Nachbarschaften in der Inneren Stadt

Gespräch mit Kristina Creoşteanu, Leiterin des Vereins „Gemeinsam für die Entwicklung der Gemeinde“

Kristina Creoşteanu während des Gesprächs.

In der Neugasse wurden in den letzten Jahren mehrere Fassaden und Gebäude restauriert, einige sogar sehr aufwendig.

Die Neugasse hat bei Regenwetter einen besonderen Reiz.
Fotos: Hans Butmaloiu

Es war Sommeranfang dieses Jahres, als mehrere Fernsehkanäle mit nationaler Reichweite und einige Lokalzeitungen auf die Nachbarschaften der Inneren Stadt aufmerksam machten und das – in den TV Beiträgen – sogar landesweit. Welche diese sind und was sie geleistet haben, darüber sprachen wir mit Kristina Creoşteanu, Triebfeder der Initiative und seit vielen Jahren engagierte Seele der Neubelebung der Nachbarschaften in einer unseren Zeiten angepassten Form.


Welchen Bezug haben Sie zu Kronstadt?

Eigentlich bin ich in Gherla, bei Klausenburg geboren, doch als ich drei Jahre alt war, das war 1960, zogen wir her, nach Kronstadt. Wir bezogen eine Wohnung in dem Gebäude am Marktplatz Nummer 25, wo sich heute das Gedenkhaus und Museum der Mureşianu-Familie befindet. Viel später sollte ich erfahren, dass es die Räumlichkeiten waren, wo sich – zur Zeit als dort die Mureşianus wohnten – ihre Waschküche befand. Dort verbrachte ich meine Kindheit. Die Klassen I-IV habe  ich in der Grundschule besucht, wo heute das Schulinspektorat ist. Ich war auch am damaligen Honterus-Lyzeum, die rumänische Abteilung, bevor es zu dem wurde, was es heute ist, und habe meinen Abschluss dann beim Şaguna-Lyzeum gemacht. Studiert habe ich Elektronik und, bis zur Wende 1989, bei Metrom und später bei dem ehemaligen Planungszentrum für Elektronik gearbeitet, welches im Gebäude der Hochschule untergebracht war.

Dann kam die Wende und der Beginn Ihrer politische Tätigkeit?

Dann kam die Wende und die große politische Euphorie, der Idealismus und, ja, auch mein Umstieg vom Zeichenbrett in die Lokalpolitik. Ich stellte mich als Kandidatin für den Lokalrat 1992 und wurde gewählt und erinnere mich heute noch an die aufregende und mit vielen Erfolgen verbundenen Jahre als ich z.B. Herrn Dieter Simon, als Kollegen im Stadtrat hatte. Auch Pfarrer Vasile Oltean war damals mit uns in dem Ausschuss, der beauftragt war, die Straßennamen zu ändern, was wir auch gemacht haben. Als gewählter Vertreter fühlt man sich frustriert, wenn man etwas erreichen will und die Exekutive nicht mitmacht. Das habe ich auch zu spüren bekommen und, nach Ende des Mandats, 1996, habe ich mich für eine Stelle im Bürgermeisteramt beworben. So wurde ich in der Abteilung für internationale Kontakte tätig. So konnte ich eine ältere Idee verwirklichen und habe damals das Amt gegründet, über welches die Bürger und die NGO‘s (Regierungsunabhängige Vereine) mit dem Bürgermeisteramt Kontakt aufnehmen konnten.

Im Bürgermeisteramt habe ich bis 2005 gearbeitet, mit einer Unterbrechung, als ich in Bukarest mit amerikanischen Experten an dem Reformprogramm der rumänischen Lokalbehörden in städtischen und ländlichem Bereich gearbeitet habe. Es war eine sehr volle Zeit: wir haben mit 32 von den 41 Kreisen des Landes gearbeitet und die gewählten Lokalbehörden einem Reformprozess unterzogen, der sie  bürgerfreundlicher machte. Es war ein Erfolg für alle Beteiligten. Damals richteten wir die Infozentren ein, ein Überwachungssystem der Bürger für die ihnen von der Lokalverwaltung gestellten Dienstleistungen, also Müllabfuhr, Abflussanlagen, öffentlicher Transport - eben alles was die Gemeinde, ob Stadt oder Dorf, zu stellen hat! Mit Fragebogen und Rückmeldung, Verbesserungen und noch einiges mehr. In den Jahren habe ich meine Ausbildung mit einem Masterstudium, eben in Lokalverwaltung, ergänzt und 2005 habe ich bei der Einrichtung des Kronstädter Infozentrums mitgewirkt.
    
War das der Vorläufer des so genannten „Einheitlichen Schalters“?

Genau das war es: der Bürger brachte seinen Antrag an einen der vierzehn Tische, die wir hatten, wo ein Beamter ihn bearbeitete und von wo er ihn auch wieder entgegen nahm. Für die Bürger war es ein riesiger Schritt, der mächtig viel Zeit sparte, übrigens auch Kosten für die Behörde. Leider wurde alles von der traurigen Boc-Regierung wieder abgeschafft.

Wieso denn?

In der schriftlichen Begründung des Regierungsbeschlusses, durch welches diese Ämter aufgelöst worden sind, stand Schwarz auf Weiß: „Es sind zu wenige solcher Ämter eingerichtet worden“, also seien sie wirkungslos und demnach, anstelle sie überall einzuführen, wurden die vorhandenen aufgelöst. Für die Bürger war das ein schwerer Schlag und für uns eine mächtige Enttäuschung!  Im selben Zug wurde auch das einheitliche Amt für Baugenehmigungen aufgelöst. Es folgten anschließend einige Jahre innerhalb der Metropolitat-Agentur ,wo tatsächlich mehrere Projekte im Einzugsgebiet verwirklicht wurden. Es wurden Geldmittel herangezogen - so wurde das Altenheim in Heldsdorf eingerichtet, das Zentrum in Wolkendorf und noch Einiges mehr. Zeitgleich ergab sich die Gelegenheit, mich an dem Europäischen Rat der Munizipien und Regionen zu wenden - ein informelles Gremium in dem Anliegen der Regionen z.B. vorgetragen werden und wohin die EU Kommissare kommen, um Meinungen einzuholen, wenn es um die Ausarbeitung von EU Verordnungen, also die bekannten „Direktiven“ geht. So manches unserer Anliegen wurde dort erhört und in Beschlüsse einbezogen. Drei waren die Arbeitsbereiche: soziale Bindung, Verkehr und Umwelt.

Da sind wir bei einem Stichwort angelangt: soziale Bindung! War das der Auslöser für die Gründung der Straßenvereine, im deutschen Sprachgebrauch Nachbarschaften.

Jein! 2001 hatten wir über das Bürgermeisteramt für die Einwohner einiger Stadtteile Bürgerräte gegründet: im Traktorenviertel, im Ragado Tal, in Bartholomä und im Eisenbahnerviertel, bekannt als Triaj. Die so gesammelten Anregungen wurden auch übernommen und in Beschlüsse des Lokalrates umgewandelt, ebenso auch in der damaligen Zeitung des Bürgermeisteramtes. Dieses waren die Vorläufer der Nachbarschaftsvereine. Eines der Anliegen, das Hauptanliegen, stammt aus den Jahren die Gebäudefassaden betreffend, anfangs  ging es nicht  um die Gebäude der Inneren Stadt, sondern um die erwähnten Viertel, wo es andere Fassaden, aber dieselben Probleme gab - beschädigt, vernachlässigt usw. Damals kam noch hinzu, dass es noch sehr viele ungelöste Eigentumsfragen gab.

Die Stadt konnte und kann auch jetzt keine Geldmittel für die Restaurierung von Privateigentum ausgeben. So etwas gibt es nicht. Die Bürger mussten sich zu gemeinnützigen Vereinen zusammenschließen und für diese sieht das Gesetz verschiedene Finanzierungen vor. Das wurde dann auch in endlosen Treffen mit den Bürgern geklärt und erreicht: es wurden die ersten Vereine gegründet, eben nach dem Vorbild der einstigen Nachbarschaften, die ja nach Straßen gegliedert waren. Von ihnen wusste ich und nicht nur ich. Als Schirmverband gründeten wir eben 2001, amtlich erfasst und als Rechtsperson den „Verein Gemeinsam für die Entwicklung der Gemeinde“ (AIDC), welcher die Nachbarschaften, wie die eben erwähnte deutsche Bezeichnung lautet, erfasst.

Wie sind Sie dabei vorgegangen? Es gibt  ja viele Straßen mit wahrscheinlich nicht immer dem gleichen Anliegen! 

Als erstes haben wir den Vertretern die Gesetzeslage erklärt: ein angemeldeter Verein wird zur Rechtsperson und muss den Auflagen entsprechen, mit Buchhalter, mit Jahresabrechnung beim Finanzamt, mit Buchführung, selbst wenn es überhaupt kein Geld zu verwalten gibt. Also ein Aufwand, der sich nicht unbedingt lohnt. Eine NGO braucht das nicht und kann sich voll auf ihre Anliegen konzentrieren. Das hat den Bürgern natürlich eingeleuchtet und so wurde vorgegangen, Straße für Straße in der Inneren Stadt. Ab 2011 können wir sagen, dass wir aktiv wurden. Ab 2013 führten wir auch ein erstes Pilotprojekt mit Finanzierung durch, und zwar für drei Straßen: die Neugasse/Cerbului, die Spitalsgasse/Postăvarului und eine Straße in der Oberen Vorstadt, Pe Tocile, die auch als Schleifergasse bezeichnet wird. Für diese letzte hatte ich mich besonders stark gemacht, da es im Viertel ein Vorzeigeprojekt werden sollte. Und es wurde tatsächlich ein Erfolgsprojekt.

Die Anliegen wurden besprochen, einige davon durch Anträge an die Stadt gelöst, andere durch den Einsatz der Bewohner. Einzelheiten würden einen Band füllen, aber beschränken wir uns auf etwas, was Schule gemacht hat. In der Oberen Vorstadt gibt es die alten Holztore, viele davon kleine Kunstwerke von großem Wert. Bei dem Haus in der Schleifergasse Nr. 25 haben wir das Tor restauriert, wobei der Eigentümer nur die Hälfte der Kosten tragen musste. Die andere Hälfte konnten wir beisteuern. Diese Tore sind Fotomotive der Stadtfotografen um die  19. Jahrhundertwende gewesen. Sie sind ein wertvolles Erbe, eines davon konnten wir restaurieren. Das war eine Anregung auch für andere Straßen, die dem Beispiel folgten.

In der Spitalsgasse haben wir die ersten Tütenspender angebracht. Von dort können sich die Hundehalter, welche spazieren gehen, die notwendigen Tüten nehmen, denn der Hundeunrat war ein Anliegen der meisten Bewohner der Straße. Es war ein Anfang, der über einen Anzeigekasten in der Neugasse bekannt gemacht wurde. Auch den Eingang in das Schnürgässchen haben wir gegen wild parkende Besucher gesperrt und eine Tafel angebracht, welche uns die Kinder der Kunstschule gebastelt haben.  

Das sind Restaurierungen, Verschönerungen vielleicht kleine Anliegen. Wie ist es verlaufen mit den Anliegen, die an die Stadt gerichtet wurden?

Meistens sehr gut. Die Dienstleister wie Strom, Wasser, Gas, haben reagiert und die Arbeiten, welche von diesen durchgeführt werden müssen (damit meine ich Anschlüsse, Gräben oder an den Wänden), erfolgen nun nur nach Absprache mit den Eigentümern. Ein besonderer Erfolg ist z.B., dass wir für jeden Eigentümer eine eigene Wasseruhr durchsetzen konnten, was vielleicht eigenartig klingt, aber eine dringende Notwendigkeit in Gebäuden mit   mehr als zehn Eigentümern ist. Heute gibt es nur noch wenige Straßen in der Inneren Stadt ,welche keine Nachbarschaften gebildet haben.

Das sind die Johannisgasse, die Goldschmiedgasse und der Marktplatz, wo es etwas schwierig sein wird, denn dort sind die Gaststätten angesiedelt, die ihre eigenen Vorstellungen haben. Diese haben aber gesehen, was in der Nebengasse geschieht und sind jetzt auch interessiert. Eindruck haben wir gemacht, als die Nachbarschaften der Neugasse und Burggasse ihre Schilder mit den Hausnummern erneuert haben und mit einem eigenen Symbol versehen haben. In der Neugasse ist es ein Hirschgeweih nach der rumänischen Benennung Cerbului, in der Burggasse eine Mauerkrone. Auch praktische Anliegen wurden ganz oder teilweise gelöst, eines davon, welches sehr ärgerlich ist, das wilde Parken, wird auch bald endgültig gelöst werden.  

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte
Hans Butmaloiu