Vielfältiges Engagement

Gundel Einschenk wird heute 70

Gundel Einschenk im Musikinstrumentengeschäft Foto: Christine Chiriac

Geigen, Gitarren, Saxofone, Klarinettenmundstücke, Cello-Saiten-Sets, Notenpulte und sonstiges Musikinstrumentenzubehör – alles ist nach Gattungen, Größen und Preiskategorien sortiert, und trotzdem scheint der Raum in der Kronstädter Schwarzgasse 50 zu klein für die Vielfalt des Angebots. Das Haus mit dem Firmenschild „Musikinstrumente Einschenk“ ist jedem Musiker, Musikschüler und ausübenden Musikfreund aus Kronstadt und Umgebung ein Begriff, und das seit 1896! Auf der rechten Seite des stillen Hofs wird man an der Theke von Gundel Einschenk empfangen. Ihr Mann, Arnulf Einschenk, sitzt etwas zurückgezogen an seinem Arbeitstisch und werkelt an einem Instrument, das repariert werden möchte. Es herrschen Stille und Konzentration – nur ab und zu hört man Kinderstimmen, denn auf der anderen Seite des Raums, versteckt vor dem Auge des Besuchers, spielen die Enkelkinder.

Für das Interview lädt mich Gundel Einschenk in den großen Saal auf der gegenüberliegenden Hofseite ein. Hier warten stumm etwa zehn nagelneue Klaviere und mehrere eingepackte Flügel auf ihre Käufer. Auf meine Frage, ob es schwierig sei, Musikinstrumentenhandel zu betreiben, antwortet Gundel Einschenk mit einem Lächeln und zeigt auf einen großen Karton in dem sich Klavierfüße befinden: „Das Gewicht der Pakete macht es manchmal zur Männerarbeit!“
Auch in Fachfragen lässt sie sich von ihrem Mann beraten – sonst weiß Gundel Einschenk nach bald 25j-ähriger Erfahrung bestens, was in der Firma zu tun ist. Sie erinnert sich an die ersten Waren, die sie Anfang der neunziger Jahre aus dem Ausland bestellt hat, an ganz viel Papierkram und Geduldsarbeit rund um Vertragsabschlüsse, Sondergenehmigungen oder die Eintragung verschiedener musikbezogener Produkte in das Zollregister. Gundel Einschenk nennt das alles „die Kleinigkeiten, die man nicht sieht“.

Kleinigkeiten oder nicht, das Musikgeschäft ist längst nicht das einzige, wofür sich Gundel Einschenk tatkräftig einsetzt. Als Mitglied des Presbyteriums der Kronstädter Honterusgemeinde hat sie nun eine ältere Initiative wiederaufgenommen, die den bevorstehenden 70. Gedenktag an die Deportation (Januar 2015) betrifft: in der Schwarzen Kirche soll eine Gedenktafel angebracht werden, die an die Opfer der Verschleppung erinnert. Doch Gundel Einschenk hat zuvor als Kuratorin der Honterusgemeinde von 2001 bis 2013 eine ganze Ära im Gemeindeleben mitgestaltet. Sie übernahm das Amt im Jahr, in dem der ehemalige Stadtpfarrer Matthias Pelger ausgewandert war und Christian Plajer seine Nachfolge antrat. Auch unter den Angestellten der Gemeinde gab es Wechsel, das Team wurde nach und nach erweitert, man musste sich und andere einarbeiten, Ziele und Programme neu definieren.

Die darauffolgenden Jahre waren von zahlreichen Rückerstattungsprozessen geprägt, wobei die Kuratorin diejenige war, die mit Rechtsanwälten verhandeln und in Vertretung des Stadtpfarrers notarielle Erklärungen unterzeichnen musste. Hinzu kam viel Detailarbeit, vom Drucken neuer Ansichtskarten über die Pflege der Teppichkollektion und die Erweiterung des Altenheims bis hin zur Koordinierung des Weihnachtsprogramms.

Die sachliche Herangehensweise, mit der sie unterschiedlichste Aufgaben meistert, bringt Gundel Einschenk von viel früher mit. Wie sie erzählt, wurde sie als Kind wesentlich von ihrem Vater geprägt und übernahm seinen Beruf: „Ich durfte schon als junges Mädchen mal einen Schalter reparieren, mal etwas anschrauben oder das Fahrrad auseinandernehmen“, erinnert sie sich. „Deshalb waren Mathe und Physik Fächer, die ich mir zugetraut habe und das Maschinenbau-Studium fast selbstverständlich.“ Anschließend arbeitete die junge Absolventin fünf Jahre lang im Kronstädter Traktorenwerk, wo sie hauptsächlich Sonderanfertigungen für den eigenen Bedarf der Fabrik konzipierte. „Obwohl seit den frühen siebziger Jahren lange Zeit vergangen ist, fühle ich mich mit dieser Arbeitsstelle noch immer verbunden“, sagt Gundel Einschenk, die es sehr bemängelt, dass das Werk nach der Wende „einfach so wegradiert wurde“.

Als sie Mutter wurde, fiel es immer schwerer, um halb sechs Uhr morgens das Haus zu verlassen – deshalb nahm die Ingenieurin das Angebot an, im Johannes-Honterus-Lyzeum technische Fächer zu unterrichten. Es war die Zeit, in der die Schüler der Oberstufe auch einen Beruf erlernen mussten. Gundel Einschenk lehrte technisches Zeichnen, Elektrotechnik, Festigkeits- und Fertigungslehre oder Maschinenelemente. Ihr Fazit lautet heute: 25 Jahre Lehramt, 97 unterschiedliche Schulklassen, 2742 Schüler und eine prägende Zeit. „Ich musste von Null lernen, wie man mit Kindern umgeht, wie man ihnen altersgerecht Fachbegriffe vermittelt“, sagt die ehemalige Lehrerin, die zu didaktischem Zweck unter anderem rumänische Lehrbücher ins Deutsche übersetzte. Nach der Wende von 1989 übernahm Gundel Einschenk die Handarbeitsstunden in den Gymnasialklassen.

Zum Wechsel des Fachs und der Umstellung von den Lyzeums- zu den Gymnasialschülern („zappeliger, aber dankbarer“, sagt die Lehrerin) kamen der Wandel der Lehrpläne und der Umbruch in der Struktur der Klassen sowie der Gemeinschaft durch die große Auswanderungswelle hinzu. Den Sprung zur Informatik machte Gundel Einschenk schon von Anfang an mit, ihren ersten Computer bekam sie zu ihrem 50. Geburtstag. Heute arbeitet sie hauptsächlich mit dem Excel-Programm an Abrechnungen und Inventurführung.

Die wenige Freizeit, die übrig bleibt, nutzt sie für Garten- und Handarbeit, Reisen und Ausflüge sowie für die ausführliche Beschäftigung mit der siebenbürgischen Geschichte. Außerdem sind Gundel und Arnulf Einschenk dabei, ihre Tochter Senta in die Geschäftsleitung einzuarbeiten. Schließlich wird die traditionsreiche Firma in der Schwarzgasse/Str. N. Bălcescu bald den 120. Gründungstag feiern.