JOBS - Berufsorientierung nach Schweizer Vorbild

Gespräch mit Prof. Rolf Gollob von der Pädagogische Hochschule Zürich, Co-Leiter Zentrum für internationale Bildungsprojekte

Arbeitshefte des JOBS-Projektes für Schüler
Foto: Ralf Sudrigian

JOBS steht für „Job orientation-training for business and schools“ und ist ein Trainingsprojekt für Berufsorientierung, das das rumänische Unterrichtsministerium, das Landeszentrum für Entwicklung des beruflichen und technischen Unterrichts in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für  internationale Bildungsprojekte von der Pädagogischen Hochschule Zürich erarbeitet. 

Die Schweiz unterstützt dieses Projekt mit zwei Millionen Schweizer Franc aus Regierungsgeldern die als Erweiterungsbeitrag anlässlich des EU-Beitritts Rumäniens bereitgestellt  werden.  Hinzu kommen noch 15 Prozent dieser Summe als rumänischer Eigenbeitrag. Das Projekt startete im Vorjahr im Kreis Kronstadt als Pilot-Projekt an zwei Schulanstalten (die Allgemeinschule Nr. 25 und das Technische Kolleg Transilvania).   Auf Grund der hiesigen Erfahrungen soll es dann bis 2016 landesweit umgesetzt  werden. Nach drei mit der Kronstädter Arbeitsgruppe erfolgreich verbrachten Tagen, stellten die Gäste aus der Schweiz (Prof. Rolf Gollob, Martin Keller und Matthias Borer) zusammen mit Vertretern vom Unterrichtsministerium und vom Kronstädter Schulamt am 19.  Januar im Festsaal des Şaguna-Kollegs dieses Projekt den Kronstädter Schuldirektoren vor.

Es ging dabei um die Ziele und den institutionellen Rahmen des Projekts sowie um dessen Struktur,  Arbeitsweise und erste Erfahrungen. Die Teilnehmer erhielten das  in rumänischer Sprache gemeinsam erarbeitete Lehrmaterial und Arbeitsunterlagen für die Berufsorientierung.


Prof. Gollob wies in seiner Mitteilung auf die Bedeutung des Projekts hin. Ist die Schule vorbereitet ihren Schülern bei der Berufswahl beizustehen? Um diese Frage zu bejahen, müssen die Lehrer  die Lage der jungen Leute gut kennen und wissen was man für sie tun kann, was sie brauchen. Das Projekt sei kein Wundermittel mit  dem alle  Probleme gelöst  werden, sondern der Weg, den die Schüler selbst einschlagen müssen um sich und die Welt in der sie leben besser kennen zu lernen.

Der Schweizer Pädagoge rechnet mit einem anfänglichen Enthusiasmus der Schüler wenn sie ersten Kontakt zu diesen in Modulen aufgeteilten Unterrichtseinheiten erhalten. Dem „Es ist wunderbar!“ könnte aber ein „Es ist schrecklich!“ folgen, wenn sie merken, wie vieles sie selbst tun müssen. Letztendlich wird aber wieder ein „Es ist wunderbar!“ erhofft, wenn die JOBS-Stunden vorbei sind und der Schüler  stolz auf das von ihm Geleistete zurückblicken kann.


Das nachfolgende Kurzgespräch gewährte Prof.  Rolf Gollob unserer Zeitung in der Kaffeepause der Tagung.

Wie beteiligt sich die Schweizer Seite an diesem Pilotprojekt in Kronstadt?

Die Schweiz  ist in der Ausbildung der Jugendlichen geprägt durch das sogenannte duale Ausbildungssystem, d. h. 70 Prozent aller Jugendlichen gehen nicht auf ein Gymnasium oder einer Universität sondern beginnen eine Berufsausbildung in der sie drei Tage in der Woche in einem Betrieb arbeiten und zwei Tage in der Schule lernen.

Dieses Element der Berufsausbildung zeigt im Moment sehr gute Stärken gegen Jugendarbeitslosigkeit.  Wir werten damit die Beruflichkeit junger Menschen auf und schicken sie nicht einfach  in die Arbeitslosigkeit der postuniversitären Ausbildung. Im Austausch zwischen der rumänischen und der Schweizer Regierung bestand der  Wunsch zu sagen:  Wir schauen welche Erfahrungen können aus der Schweiz ins rumänische Unterrichtssystem übertragen und adaptiert werden  ,  nicht um dieses System zu verändern, sondern um die Sensibilisierung der jungen Menschen in der öffentlichen Schule hin auf Beruf, Berufsausbildung und spätere Berufsrealität zu klären.

Inwieweit ist Ihnen das rumänische Unterrichtssystem bekannt?

Unser Projekt ist im nahen Kontakt mit dem rumänischen Bildungssystem entwickelt worden und es passt wie eine Hand in den Handschuh hinein.  Es ist klar, das neue Unterrichtsgesetz richtet sich an die ökonomischen Realitäten des Landes und so soll auch dieses Projekt wirken.

Heute wurden Arbeitsunterlagen dieses Projektes für  die Schüler an Schul- und Lyzeumsdirektoren ausgeteilt.

Im Zentrum dieses Projekts stehen Unterrichtsmaterialien für die Schülerinnen und Schüler,  d.h. sie sollen die Möglichkeit haben in vier Phasen unterschiedliche Fähigkeiten zu erlernen.   Die erste Phase ist, mehr über die eigene Kompetenz zu erfahren,  wo sind meine Stärken, wo sind meine Wünsche und Vorstellungen, wie werde ich aber auch mit Enttäuschungen konfrontiert.

In der zweite Phase lernen die Schüler mehr über die reale Ökonomie des Landes, über  die Situation von Arbeit, Arbeitslosigkeit, Geschlechtergleichberechtigung etc.  In der dritten Phase bereiten sie sich vor, in Betriebe zu gehen und diese Betriebe selber zu erkunden. Sie gehen also in Betriebe wie Personen, die sich über die reale Situation interessieren,  stellen fragen, lassen sich dokumentieren. 

Mit diesem Material kehren sie in die Schule zurück und bereiten in der vierten Phase eine schulische Ausstellung der gegebenen Situation vor.  Inhaltlich geht es um die Frage der Berufe,  um die reale Lage am . In der Form arbeiten die Schüler hochselbstaktiv, selbstpräsentierend und erarbeiten damit verstärkt die eigenen Kompetenzen. Bei den Schülern handelt es sich um jene aus den Abschlussklassen der öffentlichen Schulen und um das erste Jahr der technischen Schulen, d. h. um Schüler im Alter von 14bis 15 Jahre aber auch 16 bis 17 Jahre.  

Die Schüler stehen im Mittelpunkt dieses Projektes ohne aber Lehrkräfte, Arbeitsmarkt und  Eltern auszuschließen.

Ohne eine solche Vernetzung würde dieses Projekt überhaupt nicht funktionieren. Im Zentrum stehen die Schülerinnen und Schüler aber es braucht jetzt die Unterstützung und die Vernetzung aller anderen Beteiligten. Ohne dass die Schüler von ihren Eltern unterstützt werden, werden sie die erwartete Stärke nicht erreichen. 

Ohne dass Lehrpersonen nicht die Kompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler erkennen, stützen und stärken und nicht nach den Fehlern suchen sondern nach den Stärken, ohne dieses wird es nicht funktionieren.  Ohne dass Unternehmen nicht bereit sind,  diese Schüler zu empfangen und sie, nicht zu führen, sondern ihnen die Möglichkeit geben die Stärken und die Gegebenheiten in einem Unternehmen zu entdecken, wird es nicht funktionieren.  Ohne dass Schulen den Unterricht nicht so anpassen und aufbereiten, dass  wöchentlich drei Stunden für diese Joborientierung bereitgestellt werden, wird es nicht klappen.  Ohne ein Netzwerk geht gar nichts.

Wie werden diese drei Stunden pro Woche in den Unterricht eingegliedert?

Wir werden gar nicht den Versuch machen, ein neues Unterrichtsfach dafür zu finden, sondern das Ziel ist, dass Lehrkräfte in einer Schule sich kombinieren, z. B.  die Sprachlehrer, die Fachlehrer für IT und die Lehrpersonen für  Beratung – dass diese sich also zusammentun.  Diese drei Stunden werden zu einem Paket zusammengebunden.  Wenn man die Unterrichtsmaterialien analysiert, wird man sehen, ganz viele inhaltliche Ziele dieser Unterrichtseinheiten, werden über dieses Projekt erreicht.Wir nennen es ‘Job orientation for businesses and schools‘.  Es geht klar darum, dass Schülerinnen und Schüler kompetenzorientiert arbeiten und damit erfüllen wir auch ein Ziel des neuen Unterrichtsgesetzes.

Werden diese Stunden zum Thema Joborientierung fakultativ sein? Wie erfolgt ihre Bewertung?

So wie wir unser Ziel stellen, sollen  diese Unterrichtsstunden für Joborientierung obligatorisch sein.   In welcher Form das sein soll, werden wir in den nächsten Jahren gemeinsam entwickeln.  Was die Bewertung betrifft,  so wird es ein Assessment geben müssen. Es handelt sich um eine Überprüfung, bei der man den Lernenden unterstützt, indem man ihm Rückmeldungen gibt.   Es wird also schriftliche Rückmeldungen auf die Arbeit der Schüler geben. Ob es zum Schluss auch Noten gibt, das kann ich noch nicht sagen.

Die Fragen stellte Ralf Sudrigian