Neue Namen und hohe Erwartungen

USR-PLUS muss in Kronstadt Bewährungsprobe bestehen

Unterschriften für den zukünftigen Bürgermeister Allen Coliban leiteten dessen erfolgreiche Wahlkampagne ein. Foto: der Verfasser

Zwölf Kronstädter Stadträte kommen von der Wahlallianz USR-PLUS; die Nationalliberalen schicken elf Vertreter in den Stadtrat und die Sozialdemokraten stellen die restlichen vier Ratsmitglieder. Der gewählte Bürgermeister Allen Coliban (USR) braucht nicht nur kompetente und vertrauenswürdige Mitarbeiter im Rathaus, sondern auch eine Mehrheit im Stadtrat, die hinter ihm steht. Coliban will anders als sein Vorgänger Scripcaru die Stadt führen: mehr auf die Meinungen der Kronstädter hören, transparenter handeln, sich in den Dienst der Gemeinschaft stellen und keine öffentlichen Gelder verschenken.

Es sind Versprechungen, die bei den meisten Wählern angekommen sind und die zu seinem Überraschungssieg führten. Sein USR-PLUS-Team besteht größ-tenteils aus weniger bekannten Namen ohne große Erfahrung in Lokalpolitik und öffentlicher Verwaltung. Sie bezeichnen sich als der Zivilgesellschaft verbunden, genauer gesagt den Kronstädter Interessen. Da spielt Ideologie keine bestimmende Rolle und theoretisch könnten auf dieser Grundlage auch leichter Verbündete gefunden oder zumindest ein konstruktiver Dialog mit den politischen Kontrahenten eingeleitet werden. Zunächst belächelt und nicht ernst genommen, dann als ein „Securitate-Instrument“ verschrieen oder zu „Neomarxisten“ abgestempelt, bringt USR, mehr als die junge PLUS-Partei um Dacian Cioloș, Teile der Zivilgesellschaft besser ins politische Spiel als die Großparteien PNL und PSD. Vor allem letztere hatte in Kronstadt große Schwierigkeiten, sich dem Image einer von Bestechung und Klientelpolitik beherrschten Partei zu entledigen. In bestimmten Grenzen gilt das auch für die Kronstädter Nationalliberalen, vor allem jene um den Scripcaru-Flügel. Oft hatte man den Eindruck, der Bürgermeister handelt allein nach seinem Gutdünken, bedient dabei mit öffentlichen Geldern sein Umfeld und sichert sich eine gewisse Ruhe und Mehrheit im Stadtrat auch von Seiten der angeblichen politischen Widersacher aus den PSD-Reihen.

Diese Zustände sollten nun vorbei seien, hoffen wohl die meisten Kronstädter. Coliban hat Erfahrung als Manager, ist offen für Dialog, gilt als kompetenter und engagierter Umweltschützer. Er werde sich die besten Mitarbeiter aussuchen und per Ausschreibung einen fähigen City-Manager ins Rathaus bringen. Sehr viel bedeute ihm die moralische Integrität; mit Vorbestraften oder mit Leuten die Probleme mit der Justiz haben, wolle er nicht zusammenarbeiten. Diese Aussage scheint eine Absage sämtlicher Versuche zu sein, seinen Vorgänger eventuell als einen der beiden stellvertretenden Bürgermeister zur Seite zu haben. Denn es ist am wahrscheinlichsten, dass USR-PLUS und PNL im Stadtrat zusammenarbeiten (müssen), selbst wenn sie nun in der Vorwahlkampagne der Parlamentswahlen um die Wahlstimmen der Kronstädter konkurrieren. Unter diesen Umständen kommt der PNL ein Vizebürgermeisterposten zu. Interessant ist, dass auch PNL-Neuzugang Werner Braun (Vorsitzender des Deutschen Wirtschaftsklubs und ehemaliges Stadtratsmitglied seitens des Deutschen Forums) zu den möglichen Nominierungen für dieses Amt gezählt wird. Was die Beziehungen zur PSD und ihren vier Stadträten betrifft, hat Coliban die diplomatische Antwortsvariante der sturen Propaganda a la „Rote Pest“/„Ciuma Rosie“ vorgezogen: wenn die PSD-Projekte den Interessen Kronstadts dienen, dann habe er keine Bedenken, sie zu akzeptieren.

 Die großen Projekte für Kronstadt gelten nach wie vor und heißen Mitbeteiligung an dem Kreisrat-Projekt des Kronstädter Flughafens und Bau eines neuen Krankenhauses. Bei letzterem versucht USR allerdings eine größere Hospital-Variante (Bettkapazität rund 1500) durchzusetzen als die gegenwärtige. Hinzu kommen die vielen, größeren oder kleineren, mehr oder weniger mediatisierten laufenden Verträge der Stadt mit verschiedenen Dienstleistern und Partnern, aus denen von heute auf morgen auszusteigen rechtlich schwer oder zumindest sehr teuer sein würde. Dass die Liberalen auf Fortführung und Umsetzung der von ihnen angeregten Projekte bestehen werden, ist zu erwarten und wird ein ernster Test für die USR-PNL-Beziehungen sein. Denn laut Wahlkampfaussagen, zumindest in einigen Fragen, werden Coliban und USR von den PNL-Vorstellungen abweichen: ein Brassovia-Naturpark um Kronstadt ist etwas anderes als neue Forststraßen wie es der lokalen Forstregie „Kronstadt“ vorschwebt. Kleinere Parkplätze in verschiedenen Stellen am Rande der Inneren Stadt annulieren die Tiefgaragen-Projekte Scripcarus unter dem Zentralpark. Neue Parkanlagen in den Stadtvierteln kommen dem Wunsch vieler Kronstädter für gesündere Luft entgegen. Über andere Bereiche wie Begünstigungen für Investoren, Ausbau der Fahrradwege und erweiterte Stadtmobilität, Förderung der Kronstädter Kulturszene, Sanierung historisch wertvoller Bauten, mehr Transparenz in der Finanzierung des vom Stadtrat getragenen Corona-Sportvereins, Unterstützung der Kronstädter Reiseanbieter und des hiesigen Gastgewerbes und vor allem die Überwindung der von der Pandemie verursachten Gesundheitskrise werden die Kronstädter Vertreter im Stadtrat auch zu entscheiden haben. Es gibt also vieles zu tun und USR-PLUS muss sich dabei als treibende Kraft bewähren.