Lena und Lena

Eine Adaption des Studentenensembles „Die Gruppe“ nach Büchners „Leonce und Lena“

Szene aus „Lena und Lena“ (Etnovember-Festival 2012) Foto: Carmen E. Puchianu

Dem Kronstädter Studentenensemble „Die Gruppe“ wurde im November 2012 die Gelegenheit geboten, das neue Stück „Lena und Lena“, eine Adaption nach Büchners „Leonce und Lena“, zweimal aufzuführen – im Euroart- Festival sowie im Rahmen des Studentenfestivals „Etnovember“.

Die Inszenierung beruht, wie uns die Spielleiterin „Der Gruppe“ Carmen Elisabeth Puchianu schon daran gewöhnt hat, auf den Prinzipien postmodernen Regie- sowie  Improvisationstheaters. Die Schauspieler nehmen nur zum Teil die Identität der Personen an, sodass eine Mischung zwischen der Figur und eigener Identität der Spielenden entsteht.
Das Stück enthält Repliken aus Büchners „Leonce und Lena“ aus der ersten, zweiten und der Schlussszene.

Verfremdungseffekte werden in erster Linie dadurch erreicht, dass es in der Adaption keinen Leonce gibt, dem Publikum wird ein Zwischenspiel zweier „Lenas“ mit Repliken von Leonce und Valerio geboten. So führen zwei jungen Schauspielerinnen, Alexandra Greavu (Studentin MA II) und Roxana Târziu (Studentin BA III), das Publikum in die verträumte Welt der Langeweile, in Anlehnung an Büchner, ein.

Aufschlussreich diesbezüglich ist meines Erachtens schon der erste Satz: „Meine Herren, meine Damen, was wollen Sie von mir? Mich auf meinen Beruf vorbereiten? Ich habe alle Hände voll zu tun, ich weiß mir vor Arbeit nicht zu helfen.“ . Verfremdungseffekte werden im Weiteren durch die schauspielerische Interpretation hervorgerufen, – „O wer sich einmal auf den Kopf sehen könnte! Das ist eins von meinen Idealen. Mir wäre geholfen.“ – als eine der beiden Lenas (Roxana Târziu) suggeriert, wie sie ihren Kopf ausschraubt, ihn dann ins Publikum wirft, danach in den Zuschauerraum rennt und nach dem Kopf im Publikum sucht, um sich abschließend auf der Bühne den Kopf wieder zurechtzurücken.

Dem Schluss messe ich eine besondere Bedeutung bei. Die Schlussszene wird durch Regieführung und Bühnenbild sorgfältig vorbereitet: Die Figuren agieren vorübergehend als Marionetten, sie werden von zwei monstruösen Puppen in Lebensgröße begleitet, sodass sich das Puppendasein auf der Bühne intensiviert.

Die beiden Figuren führen einzeln sogar einen stürmischen Tanz mit den Puppen auf. Als Zuschauer ist man zugleich mit dem Puppendasein der Figuren als auch der Puppen konfrontiert. Die Grenze zwischen der Figurenidentität und der eigenen Identität der Schauspielerinnen bleibt durch die Art der Inszenierung fließend, was eine Spannungserhöhung zur Folge hat.

Die Schlussszene schließt den Höhepunkt in sich ein: Das Stück endet, wie bei Büchner, mit der Hochzeitsfeier in effigie. Anders als bei Büchner führen Lena und Lena einen leidenschaftlichen Tanz und zwar einen Sirtaki (in der Theodorakis-Version aus dem Filmklassiker „Zorba, der Grieche“) auf, der zugleich Liebe und Zusammensein aber auch Trennung und Auseinanderleben suggeriert.

Dass Büchners Stück noch aktuell ist, davon zeugt die einschlägige Inszenierung in der Regie von Carmen E. Puchianu – die Sehnsucht des Menschen nach einer utopischen Welt sowie der Wunsch des Menschen, aus einer absurden und falschen Welt zu entfliehen.