Kronstadt und Österreich (I)

Daten aus acht Jahrhunderten

Innenansicht der Johanniskirche in Kronstadt. Am Hauptaltar in der Mitte befindet sich oben das Khevenhüller-Wappen von 1729.
Foto: Peter Simon

Die erste bekannte schriftlich überlieferte Beziehung zwischen Kronstadt und Österreich wurde durch Johannes Philippi de Corona verwirklicht, der als erster Kronstädter im Jahre 1385 an der im Jahre 1365 gegründeten Wiener Universität studierte. Leider ist über seinen weiteren Lebenslauf nichts bekannt. Bis zum Jahre 1500 besuchten insgesamt 178 Kronstädter Jünglinge die Wiener Universität.

Einer von ihnen - Johannes de Corona – war im Jahre 1473 sogar Rektor der Wiener Universität und sein Name steht auf der Rektorentafel in der Eingangshalle der Universität.
Im Jahre 1501 schrieb der Rektor der Wiener Universität an den Kronstädter Stadtrat, um die Eltern einiger Kronstädter Studenten in Wien zur Bezahlung ihrer Schulden zu bewegen. Der Brief befindet sich noch heute im Kronstädter Staatsarchiv.

Bei seinem ersten Aufenthalt in Kronstadt im Jahre 1395 bestätigte der ungarische König Sigismund von Luxemburg (1387–1437) als Erstes  die Handelsprivilegien der damals größten Stadt  seines Reiches – nämlich Kronstadt –, darunter auch das schon ältere Recht des Handels nach und von Wien; das war der westlichste Punkt, bis wohin die Kronstädter Fernhändler Handelsfreiheit genossen.

Die älteste aus Wien direkt nach Kronstadt gelangte Urkunde ist allerdings fast ein Jahrhundert jünger und stammt aus dem Jahre 1485 und wurde vom ungarischen König Matthias Corvinus (1458–1490) ausgestellt, der gerade in dem Jahr Wien erobert  und es zu seiner Residenz gemacht hatte. Drei Tage vor seinem Tod am 6. April 1490 stellte König Matthias in Wien noch drei Urkunden aus, die sich heute im Kronstädter Staatsarchiv befinden.

Am 1. März 1520 bezog der Jüngling Johannes Auscht oder Aust ex Corona, der Sohn des Lederermeisters Jörg Austen (Augustin) aus der Schwarzgasse in Kronstadt, die Wiener Universität. Im Jahre 1522 wurde er als Johannes Holer Baccalaureus und erwarb im Jahre 1525 als Johannes Hollerus den Magistertitel. Der Name bedeutet im Wiener Dialekt den Holunder, und der Sage nach soll Honterus sich an den Zweigen eines Holunderstrauches festgehalten haben, um nicht zu ertrinken. Die Sage verlegt den Ort des Geschehens an den Burzenländer Fluss Weidenbach. Aber nachdem der Name Holerus erst in Wien auftaucht, können wir annehmen, dass es eher die Donau war, die wohl gefährlicher sein konnte als der hiesige Weidenbach. Nach Siebenbürgen zurückgekehrt, änderte er seinen Namen in den siebenbürgisch-sächsischen Ausdruck Honter – was auch Holunder bedeutet – und hängte später die lateinische Endung –us an, sodass Honterus daraus wurde. Unter diesem Namen wurde er dann weltberühmt.

In seiner Weltbeschreibung (1542) schreibt Honterus über das heutige Österreich in den Versen 362 – 364:

„Jenseits der Donau und näher dem wärmeren Westwind gelegen,
Graz folgt und Villach wie auch noch die Berggipfel Innsbrucks die hohen,
Salzburg dann füge hinzu und Wien auch das schöne zu ihnen“.

Nach der Schlacht von Mohács 1526 machte der spätere Kaiser Ferdinand Ansprüche auf Ungarn und wurde auch zum König von Ungarn gewählt und gekrönt. Darüber schrieb er auch am 5. November 1527 an den Kronstädter Rat. Dieses Schreiben und weitere 14 Urkunden von ihm aus den Jahren 1527 – 1529 befinden sich noch heute im Kronstädter Archiv.

Eine Kronstädter Delegation reiste an den Hof und der König bestätigte die Privilegien der Stadt. Auf dem Heimweg wurde die Abordnung von Räubern überfallen und der Kronstädter Stadtrichter Johannes Benkner und der Stadtnotar Nicolaus Pictor getötet, der damalige Ratsherr und spätere Stadtrichter Johann Fuchs wurde schwer verwundet.

Während der ersten Besetzung Siebenbürgens durch habsburgische Truppen wurden in den Jahren 1552 – 1554 durch den kaiserlichen Militärarchitekten Graf de Arco zu der auf dem Schlossberg bestehenden Bastei noch drei Basteien gebaut und so das „Neue Schloß“ errichtet, der Kern des heutigen Schlosses.

Eine nächste Beziehung von Kronstadt zu Wien ist der virtuose Lautenspieler Valentinus Greff-Bakfark, „Siebenbürger aus der Stadt Kron“, der von Juni 1566 bis März 1568 im Dienste des Kaisers Maximilian II. als Hofmusikus in Wien war. Die Gehaltszahlungen an ihn sind in dicken Rechnungsbänden im Hofkammerarchiv in Wien verzeichnet.

Der Kronstädter Ratsherr – und spätere Stadtrichter – Michael Weiß war im Jahre 1595 Mitglied der siebenbürgischen  Gesandtschaft an den Kaiser Rudolf II., von der ein Bündnis zum Kampf gegen die Türken abgeschlossen wurde. Später begab sich die Gesandtschaft nach Graz, um dort eine Nichte des Kaisers – die Erzherzogin Maria Christierna – abzuholen, die zur Bekräftigung des Bündnisses mit dem siebenbürgischen Fürsten Sigismund Báthori verheiratet wurde  nach dem schönen Grundsatz   „Tu, felix Austria, nube“.

Am 1. März 1600 zog als Statthalter des Kaisers Rudolf II. der Fürst der Walachei Michael der Tapfere feierlich in Kronstadt ein und wurde vom Stadtrichter Valentin Hirscher in seinem Hause am Rossmarkt (heute Nr. 6) beherbergt. Einige Tage später erhielt er bei und in Kronstadt allerdings auch vom türkischen Sultan Achmed I. die Insignien der Fürstenwürde in der Walachei.
Ein unschönes Kapitel der Beziehungen Kronstadts zu Österreich am Anfang des 17. Jahrhunderts ist an den Namen des kaiserlichen Generals Georg Basta geknüpft, der Kronstadt und dem Burzenland sehr schwere Zeiten bereitete und sogar einen der Mörder von Michael dem Tapferen zum „Gubernator“ von Kronstadt einsetzte, der aber bald abzog.

Im alten Kronstädter Stadtarchiv des Kronstädter Staatsarchivs  befindet sich in der Privilegiensammlung unter Nr. 764 eine Urkunde des Kaisers Leopold I (1658–1705) – als gleichzeitig auch König von Ungarn –, ausgestellt in Wien am 8. Februar 1667, durch die er den Kronstädter Bürgern Laurentius Berger und Simon Massa – die Stiefbrüder waren – wegen ihrer nicht näher bezeichneten  treuen Dienste den erblichen ungarischen Adelsstand und ein gemeinsames Wappen verlieh. Die beiden waren Söhne des Stadtnotars Laurentius Berger und des Gymnasialrektors Simon Massa.  Sie hatten beide das Kronstädter Gymnasium besucht und der  erstere in Königsberg 1662 und Rostock 1664 , der zweite in Wittenberg 1660 studiert.

Nach der Niederlage der Türken vor Wien im Jahre 1683 drangen die kaiserlichen Armeen unaufhaltsam nach Südosten vor und kamen so im Jahre 1687 nach Siebenbürgen, das damals ein selbstständiges Fürstentum unter türkischer Oberhoheit war. Im Mai 1688 musste der siebenbürgische Landtag in Fogarasch die Unterwerfung unter die Herrschaft Kaiser Leopolds I. anerkennen, nach dem vom kaiserlichen General  Caraffa geäußerten Grundsatz „Volentes, nolentes protegit vos Majestas Sua“ (Ob ihr wollt oder nicht, Seine Majestät schützt euch).

Kaiserliche Truppen sollten die wichtigsten Städte besetzen, darunter auch Kronstadt. In Kronstadt löste die Nachricht davon und schon länger schwelende Unzufriedenheiten mit der Stadtobrigkeit  einen Bürgeraufstand aus, der die Stadtführung absetzte und sich auf die Verteidigung gegen die kaiserlichen Truppen vorbereitete. Als diese unter dem General Frederico Veterani vor Kronstadt erschienen, wurden sie mit Gewehrfeuer empfangen. Die Kaiserlichen brachten ihre Geschütze auf dem Berg neben der Postwiese in Stellung und begannen das Schloss auf dem Schlossberg zu beschießen, wo der Sitz der Aufständischen war. Nach einigen Treffern baten die Aufständischen um Gnade und ihre Führer wurden verhaftet und später hingerichtet.

Zum Unterschied von der sächsischen Bevölkerung Kronstadts begrüßte die rumänische Bevölkerung aus der Oberen Vorstadt die Kaiserlichen feierlich als Befreier.

Weil General Veterani ein einsichtiger Feldherr war, verbot er seinen Truppen, Kronstadt nach dem Kriegsrecht zu plündern, weil er wohl wusste, daß Kronstadt die wirtschaftlich wichtigste Stadt in Siebenbürgen war. Nur in den Vorstädten wurde die Plünderung erlaubt.

Am 21. April 1689 brach in Kronstadt der Große Brand aus, der einen großen Teil der Inneren Stadt und der Oberen Vorstadt einäscherte und etwa 300 Todesopfer forderte. Manche Zeitgenossen beschuldigten die kaiserlichen Truppen der Brandlegung oder der  Brandverbreitung, aber die begonnene Untersuchung wurde wegen zu vieler Zeugen gegen das Militär nicht weitergeführt.

Manche Zeugen behaupteten sogar, dass mit Brandgranaten auf die Große Pfarrkirche geschossen wurde, deren Dach in Brand geriet und die seither „Schwarze Kirche“ genannt wird.
Es war die größte Katastrophe in der Geschichte von Kronstadt, deren Folgen erst spät überwunden werden konnten und bis heute erkennbar sind.

 Am 4. Mai 1696 erhielt der frühere Stadtrichter Michael Filstich vom Kaiser Leopold I. einen Adelsbrief. Filstich hatte im Mai 1688 die Besetzung des Schlosses durch die kaiserlichen Truppen und die Unterwerfung der Stadt mit Lebensgefahr gefördert. Er konnte sich seiner Ehrung allerdings nicht lange erfreuen, denn er starb schon am 25. Juli 1696.

Aus dem Jahre 1698 sind zwei weitere Adelsbriefe von Kaiser Leopold I. für Kronstädter Bürger bekannt.

Einem kaiserlichen Offizier verdanken die Kronstädter den ersten bekannten Stadtplan, der 1699 von Giovanni Morando Visconti erstellt wurde.

Der zweite bekannte Kronstädter Stadtplan von 1702 befindet sich im Kriegsarchiv in Wien und trägt auch die Unterschrift des Prinzen Eugen von Savoyen als Präsident des Hofkriegsrates. Die dort vorgesehenen Befestigungsarbeiten wurden jedoch wegen der Kurutzen-Unruhen nur zum Teil umgesetzt.

Der katholische Reichsgraf und General-Feldwachtmeister Ludwig Andreas Khevenhüller (1683 –1744) hatte auch Beziehungen zu Kronstadt. Er wurde im Jahre 1726 Inhaber und Kommandant des in Kronstadt stationierten Dragoner-Regiments Schönborn und veröffentlichte in den Jahren 1728 und 1729   für die Dragoner zwei Militärinstruktionen, die in Kronstadt gedruckt wurden.  Khevenhüller ist auch einer der Förderer der Ausstattung der den Katholischen abgetretenen Johanniskirche in der Johannisgasse, wo der Hauptaltar die Wappen von ihm und seiner Frau zeigt.
Auch die erste bekannte Ansicht von Kronstadt aus dem 18. Jahrhundert  hat der kaiserliche Offizier Conrad Weiss im Jahre 1735 gemalt, dazu wurde ein weiterer Stadtplan angefertigt, beide Originale befinden sich im Wiener Kriegsarchiv.

Im folgenden Jahre wurden etwa 70 aus Kärnten wegen ihrer evangelischen Religion Ausgewiesene ins Burzenland gebracht, die aus der Khevenhüllerschen Herrschaft stammten. Sie wurden in Kronstadt meistens als Meierer untergebracht.

Weil die Kärntner die hier im Gottesdienst übliche siebenbürgisch -sächsische Mundart nicht verstanden, wurde ihnen von verschiedenen Predigern – die das in Deutschland gelernt hatten – „hochteutsch“ gepredigt, zuerst im Auditorium des Gymnasiums, aber dann in der Schwarzen Kirche. Der spätere Stadtpfarrer Petrus Clos wurde zum „Kärntner-Prediger“ bestellt.
 Einen nächsten Moment zum Thema Kronstadt und Österreich brachte das Jahr 1773. Wir zitieren aus einer zeitgenössischen Schilderung:

„1773 an 6. Junius gelangten Ihre Kaiserliche Majestät Joseph der Zweite auf Höchst Dero durch ganz Siebenbürgen unternommenen landesväterlichen Reise zu Kronstadt an und geruhten, diese Stadt bis auf den 8. (Juni) mit Deroselben Allerhöchsten Gegenwart zu beglücken, und alle Leute durch fast unglaubliche Huld zu erfreuen“. Es durften keine aufwendigen Vorbereitungen zu seinem Empfang getroffen werden, „alles Glockenläuten und Schießen wurde bei seinem Einzug schlechterdings verboten“. „Indessen hatte dem ohngeachtet der Kaiser die allerhöchste Gnade, hier in Kronstadt das Haus des Titl. Herrn Senatoris Michael Fronius auf dem Markt (heute Flachszeile Nr.27) zum Quartier anzunehmen“.

Es war das sogenannte „Generalsquartier“, in dem der kommandierende General der kaiserlichen Truppen an der Südostgrenze Siebenbürgens seinen Sitz hatte.

„Nach dergleichen Vorbereitungen erschien unser allergnädigster Kaiser vorerwähnten 6. Junius Nachmittag 5 Uhr innerhalb unserer Stadtmauern. Das Gedränge  des Volkes, welches auf den Ruf von der unaussprechlichen Milde und Leutseligkeit, welche Ihre allenthalben (in Siebenbürgen) geäußert hatten, mit den ehrfurchtvollsten Empfindungen beseelt wurde, war unbeschreiblich.“
Der Kaiser nahm ein Mahl zu sich und ging um 10 Uhr schlafen. Am nächsten Morgen um halb sechs Uhr nahm er Bittschriften von Gesuchstellern an. Um 8 Uhr morgens ritt er auf das Schloss und besuchte anschließend die evangelische Kirche (heute Schwarze Kirche) und Schule (das Honterusgymnasium). Danach ließ er sich das im Vorjahr fertig gestellte Zuchthaus (in der Burggasse Nr. 2) und die rumänische Kirche (Nikolauskirche auf dem Anger) zeigen. Um 11 Uhr – die ganzen Besichtigungen hatten also nur drei Stunden gedauert – erteilte der Kaiser „denen allhier befindlichen Bojaren Audienz, welche vor Erstaunen über die allerhuldreichste Herablassung dieses großen Monarchen nicht Worte genug zu finden wußten“.
(Die Bojaren waren wegen des russisch-türkischen Krieges von 1768–1772 nach Kronstadt geflüchtet, der Friede von Focşani wurde erst am 23. März 1773 geschlossen).
Nach dem einstündigen Mittagsmahl erteilte der Kaiser weitere Audienzen.

„Der folgende 8-te Junius war der Tag, der zum Abzug Ihrer Kaiserlichen Majestät bestimmt war...
Um halb 6 Uhr Frühe hatte der Magistrat (=Stadtrat) Audienz, punkt 6 Uhr fuhren Ihro Majestät, nachdem sie noch im Weggehen ... Bittschriften mit eigener Hand übernommen hatten … hinweg, sahen sich, indem Sie in den Wagen hineinstiegen, noch einmal   allenthalben um und standen, so lange sie durch die Gassen fuhren, aufrecht im Wagen, um von dem Volke desto genauer bemerket zu werden“.

Zur Erinnerung an diesen ersten Kaiserbesuch und an die folgenden wurde im Jahre 2002 eine Marmortafel am Eingang zum einstigen „Generalsquartier“ angebracht.
    
(Fortsetzung folgt)