnlich sein, aber zwischen Rechtsanspruch und Übersetzungsrealität klafft noch eine Lücke.
Sodann ist in Bälde mit dem neuen Haushalt zu rechnen, die Projektarbeit kann beginnen, im Rahmen der Foren, desgleichen können aber auch zusätzliche Projekt direkt ans DRI gerichtet werden, wozu ich nur ermuntern kann.

Wie wichtig ist die Kooperation mit dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien?
Sie ist von zentraler Bedeutung. Die Gültigkeit meiner Eingangsbemerkung lässt sich daran ablesen, dass der Ernennung durch den Premierminister Florin Cî]u am 1. Februar 2021 bereits im Herbst der Beschluss der Vertreterversammlung des DFDR zur Einreichung des Ernennungsvorschlages mit der Nominalisierung meiner Person einstimmig gefasst wurde. Dies schlägt sich konkret in der täglichen Arbeit nieder, in Abstimmung mit dem Vorsitzenden des DFDR, unserem Abgeordneten, den Geschäftsstellen und Forumsvertretern auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene.

Inwiefern können Sie sich spezifisch für Kronstadt einsetzen?
Die detailgenaue Kenntnis der Lage vor Ort kann als einziger „Vorteil“ hierbei gelten, wenn- gleich es nur ein Vorteil auf Zeit sein kann. Ich freue mich nämlich schon darauf die Verhältnisse in allen Orten, wo unsere Minderheit sich aktiv einbringt, persönlich kennen zu lernen, um für alle in gleichem Maße und aufgrund fundierter Kenntnis der Lage mich einsetzen zu können.

Eines der größten Themen der letzten Jahre ist der Unterricht in deutscher Sprache. Welche Lösungen sehen Sie für den Mangel an deutschsprachigen Lehrkräften und an Lehrbüchern?
In den letzten Jahren ist es über das DFDR unter Einbeziehung der Partner gelungen, die Übersetzung der Lehrbücher und ihren Druck in ganz erheblichem Maße voran zu bringen. Das ist ein sehr positives Zeichen, das noch viel zu wenig wahrgenommen wird. Die Schulbücher der Klassen 5-8 sind entweder schon gedruckt oder in Übersetzung begriffen, es haben sich Teams gefunden die Deutsch-, Musik-, Religion- und die Minderheitengeschichtsbücher in Angriff zu nehmen. Vielleicht, so hoffe ich, geht von dieser Entwicklung auch ein Ruck durch unsere Minderheit, damit sich wieder mehr von uns vorstellen können, mit der Erziehung der nächsten Generationen ihr Geld zu verdienen – eigentlich gibt es doch nichts schöneres! Die Verdienstmöglichkeiten unter Einschluss der Bezuschussung über die Haushaltsmittel des Deutschen Bundestages verbessern sich allmählich. Es wäre aber vermessen, die noch vor uns liegende Durststrecke nicht wahrnehmen zu wollen. Sie ist gegeben und verlangt unseren vollen Einsatz. Es wäre sehr erfreulich, wenn wir mehr Lehrer aus Deutschland, insbesondere auch Fachlehrer hier begrüßen könnten! Ich denke, dass der von einer gesteigerten Entsendung zu erwartende verstärkte Austausch unter den Lehrkräften unser Schulwesen insgesamt weit mehr voranbringen kann, als wenn nur weitergemacht werden könnte, wie bisher. Auch wenn das Schulwesen nicht in die direkte Zuständigkeit meines neuen Amtes fällt, so möchte ich doch versuchen mich in diesem Sinn einzubringen.

Zurück zu Kronstadt. Am 28. März finden im Ortsforum die Wahlen für den neuen Vorstand statt. Diesmal werden sie aufgrund der Coronavirus-Pandemie anders erfolgen, als gewohnt, und zwar ähnlich wie bei einer Parlaments- oder Lokalwahl. Können Sie kurz den Wählprozess erklären?
Die Frage der Organisation der Vorstandswahlen wurde ausgiebig in der letzten Vorstandssitzung besprochen und das bekanntgegebene Prozedere beschlossen. Ein ganz entscheidendes Wesensmerkmal der Demokratie ist die zeitliche Beschränkung der Mandatsdauer. Es kann heute niemand vorhersagen, wie lang uns die Pandemie noch einschränken wird. Das Ortsforum ist noch nicht als Rechtsperson eingetragen. Den entscheidenden Schritt dazu wird der neue Vorstand unternehmen müssen. Diese Situation ist im Moment von Vorteil, da keine Rechnungslegung durch die Mitgliederversammlung erfolgen muss, die bei den Behörden zu hinterlegen ist. Folglich können die Berichte des Vorstandes voraussichtlich im Sommer nachgeholt werden, wenn auch über die überarbeiteten Satzungen durch die Mitgliederversammlung beraten werden wird.
Bis zum 14. März sind die Mitglieder des Ortsforums aufgerufen, Vorschläge für Kandidaten für Vorsitz, Vorstand und Zählkommission zu machen. Der Vorstand wird auf dieser Grundlage den Wahlzettel beschließen und die Vorkehrungen für eine geheime und freie Wahl am Wahltag, 28. März treffen.

Was erwarten Sie von dem Ortsforum in den nächsten vier Jahren? Worauf sollte mehr Akzent gesetzt werden?
Dem neuen, noch zu wählenden Vorstand kann ich von heutigem Standpunkt aus nur gute Wünsche mit auf den Weg geben. V.a. wünsche ich mir ein gutes, sachorientiertes und effizientes Arbeiten im Vorstand. Es geht um nichts geringeres, als das Erringen unserer Zukunft in sprachlicher und kultureller Hinsicht, sich voll darauf konzentrieren zu können, darauf kommt es mehr vielleicht als sonst an.