Römische Militärlager, eine Präsenz von anderthalb Jahrhunderten

Mit Ausnahme der Dächer weit in der Ferne und einiger Hochspannungsmasten ist es dieselbe Landschaft die ein römischer Legionär sehen konnte. Die Mauer des Castrums verlief damals etwa dort wo die Grasfläche in das bebaute Feld übergeht.

Andre Gonciar (links) und Dr. Stelian Coşuleţ, Leiter der Archäologischen Abteilung des Geschichtsmuseums Kronstadt (rechts) überwachten gemeinsam die Ausgrabungen dieses Sommers.

Im Inneren des Castrums gehen die Ausgrabungen voran: parzellen- und schichtweise, mit Spachtel und viel Geduld
Fotos: der Verfasser

Andre Gonciar (44), der gebürtige Hermannstädter und seit vielen Jahren Wahlkanadier, der in diesem Sommer eine Gruppe Archäologiestudenten aus den USA und Kanada zu der Ausgrabungsstätte bei Rosenau brachte, hat eine interessante Theorie über die Präsenz der römischen Soldaten im eroberten Dakien, ihre Rolle als Besatzung und die Lage der Castren gegenüber den Siedlungen der Einheimischen.

„Betrachtet man die Karte mit der Lage der römischen Militärlager (castrum), so bemerkt man sofort eine gewisse Symmetrie dieser Lager, zu den uns bekannten Siedlungen der Daker, hier bei Rosenau haben wir ein sehr gutes Beispiel. Die römische Verwaltung, hatte entgegen einigen etwas abwegigen Auffassungen kein Interesse daran ein erobertes Areal völlig zu entvölkern, denn das hätte das Übersiedeln von neuen Arbeitskräften bedeutet. Den Nachweis über Siedlungen, mit Sicherheit nicht besonders großen, aber mit einheimischer Bevölkerung haben wir archäologisch erbracht und diese haben ihre gewisse Kontinuität. In diesen ging das Leben weiter, Viehzucht und die entsprechende Landwirtschaft wurde von der Bevölkerung fortgesetzt, gegenüber welcher eine Präsenz gezeigt werden musste aus der die römische Überlegenheit hervorgehen sollte. Ein Castrum, eine geordnete Bauweise mit festen Mauern sind schon ein Teil dieser Überlegenheit, wenn der Einheimische in einem Lehmbau, halb unter der Erde und mit Laub abgedeckt haust, aber nicht die ganze.“

„Die römischen Soldaten,welche die Besatzung eines Castrums bildeten, durchschnittlich bis in die 5-600 Mann, waren eigentlich keine „Römer“, es waren eingezogene Angehörige anderer Völker, aus anderen Teilen des Reiches und wurden zu Römern, weil sie eine römische Rüstung trugen und Mitglieder der Legionen des Imperiums waren. Ihre Rolle in den Lagern war auch nicht unbedingt die einer starken Besatzungskraft, die wann und wo immer vernichtend hätte eingreifen können, schon rein zahlenmäßig wäre das unmöglich gewesen. Doch sie wurden so stationiert, dass sie aus diesem Castrum die Siedlung im Auge behalten konnten, welche sich auf dem Hügel befand, wo sich heute die von den Rosenauern errichtete Fluchtburg befindet. Die Spuren dieser alten Siedlung auf dem Hügel, klein im Ausmaß, gering an Bewohnerzahl, doch kontinuierlich vorhanden, sind längst freigelegt und ausgewertet worden. Nun, die Bewohner vom Berg, wurden von den Soldaten aus dem Castrum im Feld „beobachtet“. Zwischen beiden Gruppen hat es mit Sicherheit engere Kontakte gegeben, dafür sprechen die archäologischen Funde im Lager, wo sie erhalten geblieben sind und nicht überbaut wurden: es handelt sich um Kinderspielzeug und um den Nachweis für die Anwesenheit von Frauen, die im Castrum gelebt haben. Das war der Anfang der Verschmelzung, denn die entlassenen Legionäre konnten sich nicht in der Umgebung Land erwerben: präventiv wurden sie immer an andere Standorte versetzt, als da, wo sie ihren Wehrdienst geleistet hatten. Es war eine der Maßnahmen um etwaigen Aufruhr zu erschweren.“

Sollten diese Besatzungen in den römischen Provinzen nicht eben eine Aufruhr oder einen Aufstand der Einheimischer, besetzten Bevölkerung, niederschlagen?

„Selbst wenn sie es gewollt hätten, dazu wären rein zahlenmäßig 5- 600 Soldaten nicht fähig gewesen. Es waren einfach zu wenig für kriegerische Handlungen von großem Umfang. Andererseits, bis sie Hilfe oder Entsatz bekommen hätten, wären sie längst überrannt worden“, argumentiert Andre Gonciar. „Ihre Anwesenheit vor Ort war bedeutend durch ihre Lebensweise, ihre Auftrittsweise, die Bauweise, ihr Erscheinen, dass beeindruckte, zu Achtung und Nachahmung im Alltag und der Übernahme von Wissen und Erfahrungen. Ich wiederhole mich vielleicht: durch Vorleben und Zusammenleben.“

Also war das die eigentliche Hauptrolle oder sogar Aufgabe dieser Lager, immer wieder nahe an einer Siedlung der Einheimischen?

Diese Aussage befürwortet Andre Gonciar und fährt fort: „Das Römische Reich benötigte diese Bevölkerung, denn sie bebaute den Boden, brachte Salz an die Oberfläche, lieferte das Lebensnotwendige für die Besatzung der Militärlager und war, nicht zuletzt durch die heranwachsenden Männer, auch Nachschub für das Heer: Legionäre wurden im ganzen Reich eingezogen und mit ihrer Einheit an Standorte entsandt oder zu Feldzügen eingesetzt. Betrachten wir es doch nüchtern: eine unbewohnte Landschaft kann weder Produkte noch Soldaten hergeben! Und die Landschaft hier zumindest war nie menschenleer. Gut, sie war im Verlauf der Zeit dichter oder weniger dicht bevölkert, in der Zeit der Zugehörigkeit zum Imperium haben wir jedoch den Nachweis, dass sie besiedelt wurde, die Zahl der Einwohner stieg. Es folgte der Rückzug, jenseits der Donau, südlich, als sich Verwaltung und Soldaten zurückzogen. Es gingen mit ihnen sicher auch einige fort, die etwas Habe besaßen und sich am anderen Ufer sicherer fühlten, archäologische Funde beweisen so etwas, doch menschenleer wurde die Landschaft nicht, schon rein deswegen, weil es neben den Siedlungen, wie die am Berg in Rosenau auch Einheimische gab die ferner, in den Wäldern, in höheren Lagen, Sennen oder auch sehr kleinen Siedlungen lebten. Diese hatten aber auch schon irgendwann Kontakte gehabt, sei es auch nur durch einfachen Warentausch, und hatten ihre Erfahrungen gemacht und weitergegeben.“

 „Was geschah mit dem Castrum nach dem Rückzug, in den ersten Jahren nach 250-270?“ war die letzte Frage, die wir stellten.

Darauf hatte Andre Gonciar noch keine schlüssige Antwort, doch einige Vermutungen: „Im Allgemeinen wissen wir, dass Militärlager beim Rückzug geschleift werden, das ist logisch, da man ja dem nachrückenden Feind keinen festen Ort schlüsselfertig überlassen will. Der Gedanke beim Abzug der Legion konnte ja durchaus sein: Nächsten Sommer kommen wir zurück. Da wollte man ja nicht eine befestigte Anlage einnehmen müssen. Also ein vorsätzliches Schleifen ist vorstellbar, doch hier deuten Anzeichen auf eine spätere Nutzung hin, sei es auch nur als zeitweiliger Zufluchtsort für die Einwohner der nahen Umgebung und deren Herden. Die Ergebnisse werden wir nur durch Fortsetzung der Ausgrabung haben können“, schließt Andre Gonciar.

Hans Butmăloiu