Kronstädter Verleger im deutschen Binnenraum

Ein Trend der im 16. Jahrhundert begann und nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt zunahm

Interessant ist die Tatsache, dass nicht nur deutsche Verleger im Laufe der Zeit in Siebenbürgen aktiv wurden, sondern dass auch ein umgekehrtes Phänomen zu verzeichnen ist: Siebenbürgische Verleger erobern den binnendeutschen Raum! Im folgenden Überblick stehen erfolgreiche Kronstädter im Mittelpunkt der Betrachtung.

Es gilt als gesichert, dass die Frühgeschichte des siebenbürgischen Buchdrucks  in Hermannstadt einsetzt. Aus der dortigen Druckerei stammen die ersten 35 Bücher, gedruckt zwischen 1529 – 1598. Die etwas später beginnende Buchproduktion in Kronstadt verzeichnet in der Zeitspanne von 1593 bis 1594 bereits 119 Titel. Die fruchtbarste Tätigkeit entfaltete jedoch der gebürtige Heltauer Kaspar Helth (geb. um 1520, gest. 1574) in Klausenburg. In seiner Druckerei erschienen von 1550 bis 1600 genau 208 Bücher. Besonders wichtig wurde er für den ungarischen Kulturkreis, da  sein  Verlag die ersten ungarischen Schriften überhaupt druckte.

Kaspar Helth, später magyarisierte er sich zu Gaspar Heltai, der in Wittenberg studiert hatte und ein begeisterter Anhänger Luthers war, wurde 1544 Stadtpfarrer  in Klausenburg. Sechs Jahre später gründete er mit dem in Nürnberg ausgebildeten Georg Hoffgreff in der Stadt eine Druckerei, in der er zunächst seine eigenen Werke veröffentlichte, die natürlich auch den ästhetischen Kriterien entsprechen mussten. Dafür wurde ein Formenschneider eingestellt, der die Drucke mit Holzschnitt-Titelblättern, Initialen und Zierleisten ausschmückte. Und dieser junge Mann hieß Jacob Lucius (Lutsch), geboren um 1530 in Klausenburg oder Kronstadt (da gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse).

Jacob Lucius der Ältere, der unter diesem Namen in die Geschichte eingegangene Lutsch, verließ den Humanisten Helth und seinen Verlag nach etwa sechs Jahren, um sich ab 1556 in Wittenberg anzusiedeln. Hier war er zunächst als Zeichner für Holzschnitte  offenbar  so tüchtig, dass er  bald danach ebenda eine Druckerei erwerben konnte und nun selber Bücher druckte. Als Signatur wählte er ILCT, das ist Iacobus Lucius Coronensis Transsylvanus!

Sein unstetes Wesen hielt ihn aber nicht lange am selben Ort und so verließ er nach etwa acht Jahren Wittenberg um sich ab 1564 in Rostock nieder zu lassen. Als nunmehr akademischer Verleger nannte er sich hier Jakobus Siebenbürger.

Vierzehn Jahre später avancierte er zum ersten Universitäts-Buchdrucker der Universität Helmstedt in Niedersachsen. Auch hier entfaltete er eine sehr erfolgreiche Tätigkeit, bis ihn die Pest um 1597 dahin raffte.

 Jacob Lucius der Jüngere, sein Sohn, (geb. um 1570 in Helmstedt), übernahm die väterliche Werkstatt und führte die Buchdruckerkunst erfolgreich bis zu seinem eigenen Tod (1616) fort.  Einer seiner Söhne trat dann wiederum in die Fußstapfen seiner Vorväter  in der dritten Generation.
In den Wirren des 30-jährigen Krieges kam die Produktion von Büchern in Gesamteuropa fast gänzlich zum Erliegen und auch später sind kaum siebenbürgische Verleger und Buchdrucker im deutschen Binnenraum in Erscheinung getreten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben jedoch aus unterschiedlichen Gründen etliche Siebenbürger fern ihrer Heimat.

So auch Hans Meschendörfer. Geboren am 23.9.1911 in Kronstadt, machte er später eine buchhändlerische Ausbildung in Leipzig, Paris und Königsberg. 1935 konnte er  in seiner Heimatstadt eine „Bücherstube“ unter seinem Namen eröffnen. Bis kurz vor Kriegsende gab er in seinem Verlag  vier Werke heraus.

Nach Krieg und Gefangenschaft gelang es ihm 1954 in München die „Versand- und Verlagsbuchhandlung Hans Meschendörfer“ aus der Taufe zu heben; zusätzlich  betrieb er zwischen 1956 und 1975 einen regen „Bücher - Geschenkdienst“ (Buchversand) nach Rumänien. Fünfzehn Jahre später (1969) ging er eine Verbindung mit der Verlagsgruppe Walter Richter ein, die leider 1975 liquidierte. Insgesamt konnte Meschendörfer in München 21 Werke zur Geschichte, Kultur und Literatur der Siebenbürger veröffentlichen und arbeitete danach bis ins hohe Alter (1981)weiter bei einem Münchner Landkartenverlag. Er starb am 15.7. 2000 in München.

Einen ähnlichen Lebenslauf hatte zunächst auch der neun Jahre jüngere Walter Myss.

Ebenfalls in Kronstadt geboren (22.9.1920) machte er nach dem Zweiten Weltkrieg Österreich zu seiner Wahlheimat. Zum Unterschied von Meschendörfer hatte er keine „verlegerische“ Ausbildung und beschäftigte sich zunächst mit Kunstgeschichte, war Inhaber eines Reisebüros in Innsbruck und Reiseleiter. 1971 entschließt er sich ins Verlagswesen zu wechseln und gründet im selben Jahr den Wort und Welt Verlag. Von H. Meschendörfer konnte er einen fest gefügten Kundenkreis übernehmen. In seinem Verlag veröffentlichte Myss neben eigenen Werken zahlreiche gediegene historische und kunsthistorische Bücher über Siebenbürgen und andere Kulturlandschaften, Ethnografien, Belletristik, Märchen und als wissenschaftliche Krönung das „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“ (1993). Myss starb am 23. 6. 2008 in Innsbruck.

Auf eine recht erfolgreiche Verlegertätigkeit kann auch der nächste gebürtige Kronstädter zurückblicken, der sich allerdings nicht selbstständig machte. Es handelt sich um Peter Scheiner. Geboren 1932 blieb er nach den Kriegswirren 1944  in Deutschland, wurde hier zum Verlagskaufmann und war bei verschiedenen Verlagen in Stuttgart, Hamburg etc. tätig. Er schaffte es bis zu sehr gehobenen Positionen als Verlagsleiter bei der Südwest Presse in Ulm und Geschäftsführer der „Stuttgarter Nachrichten“.

Bereits zu seinen aktiven Zeiten hatte das digitale Zeitalter eingesetzt und die Verlage veränderten ihr Angebot (E-Book etc.).

Auf eine langjährige Verlagsarbeit im Angestelltenverhältnis in Deutschland kann auch der gebürtige Zeidner  Bernd Kolf zurückblicken (geb. 26.1.1944), bevor er sich in späten Jahren selbstständig machte, den E. A. Seemann Verlag Leipzig und den Henschel Verlag Berlin aufkaufte und beide  mit Dr. Jürgen A. Beck 2003 zur Seemann Henschel GmbH &Co zusammenführte. Ob Kolf sich hier auch zu Titeln mit siebenbürgischer Thematik  durchringen kann, bleibt vorerst offen.

Zu den „Spätberufenen“ gehört neben Kolf und Myss noch ein Kronstädter: Frieder Latzina. Geboren 1936 profilierte er sich vom Hobbymusiker zum Musikverleger und gründete im Jahr 2000 den Musiknoten-Verlag in Karlsruhe („Musikverlag für Musik aus Siebenbürgen und von Siebenbürgern“). In seinem Verlag sind bereits 141 Notenwerke erschienen, einige sogar als Erstdrucke.
All diese Verlage standen und stehen in Konkurrenz zu den in Siebenbürgen ansässigen, mitunter kommt es aber auch zu einer gelungenen Zusammenarbeit.