"Rumänien vor Ort erleben"

Valerie Merveldt arbeitet seit Dezember im Kronstädter Jugendforum

Valerie Merveldt genieß die Stimmung in Kronstadt. Foto: die Verfasserin

Im Deutschen Jugendforum Kronstadt ist nur halbwegs Sommerpause: die eingereichten Fotos im Wettbewerb „Burzenland-Geschichten“ werden diese Woche von der Jury bewertet, ein Planspiel zur EU-Erweiterung ist in Vorbereitung, die Homepage des Forums wird regelmäßig aktualisiert... Wer übernimmt aber diese Aufgaben?
Valerie Merveldt hat mit ihrer bald zehnmonatigen Tätigkeit alle Rekorde in der Kategorie „Praktikumsdauer im Jugendforum“ geschlagen. Die Vierundzwanzigjährige hat ihren Kronstadt-Aufenthalt auch deshalb verlängert, weil sie „das Gefühl hatte, nicht alles gesehen, gelernt und ausgetestet“ zu haben. Valerie ist deutsche und belgische Staatsbürgerin und kommt aus Nordrhein-Westfalen. Ihr Abitur hat sie in Waterloo, Belgien gemacht, anschließend hat sie in Dresden Literatur- und Kulturwissenschaften Französisch/Spanisch studiert und in Barcelona ein Erasmus-Semester abgeschlossen. Die Sommerferien verbrachte Valerie oft als Betreuerin von Kinder- und Jugendfreizeiten oder als Pflegebetreuerin für internationale Behindertencamps, die Winterferien als Skilehrerin. Sehr gerne joggt sie auch in Kronstadt unter der Zinne oder wandert im unweit gelegenen Gebirge.
Valerie spricht deutsch, französisch, englisch und Spanisch und lernt seit einigen Monaten Rumänisch im Privatunterricht. Sie kann schon mit gerolltem „R“ im Restaurant bestellen, einkaufen, sich im Zug mit den Fahrgästen unterhalten, sowie auf Rumänisch geschriebene Mails lesen – „Korrespondenz beantworten noch nicht so“, sagt sie, „dafür aber mit dem Taxifahrer verhandeln!“ Für Kronstadt hatte sie sich vor fast einem Jahr spontan entschieden. Sie wünschte sich einen längeren Auslandsaufenthalt und praktische Erfahrung im Bereich Kultur- und Projektmanagement, sozusagen eine „Orientierungsphase“ auch für die weitere berufliche Laufbahn. Das Interesse für Osteuropa und das sprachliche Argument waren zudem entscheidend. „Ich wusste nicht viel über das Land, außer dass es vor einiger Zeit der EU beigetreten war, dass es nicht unbedingt eines der reichsten EU-Länder war und dass Rumänisch eine romanische Sprache ist. Dennoch fand ich es spannend, hierher zu kommen“ schreibt sie in ihrem Praktikumsbericht. „Ich hatte mir im Voraus absichtlich nicht viele Gedanken darüber gemacht. Ich wollte Rumänien vor Ort erleben und nicht mit Vorurteilen oder zu großen Erwartungen einreisen.“ Hierzulande entdeckte sie „ein anderes Zeitverständnis als in Deutschland“, „keine deutsche Pünktlichkeit und Ordnung“, die Spaltung „Pferdekutschen neben dicken Limousinen“, dafür aber die „sympathische lockere Lebensart“ und die „unendliche Gastfreundschaft“.
Für das Jugendforum hat Valerie den Internetverteiler bereit gestellt, Fehler im Benutzersystem beseitigt, die Adressenlisten aktualisiert, regelmäßig den Newsletter sowie zahlreiche Infomails an die über 500 Kontakte versendet. Für die laufenden Projekte ist sie von Beantragung der Fördergelder und organisatorischer Arbeit bis Durchführung und Abrechnung mitverantwortlich: die Jugendtheatergruppe „ImPuls“, die Schülerzeitung „Clique“, die Spiele- und Filmabende gehören dazu. Auch im Orts- und Kreisforum hilft Valerie gerne mit.
Ob der Kronstadt-Aufenthalt sie beeinflusst hat? „Auf alle Fälle!“, sagt sie. „Ich bin viel entspannter als vor zehn Monaten und rege mich mich nicht mehr über Dinge auf, die man nicht unbedingt ändern kann. Auf menschlicher Ebene hat mich das hiesige große Gefälle von Arm und Reich dazu bewegt, meine Situation mehr wertzuschätzen, anstatt immer anderen Zielen hinterher zu träumen.“ In Rumänien hat Valerie ihr Interesse an der Politik entdeckt, vor allem durch das EU-Planspiel, welches sie selbstständig vorbereitet. Auch den Themenbereich osteuropäische Kulturarbeit findet sie spannend, deshalb hat sie sich vorgenommen, in Deutschland ihren Rumänischkurs fortzusetzen.
Was wenige hier in Kronstadt wissen... Valerie ist Gräfin. Das „von“ vor ihrem Familiennamen lässt sie aber gerne weg, denn „oft schafft es nur Distanz zu den anderen und bringt Vorurteile, wie z. B. dass man privilegiert oder sehr reich sei, wobei ich komplett gewöhnlich auf dem Lande aufgewachsen bin. Ich brauche das nicht unbedingt. Man fängt ansonsten an, sich daran zu gewöhnen.“