Musikalische Weltpremiere beim Evangelischen Kirchentag

Gespräch mit Dr. Steffen Schlandt über die neuste Komposition, die „Messe von Kronstadt“

Kirchenmusiker Dr. Steffen Schlandt wie ihn weniger Leute kennen. Dieses Mal nicht an der Orgel sondern beim Durchblättern von Musikunterlagen in seinem Arbeitsraum im Kronstädter Stadtpfarramt.
Foto: Dieter Drotleff

Einer der Höhepunkte des Evangelischen Kirchentages der vom 29. September bis 1.Oktober  unter dem Motto „Aus gutem Grund: evangelisch in Rumänien“ in Kronstadt stattfindet, ist die Uraufführung der „Messe von Kronstadt“. Deren Weltpremiere  findet in der Schwarzen Kirche am 30. September, 19 Uhr, unter der musikalischen Leitung von Dr. Steffen Schlandt statt. Der Musikwissenschaftler, Organist, Musikpädagoge, Chor- und Orchesterdirigent, der 1975 in Kronstadt geboren wurde, hat die Abteilung Orgeln am Klausenburger Konservatorium bei Prof. Ursula Philippi absolviert. Anschließend studierte er Kirchenmusik  an der Musikfakultät in Trossingen (Deutschland) und Chor- und Orchester-Dirigieren in Würzburg. 2011 verteidigte er seine Dissertation zum Thema „Die Orgelmusik in Kronstadt und dem Burzenland“. Er ist Initiator der Musikreihen Musica Barcensis und Musica Coronensis, steht der Stiftung Forum Arte vor, ist Kirchenmusiker des Stadtpfarramtes der Kronstädter Honterusgemeinde. Bereitwillig antwortete er auf die Fragen des Journalisten Dieter Drotleff bezogen auf dieses in die Stadtgeschichte eingehende Musikereignis.


Es sind nur noch wenige Tage bis zu der großen Feier der Reformation, dem Kronstädter Kirchentag. Zu diesem Anlass wird die „Messe von Kronstadt“ uraufgeführt. Wie ist dieses Werk entstanden?

Schon seit mehr als einem Jahr laufen die Vorbereitungen in der Kirchengemeinde, die für diesen Kirchentag ausgerichtet sind, und wir haben gedacht, wie kann man den Tag mit etwas Sinnvollem und Inhaltsvollem bereichern. Einen Teil, den wir als Musiker beitragen wollten, war die Herstellung eines neuen Werkes, einer Auftragskomposition, und die sollte einerseits das Repertoire ergänzen, da wir in Kronstadt ganz viele Musiker des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die jeweiligen Kantoren gehabt haben, und dann gab es eine Zeit, in der es in der Schwarzen Kirche nur Interpreten, darstellende und nicht auch schaffende Musiker gab. Und weil wir zu dem Kirchentag etwas hinterlassen wollten, was uns auch etwas nach vorne bringt, haben wir uns mit dem Gedanken beschäftigt, ein Werk zu  schaffen, und dieses Werk soll ein bisschen auch  unsere jetzige Situation beleuchten. Also vor hundert Jahren waren die Hauptkompositionen letztendlich kirchlich oder sächsisch. Ich denke an Rudolf Lassel. Er  hat die meisten Werke entweder für die Kirche komponiert, dann sind sie hochdeutsch, dann hat er für weltliche Zwecke komponiert und dann sind sie auf sächsisch komponiert.   Das sind die beiden großen Komponenten: Sächsisch für die Welt und Deutsch für die Kirche. Dann gab es den Komponisten Egon Hajek, der ist aber nach Wien, wurde Pfarrer. Und dann gab es die große Pause, und es gab keine Komponisten mehr, die an der Schwarzen Kirche gewirkt haben.

Wir wollten gerne irgendwie weiter kommen und haben uns als Hilfe Komponisten geholt, die einerseits mit uns zu tun haben, Sachsen die ausgewandert sind, oder von hier arbeitende Musiker wie z.B die Kantoren aus  Hermannstadt oder auch hier, oder einen ungarischen und einen rumänischen Komponisten damit wir natürlich auch den orthodoxen und katholischen Bereich abdecken. Einerseits weil wir hier in Siebenbürgen leben und hier ein Miteinander ist, ein Buntes. Anderseits haben wir auch in den Chören sehr viele Mitglieder, die nicht evangelisch sind. Wir können von denen nicht erwarten, dass sie nur evangelische Sachen singen ohne diesen auch entgegen zu kommen. Aber diese Messe sollte innerhalb des Kirchentages alle Leute zusammen führen. Die Messe ist so entstanden, dass die  Komponisten nur gesagt bekamen, jeder soll seinen Teil komponieren in seiner Muttersprache. Der rumänische Komponist Şerban Marcu schreibt auf Rumänisch  als orthodoxer Komponist, der ungarische Komponist Zoltan Szalay schreibt auf Ungarisch als katholischer Komponist. Es sind drei Teile von evangelischen Musikern komponiert worden. Das ist der Teil von Brita Falch-Leutert, Kantorin aus Hermannstadt, das ist ein Stück von einem Eingewanderten,  dann der Teil von Heinz Acker, einem Ausgewanderten, und Steffen Schlandt, einem Hier-Gebliebenen.

Die Proben für die Aufführung wurden schon seit längerer Zeit aufgenommen. Welches waren die bisherigen Etappen zum Einstudieren dieses Werkes?

Wir haben am 1. März die Kompositionen fertig gehabt, was das Bedeutendste war. Diese wurden dann unter den Chören aufgeteilt. Der Stammteil der Choristen kommt aus Kronstadt, der Bachchor. Dann kommt ein weiterer Teil der Choristen aus anderen Kirchenchören dazu: Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Sächsisch-Regen, Fogarasch. Es macht auch ein katholischer Chor aus Miercurea Ciuc mit.

Wie viele SängerInnen werden es insgesamt sein und wie haben diese das Werk aufgenommen, war es für diese schwierig?

Über 80 Personen, begleitet von  Orgel und Schlagzeug. Es ist ein Werk für Solisten - vier Sänger Cristina Radu (Sopran), Liviu Iftenie (Tenor), Dan Popescu (Bass), Carmen Topciu (Alt) -, Orgel, Schlagzeug (Pauke, Glocke) und Choristen. Schwierig, weil es ein neues Werk ist. Auch ein Bach kann schwierig sein. Alles, was neu ist, ist etwas schwierig. Die Musik ist nicht so schwierig, dass man sie nicht singen kann. Wir haben es auch bewusst von den Komponisten verlangt, dass man es erlernen kann. Die zeitgenössische Musik wird von sehr wenigen betrieben und auch das Publikum, das zeitgenössische Musik  gerne hört, ist eher sehr beschränkt, eine kleinere Gruppe, die sich damit wirklich auch befasst. Und wir haben aber versucht, dass wir die Musik so verständlich lassen, dass die Leute sowohl als Zuhörer, aber auch als Mitwirkende diese ansprechend finden.

Wird das Werk anschließend auch in anderen Städten und in den nächsten Jahren aufgeführt werden?

Vorläufig haben wir daran gedacht diese anschließend außer in Kronstadt in Hermannstadt und Miercurea Ciuc aufzuführen. Und das soll noch im Oktober geschehen. Und wenn alles klappt und das Werk sich der Qualität erfreut und das Publikum als solches aufnimmt, kann man es auch im Rahmen der Musica Coronensis auführen. Das gehört auch zu Kronstadt.

Strahlt dieses Werk eine besondere Botschaft aus?

Also die Botschaft ist insoweit, würde ich sagen, auch lutherisch oder auch für dieses Jahr der Reformation angepasst, weil es die Leute ansprechen soll, da Luther den Inhalt der Reformation  gerne an die Leute bringen wollte. Dieses gleich, ob der Inhalt auf Lateinisch, Deutsch, Ungarisch, Rumänisch, Englisch ist, es geht darum, dass die Leute verstehen, worum es geht. Es ist das Kapitel der Verständlichkeit in der Sprache. Deshalb haben wir diese Messe in fünf Sprachen gehalten, also Lateinisch, Deutsch, Englisch, Ungarisch, Rumänisch. Jeder aus dem Chor hat dann die Chance, in seiner Muttersprache möglichst viel mitzubekommen, obwohl alle Leute den Text der Messe eigentlich kennen.

Ist die Messe die einzige musikalische Einlage während des Kirchentages, da es ja Gottesdienstfeiern auch in den anderen evangelischen und ungarisch-lutherischen Kirchen gibt?

Nein. Die Messe wird nur am Abend des 30. September aufgeführt. Der gesamte Kirchenchor singt dann im Gottesdienst am Vormittag. Am Samstagvormittag singen alle Mitglieder der Kirchenchöre und am Nachmittag singt der Auswahlchor nur die Messe. Das ist der Unterschied zwischen Vormittag und Nachmittag.

Wie lang ist die Dauer der Aufführung der Messe?

Die Aufführung wird eingebettet sein in einen Gottesdienst, der um 19 Uhr  beginnt, mit Gebeten und Segen. Am Anfang des Gottesdienstes spielt das Canzonetta-Ensemble vom Johannes Honterus-Lyzeum. Das sind u.a. die ältesten musikalischen Werke von Kronstadt, die wir haben, und dann die neusten in der Messe. Wir beginnen bei Honterus und schließen mit unserer Zeit ab. An der Orgel begleitet Amalia Goje. Die musikalische Leitung der „Messe von Kronstadt“ steht mir zu. 

Mit dieser Aufführung wird praktisch auch die Sommerorgelkonzertreihe  und die Musikreihe Musica Barcensis abgeschlossen. Können Sie jetzt schon eine Bilanz bieten über die kürzlich abgeschlossenen Konzertreihen?

Die Ziffern des letzten Jahres sind ungefähr die gleichen, die auch für dieses Jahr zu berichten sind. Im Schnitt sind das 200 Zuhörer sowohl bei den Orgelkonzerten als auch bei Musica Barcensis. Die Musica Coronensis-Musikreihe gehört nur zu Kronstadt und ist eine Bienale. Diese fand 2016 statt und folgt 2018 und 2020. Musica Barcensis gehört ins Burzenland, und die Orgelkonzerte sind eine Aktion nur der Schwarzen Kirche und die eigentlich zu 90 Prozent auch nur für das ausländische Publikum interessant sind.  Wenn bei Barcensis und Coronensis zu den Zuhörern auch die gehören, die unsere Nachbarn und Freunde sind, dann sind es bei den Orgelkonzerten die Touristen.

Aufrichtigen Dank für ihre aufklärenden Ausführungen!