Ungeahnte Schätze zu bewundern

Einen Blick in Dorfmuseen im Fogarascher Gebiet geworfen

Büste der österreichischen Kaiserin Sissi im Kirchhof von Halmagen.

Zu den wertvollsten Exponaten im Museum von Fogarasch gehört der Flügelaltar aus der Kirche von Kleinschenk.
Fotos: der Verfasser

Fährt man auf der Fernstraße zwischen Kronstadt und Hermannstadt, kommt man auf halber Strecke in die Stadt Fogarasch, in der sich eine der  repräsentativen mittelalterlichen Festungen des Landes befindet, die das „Museum des Fogarascher Landes Valeriu Literat“ beherbergt. Der Baubeginn der Festung geht auf den Anfang des 14. Jahrhunderts zurück. In den späteren Jahrhunderten diente diese, nachdem sie mehrmals weiter ausgebaut worden war,  auch als zeitweiliger Fürstensitz. Michael der Tapfere  besetzte die Burg 1599 während seines Feldzuges, schenkte sie aber seiner Gemahlin, Fürstin Stanca, deren Büste auf einem Sockel vor dem Wassergraben um die Festung, heute an sie erinnert. In späteren Jahren diente die Festung auch als Fürstensitz, Kaserne, Gefängnis, um dann als Museum des Gebietes gestaltet zu werden. Im Museum, über das wir schön öfters berichteten und das auch gut bekannt ist, und nun nicht Gegenstand dieser Berichterstattung sein wird, befindet sich unter den Exponaten auch  der Flügelaltar  der Evangelischen Kirche von Kleinschenk der, laut Viktor Roth, aus dem Jahre 1655 stammt. Somit nehmen wir diesen Hinweis zum Anlass, einen ersten Abstecher in Kleinschenk/Cincşor zu machen.

In der Gemeinde Voila, zu der heute Kleinschenk gehört, biegt man von Fogarasch kommend rechts ab. Bald hat man die Kirchenburg  im Blickfeld. Die erste urkundliche Erwähnung  geht auf das Jahr 1377 zurück. Eine zweite Erwähnung stammt aus dem Jahre 1434.  Bis 1876 gehörte Kleinschenk zum Schenker Stuhl.  Der Baubeginn der Kirche wird 1427 verzeichnet und ist den Aposteln Petrus und Paulus gewidmet. In der spätgotischen Kirche befindet sich ein von Carl Dörschlag 1868 gemalter Altar. In einem der Türme der Kirchenburg ist ein Museum eingerichtet worden, nachdem Kirche und Kirchenburg restauriert worden waren. Zudem sind im Pfarrhaus Fresken zu bewundern, die bei der Restaurierung entdeckt und konserviert wurden. Den Bau, wie auch die ehemalige deutsche Schule und noch ein Haus in der Gemeinde erwarb 2008 Carmen Schuster, eine Heimkehrerin, die diese restaurieren ließ, so dass sie nun in neuem Glanz erstrahlen und zum Teil auch Gäste aufnehmen können. Zudem finden in den Sommermonaten immer wieder Orgelkonzerte in der Kirche statt.

Einen Abstecher lohnt sich auch im Dorf Halmagen – rumänisch Hălmeag, ungarisch Halmagy – vorzunehmen. Vor der evangelischen Kirche in Schirkanyen/Şercaia, der an der Nationalstraße befindlichen Gemeinde zu der Halmagen gehört, fährt man rechts auf dieses fünf km entfernt gelegene Dorf zu,  in dem seit 2008 ein kleines Dorfmuseum eingerichtet worden ist, das den Namen des ehemaligen Lehrers und Rektors der Schule, Jako Denes, trägt. In diesem wurde eine ehemalige  Halmager Wirtschaft eingerichtet. Darin befinden sich Haushaltsgegenstände, Möbel, Archivfotos, Bücher, Stickereien, die von Ortsbewohnern gespendet wurden. In dem Dorf befindet sich eine evangelisch-lutherische Kirche, deren Geschichte bis auf das Jahr 1211 zurückgeht. Nach der von Johannes Honterus 1542 eingeführten Reformation wurde diese zur lutherisch-evangelischen Kirche. Von den rund 500 Ortsbewohnern gehören heute 150 dieser Konfession an. Auf dem Kirchhof befindet sich eine Büste der österreichisch-ungarischen Kaiserin Sissi (1837 - 1898), die stark die ungarische Bevölkerung in dem Revolutionsjahr 1848/1849 unterstützt hat. Als Dank soll ein bisher unbekannt gebliebener Bildhauer 96 Büsten der Kaiserin ausgearbeitet haben, von denen nur noch die hiesige, eine in einem Dorf bei Klausenburg, und eine in Wien, die aus Sathmar/Satu Mare gebracht wurde, existieren sollen.

Fährt man weiter auf der Nationalstraße  in Richtung Fogarasch, sind in der nächsten Gemeinde Mândra gleich zwei Dorfmuseen zu besichtigen. Das „Museum der Gewebe und Erzählungen“, das von einer Dorfbewohnerin, Alina Zară, eingerichtet worden ist, beeindruckt durch die Stickereien, die in mühevoller Arbeit von Frauen des Dorfes angefertigt werden. Auch führt die Museumsleiterin Kinder in diese Kunst ein, um  dieses ehemalige Handwerk ihrer Mütter und Großmütter zu erlernen. In dem Weiler Şona, der zu Mândra gehört, wurde eine Schmiede  in einem ehemaligen Gebäude der Feuerwehr des Dorfes eingerichtet. Die „Schmiede des Lazăr“ wie diese benannt wird, gehört dem Dorfmuseum an, und wird vom Verein „Şona noastră“, der dem Maler Stefan Câlţea gewidmet ist, verwaltet.

Fährt man von Fogarasch über den Alt-Fluss, so gelangt man nach einigen Kilometer in die Ortschaft Calbor. Da hat  Lehrerin Claudia Ludu ein Museum in der Schule eingerichtet, nachdem diese aus Mangel an Schülern geschlossen werden musste. Mit Hilfe der Ortsbewohner hat sie alte Haushaltsgegenstände und -geräte gesammelt und da ausgestellt. Vor allem aber Stickereien; sie führt auch gelegentlich Besucher in diese Kunst ein.

Das bedeutendste Museum im Gebiet, nach jenem in der Fogarascher Festung, ist das des orthodoxen Klosters „Constantin Brâncoveanu“ von Sâmbăta de Sus. Eröffnet 1996 vom ehemaligen Metropoliten Siebenbürgens Antonie Plămădeală umfasst dieses vor allem alte Bücher, Manuskripte aus vergangenen Jahrhunderten. Desgleichen ist im Kloster die beeindruckende Hinterglasikonen-Ausstellung zu bewundern. Da befindet sich auch eine orthodoxe Akademie, in der immer wieder Tagungen organisiert werden. In der alten Kirche innerhalb des Klosters befindet sich rechts an der Wand beim Eingang ein Fresko des rumänischen Königs Mihai I. in natürlicher Größe. Dieses hat auch die Jahre des Kommunismus überlebt zur Verwunderung der Besucher der Kirche. Besonders zu Mariä Himmelfahrt, der am 15. August begangen wird und seit einigen Jahren zum offiziellen Feiertag erklärt worden und somit arbeitsfrei ist, pilgern tausende Gläubige zu dem Kloster.        

Von Sâmbăta de Sus kommend kann man auf der Kreisstraße, die entlang des Fogarascher Gebirges durch die Ortschaften Şinca Nouă und Şinca Veche, Poiana Mărului führt, weitere Dorfmuseen besichtigen. In Copăcel  wurde 2001 ein Museum, das den Namen des Dorflehrers Matei Minea trägt, eröffnet. In dem Museum sind vor allem landwirtschaftliche Geräte, Keramik, Volkstrachten, Hinterglasikonen ausgestellt. Hier sind aber auch alte Bücher, die von Johann Gött oder Coresi gedruckt worden sind, zu sehen. In der Gemeinde Drăguş wurde das Dorfmuseum gegründet, das den Namen des bekannten rumänischen Ethnologen Dimitrie Gusti trägt. Dieser hatte 1929 in das Bukarester Dorfmuseum das erste Bauernhaus aus dieser Gemeinde überführt. Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde und jetzige Bürgermeister von Fogarasch, Gheorghe Sucaciu, hatte  für das Projekt 39.000 Euro als ausländische Finanzierung erhalten. Das Museum, das im Gemeindezentrum eingerichtet wurde, umfasst ein traditionelles Haus, eine Scheune, weitere Anbauten und beherbergt die traditionellen Feste, die in der Gemeinde – die auch als das schönste Dorf des Landes gekürt worden war – stattfinden.

Das Museum in der Ortschaft Bucium wurde 1967 gegründet. Nach der Wende von 1989 wurde dieses Dank des Dipl.-Ing. Gheorghe Radocea ausgebaut und vor allem mit zahlreichen Sammlungen bereichert. 1997 wurde die Stiftung gegründet, die den Namen des Ingenieurs trägt. Die Sammlungen, die diese beherbergt, haben internationalen Ruf, zahlreiche Touristen und Forscher aus dem In- und Ausland treffen da ein. Hier fanden auch literarische Zusammenkünfte statt. 1994 wurde das Museum von König Mihai I. besucht. Gheorghe Radocea (1915 – 2000) war ein landesweit bekannter Bauingenieur, der leitende Funktionen in der Hauptstadt ausgeübt hat. Das Museum, das zahlreiche Haushaltsgegenstände, Stickereien, Ikonen umfasst, ist in zwei Gebäuden untergebracht.

Das Fogarascher Gebiet, zu dem über 50 Gemeinden und Dörfer zählen, ist reich an Traditionen, liegt in einer besonders schönen Landschaft. Doch gibt es nur elf derartige Dorfmuseen im Umfeld, die Dank vor allem der Eigeninitiative einiger von da stammenden Persönlichkeiten, Lehrern oder Pfarrern gegründet worden sind, die diese  auch weiter anleiten. Außer mit der dafür geopferten Freizeit haben diese Gründer  auch materiell dazu beigetragen, um den eigenen Traum oder den der Gemeinschaft zu verwirklichen. Es gibt auch weitere derartige Einrichtungen im Gebiet von kleinerem Ausmaß und Bedeutung, die vielleicht weniger bekannt sind. Das Kronstädter Ethnographiemuseum unterstützt diese Einrichtungen vor allem mit professionellem Rat, organisiert gelegentlich Ausstellungen in der Stadt unter der Zinne, zu denen Dorfbewohner eingeladen werden, um sie in ihren Bemühungen zu fördern.