Heinrich Wachner (1877 – 1960) - Beiträge zur Heimatkunde des Burzenlandes

Die Kalibaschendörfer sind zwischen Bucegi (im Hintergrund) und dem Königstein gelegen.
Foto: der Verfasser

Als „Kalibaschendörfer“ bezeichnet man die Bergstreusiedlungen in der Törzburger Gegend, vor allem die Ortschaften Măgura und Peştera, die heute zur Gemeinde Moeciu gehören. Der bekannte Kronstädter Heimatkundeforscher Heinrich Wachner, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr am 3. Oktober zum 140. Mal jährt, beschreibt sie ausführlich in seinem 1934 erschienenen Standardwerk „Kronstädter Heimat- und Wanderbuch“. Der folgende Beitrag von Wachner war als Ergänzung zu diesem Band gedacht und erschien 1938 in den „Mitteilungen des Burzenländer Sächsischen Museums“. Er wurde auch im nach 1989 im Kronstädter aldus-Verlag erschienenen Nachdruck des „Kronstädter Heimat- und Wanderbuches“ aufgenommen. Wachner beschreibt dabei auf Grund von Zahlenbeispielen wie eine Kalibaschenwirtschaft vor gut acht Jahrzehnten nicht nur überleben konnte, sondern auch eine teilweise noch auf Selbstversorgung fußende Wirtschaft beibehalten konnte. (Die Preise von damals dürften in der Regel nur knapp unter den heutigen liegen, wenn man bedenkt, dass z.B. ein Liter Milch im Dorf 2 Lei kostete oder dass ein Waldarbeiter 70 Lei/Tag verdiente). Interessant ist, dass schon damals Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen als zusätzliches Einkommen Bedeutung hatten. Heute sind Törzburg/Bran und Moeciu verstärkt auf den sogenannten Agrotourismus ausgerichtet, wobei Villen, Ferienhäuser, Pensionen das Bild dieser in einer malerischen Landschaft gelegenen Ortschaften bestimmen. (RS)

„Zur Feststellung der wirtschaftlichen Lage der Durchschnitts-Bauern des Törzburger Gebietes befragte ich im September 1934 einen mir besser bekannten Bewohner von Peştera, dessen Gehöft und Grundstück 1200 m hoch liegt, bei dem ich öfters zu übernachten pflege, nach seinen Einnahmequellen. Was er mir mitteilte, gilt wohl im Großen-Ganzen für die gesamte Bevölkerung dieses Gebietes und deshalb scheint es mir wert, veröffentlicht zu werden.
Der gesamte Grundbesitz des Bauern sind fünf Joch Wiesenland am steilen Hang rings um ein schmuckes dreizimmriges, solid aus Balken gebautes Wohnhaus. Ein kleines Stückchen dieses Grundstückes ist mit Hacken und Spaten ausgegraben und sorgfältig auch mit Kunstdünger gepflegt. Es liefert die für den Hausgebrauch notwendigen Kartoffeln und etwas Gemüse. Brotgetreide (Maismehl) wird in Câmpulung (Muscel) gekauft und mit Tragtieren (Pferd, Esel) oder im Rucksack heimbefördert. Der Viehstand des Bauern beträgt 2 Kühe und 15 Schafe. Im Sommer weiden diese Tiere auf der Gemeindeweide. Das Heu vom eigenen Grundstück reicht zum Überwintern der 2 Kühe und 10 Schafe aus. Für 5 weitere Schafe muss er Futter zukaufen. Aus Rosenau, Zeiden und dem Fogarascher Gelände bringt man Heu zum Verkauf auf den Törzburger Markt. Von dort schaffen die Leute das gekaufte Heu am eigenen Rücken oder mit Tragpferden nach ihren abgelegenen Gehöften. Nur sehr wenigen Kalibaschen besitzen einen Wagen, ein sehr großer Teil der Gehöfte liegt weitab von fahrbaren Straßen. Da die Kühe kein Kraftfutter erhalten, gibt eine Kuh durchschnittlich täglich nur etwa drei Liter Milch, das macht jährlich an rund 240 Melktagen 720 Liter. Ein Liter Milch kostet dort nur zwei Lei. Da die Aufzucht von Rindern zu Schlachtvieh sich nicht lohnt (eine erwachsene Kuh kostete damals nur 3000 Lei), verkauft man zwei Kälber im Alter von einigen Wochen für etwa 700 Lei.

Zwei Kühe bringen dem Besitzer also jährlich (Milch und Kälber) etwa 4280 Lei ein. Ein Schaf liefert jährlich rund 2 kg Wolle a 50 Lei., 3 1/2  kg Käse a 30 Lei und ein Lamm im Wert von 100 Lei. 10 Schafe tragen also jährlich zusammen 3000 Lei. Für die übrigen 5 Schafe kostet das Winterfutter etwa ebensoviel als der Ertrag von Wolle, Käse und Lamm ausmacht. Sie werden nur gehalten, weil der Bauer Wolle und Käse lieber in eigener Wirtschaft erzeugt, als kauft, selbst wenn er dabei nichts gewinnt. Der gesamte Ertrag der bäuerlichen Wirtschaft im Werte von 7280 Lei reicht zur Bestreitung der Lebensbedürfnisse der Familie (Frau und 4 Kinder) bei weitem nicht aus. Mein Gewährsmann arbeitet daher, so wie zahlreiche seiner Landsleute, jährlich etwa 100 Tage als Holzfäller bei der Firma Comanda bei Covasna in der Treiscaune. Er verdient dabei täglich rund 70 Lei. Das macht im Jahr 7000 Lei, also ungefähr eben so viel als der landwirtschaftliche Ertrag seines bäuerlichen Besitztums. Der bäuerliche Besitz ist aber für diese Leute moralisch von größtem Wert. Er bewahrt sie vor Verproletarisierung, gibt ihnen Bodenständigkeit, Selbstbewusstsein und konservativ-nationale politische Einstellung. Auch die Frau ist unermüdlich fleißig. Ihr Arbeitsgebiet ist außer dem Haushalt, Kinderpflege und Herstellung der gesamten Bekleidung die Wollverarbeitung vom Scheren des Schafes bis zum fertigen Teppich. Durch Verkauf der Teppiche erzielt sie jährlich etwa 5000 Lei. An den bei ihm übernachtenden Touristen verdient der Bauer jährlich etwa 1200 Lei. Die Gesamteinnahmen der Familie betragen also rund jährlich 20.000 Lei. Dabei macht die Familie keineswegs einen verelendeten, ärmlichen Eindruck. Die Leute sind gesund, gut gekleidet und gut genährt, fröhlich und tragen Stolz und Selbstbewusstsein zur Schau.“