Michael-Weiß-Gedenkfeier in der Honterus-Aula

Die Burzenländer Blaskapelle spielt vor dem Honterusdenkmal

Schulleiter Radu Chivarean begrüßt die Anwesenden

Die Schülertheatergruppe des Deutschen Jugendforums bereitete eine interaktive Präsentation vor.

Stadtpfarrer Christian Plajer spricht über die Opfer der Marienburger Schlacht.
Fotos: Dieter Drotleff

„Wer war Michael Weiß?“, fragt ein Schüler das Publikum. „Wir wussten es auch nicht, bis vor wenigen Wochen“, fährt er fort. Dann bittet er 22 Jugendliche aus dem Publikum, aufzustehen und nach vorne zu kommen. Er wendet sich wieder an die Zuschauer: „Stellt euch vor, dass eure Kollegen in einer Schlacht gefallen sind“.

406 Jahre sind vergangen, seitdem in Marienburg im Kampf  gegen den siebenbürgischen Fürsten Gabriel Báthory, der Kronstädter Stadtrichter Michael Weiß sowie Hunderte von Kronstädter Bürgern und Bewohnern der Burzenländer sächsischen Gemeinden ihr Leben lassen mussten. Darunter auch 22 Schüler  („Studenten“) des Honterusgymnasiums.

„Würdet ihr auch Michael Weiß in die Schlacht folgen, um eure Stadt zu schützen?“, fragt der Schüler erneut das Publikum. „Wer wäre heute bereit, sich zu opfern?“. Kaum einer hebt die Hand. Heute ist eine derartige Situation für die Schüler unvorstellbar.

Diesmal in der Aula des Honterus-Lyzeums

Die diesjährige Michael-Weiß-Gedenkfeier, die vom Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt (DFDKK), der Evangelischen Kirche A.B. Kronstadt und dem Johannes-Honterus-Lyzeum traditionsgemäß am 16. Oktober, dem Stichtag der Schlacht von Marienburg, stattfand, wurde diesmal anders gestaltet. Und fand nicht mehr in Marienburg statt, sondern in der Aula des Honterus-Lyzeums. Auf die Zeremonie beim Studentendenkmal wurde in diesem Jahr verzichtet, obwohl es eigentlich der wärmste 16. Oktober seit Jahren war. Auf jeden Fall war die Teilnehmerzahl größer als in den vergangenen Jahren. Die Burzenländer Blaskapelle spielte vor dem Honterusdenkmal, danach wurden die Gäste in den Festsaal des Honterus-Lyzeums eingeladen. Der sich schnell füllte.  Schulleiter Radu Chiv²rean begrüßte die Anwesenden, darunter die DFDKK-Vorsitzende Caroline Fernolend, den    DFDKK-Kreisrat Wolfgang Wittstock, den  Vorsitzenden des Kronstädter Ortsforums Thomas Șindilariu, Stadtpfarrer Christian Plajer und Mihaela Bolea, Vertreterin des Bürgermeisteramts Marienburg.

Die Schüler, die anhand einer interaktiven Präsentation dem Publikum Fakten über das Leben von Michael Weiß vorstellten, sind Mitglieder der Theatergruppe „Pun©Ht“des Kronstädter Jugendforums. So wie Petra Antonia Binder, die Leiterin der Gruppe, betonte, waren sie sehr interessiert am Thema und gingen enthusiastisch an die Arbeit, als es darum ging, die Präsentation vorzubereiten. Die Schüler zeigten dem Publikum eine alte Karte von Kronstadt. Damals hieß die heutige Michael Weiß-Gasse „Nonnengasse“.

„Wir waren auf der Straße und haben die Leute gefragt: Wisst ihr, wer Michael Weiß war?“ Fast niemand konnte darauf antworten. Vielleicht mag der Name für manche Marienburger ein Begriff sein. Dem Andenken an die 22 Studenten, die in der Schlacht gefallen sind, wurde 1912, anlässlich des 300. Jahrestages der Schlacht, das Marienburger Denkmal gewidmet. 1913 wurde es eingeweiht.

Bis in die 1930er Jahre werden hier Gedenkfeiern anlässlich des Jahrestages der Schlacht, am 16. Oktober, abgehalten. 1998 wird die Tradition wieder aufgenommen und seitdem jedes Jahr fortgeführt.

Gerechtigkeit ist besser als Opfer

Nach der Präsentation der Theatergruppe folgte ein kurzer Dokumentarfilm, von Schülern erstellt, in dem an die Lebensstationen von Michael Weiß erinnert wird. Dabei wird besonders auf die Schlacht vor vier Jahrhunderten eingegangen. Es handelte sich um eine Auseinandersetzung zwischen Gabriel Báthory, dem damaligen Fürsten Siebenbürgens, und der Stadt Kronstadt unter Führung ihres Stadtrichters Michael Weiß.

Báthory hatte die ständischen Rechte der Sachsen im Fürstentum eingeschränkt und führte Kriegszüge gegen Burzenländer Gemeinden. 1610 besetzte er Hermannstadt und ließ es plündern. Der Stadtrichter Michael Weiß wagte es, einen Widerstand gegen Báthory zu organisieren. Am 16. Oktober 1612 trafen seine Truppen auf das Heer von Báthory. Noch ehe die Schlacht begann,  setzte im Kronstädter Heer angesichts der feindlichen Übermacht eine Fluchtbewegung ein. Und schließlich wurde die Schlacht dramatisch verloren. Hunderte von Kronstädter starben, darunter auch 22 Gymnasiasten. Auch Weiß wurde getötet. Die Kronstädter verweigerten auch in der Folgezeit eine Übergabe der Stadt. Der Dokumentarfilm wurde am Abend des 16. Oktober auch auf der Michael- Weiß-Gasse gezeigt.

Auch Stadtpfarrer Christian Plajer begann seinen Vortrag mit der Frage: „Wer war Michael Weiß?“ Gewiss starb er einen Heldentod. Man fragt sich jedoch: war es die richtige Entscheidung, Kronstadt auf keinen Fall  Báthory zu unterwerfen und die Schlacht außerhalb der Mauern der Stadt zu wagen? Trägt vielleicht Michael Weiß die Verantwortung für den Tod der vielen Menschen, die ihm in die Schlacht gefolgt sind?

Hätte man dieses Gemetzel vermeiden können? Was wäre gewesen, wenn Weiß nicht nach Marienburg gegangen wäre? „Recht und Gerechtigkeit tun ist dem Herrn lieber als Opfer“. Mit diesem Bibelspruch wies Stadtpfarrer Plajer darauf hin, dass manchmal eine rationale Entscheidung viel mehr bedeutet als ein Heldentod. Die diesjährige Michael-Weiß- Gedenkfeier regte, vielleicht mehr als die aus den Vorjahren, zum Nachdenken an. Das neue Konzept ist unter anderen auch Ursula Philippi zu verdanken, die die Veranstaltung moderiert hat. Ob die Feier im nächsten Jahr erneut beim Studentendenkmal stattfindet oder ob man mit der Veranstaltung in der Aula eine neue Tradition eingeleitet hat, ist noch ungewiss.