Paulus als Schulmeister

Evangelische Jugendliche unterwegs auf den Spuren von Apostel Paulus

Pfarrer Uwe Seidner (zweiter von rechts) mit Jugendlichen aus der evangelischen Kirchengemeinde Wolkendorf in Kleinasien auf den Spuren des Apostels Paulus. Foto: privat

Vom 10. zum 22. September unternahm Pfarrer Uwe Seidner  (Wolkendorf) eine Pilgerfahrt mit evangelischen Jugendlichen. Sie folgten  den Spuren von Apostel Paulus durch Kleinasien, in der heutigen Türkei. Die Fahrt führte über Istanbul zu den antiken Stätten von Pergamon, Ephesus und Hierapolis, aber auch zur Wirkungsstätte des Hl. Nikolaus in Myrra (heute Demre). Diese Fahrt galt als ein Nachfolgeprojekt für eine Pilgerfahrt, die im Jahr 2010 nach Griechenland geführt hat. Ziel der  diesjährigen Reise, war, mit Mitteln der Erlebnispädagogik Werte des christlichen Glaubens der heranwachsenden Generation unserer Kirchengemeinden zu vermitteln.

Im Sommer 2010 machte sich eine Gruppe von Jugendlichen der Kirchengemeinde Wolkendorf auf den Weg nach Griechenland, um den Spuren des Apostels Paulus zu folgen. Das Thema jener Jugendfreizeit lautete: „Paulus als Grenzgänger“. Am Vorbild des Apostels Paulus lernten wir, wie bestehende Grenzen gesprengt und überwunden werden können. Durch den Einsatz des Apostels geschah eine Öffnung im Judenchristentum und die Botschaft Jesu Christi erreichte auch die heidnische Welt.

Mit jungen Menschen, die vorwiegend aus konfessionellen Mischehen stammen und noch keine gefestigte konfessionelle Identität haben, setzten wir uns mit dem Gedanken der Öffnung auseinander. Das Überleben unserer klein gewordenen Landeskirche kann nur gesichert werden, wenn eine Öffnung geschieht.

Vom Apostel Paulus lernten wir, dass der Glaube über Grenzen hinweg wirkt. Am Vorbild des Apostels als Grenzgänger haben wir schließlich gelernt, was Öffnung demnach heißen könnte.
In diesem Jahr nun fand die Fortsetzung statt nach dem Leitsatz „Paulus als Schulmeister“. Es galt, den Apostel Paulus auch als unseren Lehrer anzuerkennen, der auch in unserer aufgewühlten Zeit Werte vermitteln kann. Dementsprechend konnten wir auf unserer Erkundungsfahrt, den Apostel Paulus als Schulmeister für uns neu entdecken. Er hinterließ vor allem in seinem Brief an die Epheser bedeutsame Ordnungen für Familie und Gesellschaft, die auch heute noch ihre Gültigkeit bewahren.

Bevor uns aber unsere Reise nach Ephesus führte, verbrachten wir einige Tage in Istanbul. Hier galt es nicht nur Geschichte zu erleben, sondern auch mit zeitgenössischen Problemen vertraut zu werden. Wir entdeckten das alte Konstantinopel in der Altstadt um die Hagia Sophia, erlebten aber auch die Proteste am Taksim-Platz. Die heutige Türkei ist ein Staat zwischen Orient und Okzident. Den Grund des heutigen säkularen Staates legte einst Mustafa Kemal Atatürk (d.h. Vater der Türken). Er gilt als Begründer der modernen Republik der Türkei.

An das Sultanat erinnerte uns der Topkapi Palast. Heute beherbergt dieser Palast als Museum verschiedene Artefakte aus der Zeit der Eroberungszüge der Osmanen im Mittelalter, unter anderem das Schwert Stefans des Großen, Fürst der Moldau. Istanbul ist zwar die Stadt der tausend Moscheen, aber auch das Christentum hat noch seinen Sitz im Leben der Stadt. Neben den Rufen des Muezzins von den Minaretten der Moscheen, kann auch heute noch das Glockengeläut der christlichen Minderheitenkirchen vernommen werden.

Die aktuelle politische Situation zielt einen islamischen Staat an. Aber so wie es scheint, gibt es doch Bestrebungen, sich Europa zu nähern, ja sogar der Union beizutreten. Diese Frage bleibt wohl offen angesichts der politischen Entwicklung, die zurzeit unter dem islamischen Ministerpräsident Erdogan voranschreitet. Wird sich die Türkei nun mehr einem modernen Europa zuwenden oder entfernt sie sich und zielt einen islamischen Gottesstaat an? Istanbul, das alte Konstantinopel, sucht aber die Nähe zu Europa.

Mit der Fähre überquerten wir den Bosporus nach Kleinasien. Entlang der Mittelmeerküste erreichten wir Ephesus. Ephesus ist heutzutage praktisch von Touristen überrannt. Nicht nur der Artemis-Tempel, das alte Weltwunder, sondern auch die wieder aufgebaute Bibliothek und die Kirche zu Mariä Himmelfahrt gelten als Hauptattraktionen. Der Weg führte uns nun weg von der Küste ins Hinterland nach Pamukkale. Hier gibt es nicht nur die weltberühmten Kalkterrassen mit dem lauwarmen Wasser der Thermalquellen, sondern auch das antike Hierapolis.

Dieses bizarre Naturwunder verdankt seine Entstehung dem Thermalwasser, das kalkhaltig aus den Quellen strömt. Wie kleine Schwalbennester schmiegen sich die trogförmigen Kalkgebilde, über die das Thermalwasser rinnt, an die Felsen. Und im Sonnenlicht erstrahlt Pamukkale so strahlend hell, dass man förmlich geblendet wird. Im Altertum war dieser Ort eine Pilgerstätte für unzählige Menschen, die sich Heilung für vielfältige Gebrechen von den Thermalquellen erhofften. Persönlichkeiten wie Cleopatra stiegen hier schon in das antike Schwimmbecken. Für das Christentum gewinnt Hierapolis dadurch an Bedeutung, dass sich hier – laut einer urchristlichen Überlieferung – das Grab des Apostel Phillipus befindet. Heute wird ein leerer Sarkophag neben der alten christlichen Basilika als Grab des Apostels ausgegeben.

In Myrra wollten wir den Hl. Nikolaus besuchen. Um Missverständnisse vorzubeugen, erklärte ich den Jugendlichen, dass Nikolaus mit dem Coca-Cola Weihnachtsmann vom Nordpol, (eine Werbefigur für den Konsum), nicht verwechselt werden darf. Der historische Nikolaus lebte nämlich hier im warmen Süden. Als christlicher Bischof hat er sich sehr für die Menschen und ihre sozialen Nöte eingesetzt. Auch hier standen wir vor dem leeren Sarkophag des Hl. Nikolaus in der schönen und sehr gut erhaltenen romanischen Kirche mitten in Demre. Der Sarkophag steht leer, da Nikolaus’ Gebeine im Jahre 1087 von italienischen Kaufleuten nach Bari verbracht wurden.

Die Kirche in ihrer heutigen Form erinnerte durch ihre Architektur sehr an die romanische Basilika auf dem Berg von Michelsberg, nur etwas größer. Dass diese Kirche heute in einem so guten Zustand ist, ist den Russen zu verdanken. Die Kirche, die Jahrhunderte lang im Schlamm des Demre-Flusses versunken war, wurde 1863 vom russischen Zaren Alexander II. erworben und teilweise wieder hergestellt. In die Reihe der Heiligen wird ja auch nicht von ungefähr der letzte russische Zar Nikolaus II. Romanow geführt. Er gilt auch als Märtyrer. Für die vielen russischen Türkeireisenden ist dieser Ort zu einer bedeutsamen Pilgerstätte geworden.

Einen schönen Abschluss erfuhr diese Pilgerfahrt bei einem Strandvolleyballspiel mit irakischen und türkischen Studenten und Studentinnen in Antalya. Die Türkei ist doch die Drehschreibe zwischen Orient und Okzident, ein Treffpunkt der Kulturen und ihren Besonderheiten. Mit den Mitteln der Erlebnispädagogik sollte diese Reise vor allem auch Gemeinschaft und Identität stiften.

Wir danken dem Gustav Adolf Werk, dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen und dem Jugendwerk der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien für die Fördermittel.