Wie grün ist Kronstadt?

Es war eine höchst unangenehme Überraschung, als bekannt wurde, dass gerade Kronstadt, zusammen mit Bukarest und Jassy, zu den drei rumänischen Städten gehört, in denen die EU-Grenzwerte der Feinstaubemission überschritten werden. Weiterhin droht ein mit hohen Strafgeldern verbundenes Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU, da bisher keine effizienten Gegenmaßnahmen für diese gefährliche Luftverschmutzung getroffen wurden.
Die Kronstädter Luftqualität wurde zum Problem und gleichzeitig zum Wahlkampfthema. Umweltschutz ist längst nicht mehr nur eine Freizeitbeschäftigung, ein alternativer Gesprächsstoff zu Wirtschaftskrise, Korruption oder Flughafen- und Autobahnprojekten. Mit Umweltproblematik erreicht und sensibilisiert man breite Bevölkerungsschichten, denn es ist eine Frage, die Gesundheit und Zukunft jedes Einzelnen anspricht. Das haben schnell auch die Politiker begriffen. Partidul Ecologic Român (PER), eine neugegründete Partei ohne markante Persönlichkeiten, konnte bei den letzten Lokalwahlen im Kreis Kronstadt zum Beispiel auf Anhieb ungefähr dieselben Wahlergebnisse vorweisen wie das DFDR oder der Ungarnverband (UDMR), wobei das Öko-Beiwort im Parteinamen, kombiniert mit der Enttäuschung in Zusammenhang mit den gestandenen Parteien (PSD, PNL), wesentlich dazu beigetragen haben dürfte. Der für manche überraschende Aufstieg der Wahlallianz Union Rettet Rumänien (USR)-PLUS in Kronstadt bei den Europawahlen 2019, als sie sich als stärkste politische Kraft behaupten konnte, ist in hohem Maße auch ihrem Einsatz in Umweltfragen zu verdanken. USR übte Kritik an der PNL-Stadtverwaltung und rief auch zu Protesten auf, wenn es um Themen wie massive Abholzungen (Gorița-Waldweg), Parkplatz unter dem Zentralpark oder Kronstädter Luftqualität ging. Zusammen mit breiten Teilen der Zivilgesellschaft (Vereine, NGOs) konnte sie dabei auch einige Teilerfolge verzeichnen, denn manche Projekte wurden, wenn nicht aufgegeben, dann zumindest aufgeschoben.
Bei den in wenigen Monaten anstehenden Lokalwahlen werden in Kronstadt neben Flughafen, Gesundheit und Schule auch Verkehr und Stadtmobilität, Stadtentwicklungspläne ohne undurchschaubare neue Wohnanlageprojekten aber mit mehr Grünflächen, effizientes Müll-Recycling oder umweltfreundlichere öffentliche Verkehrsmittel eine wichtige Rolle spielen – alles Themen, die mit Umweltschutz, Gesundheit und Lebensqualität in Verbindung gebracht werden.
Kronstadt als Tourismus-Hochburg oder als möglichst attraktiver Standort für Investitionen kann es sich nicht leisten, beim Kapitel Luftqualität als negatives Beispiel angeführt zu werden. Was die Stadtverwaltung bisher dagegen unternommen hat (Ankauf neuer Busse, Einführung von Schulbussen, Kreisverkehr, bessere Übersicht der Müllentsorgung) genügt wahrscheinlich für viele nicht, ihr weiterhin zu vertrauen, dass sie die nicht zu leugnende Luftverschmutzung in absehbarer Zeit beträchtlich reduzieren kann.
In einer Hinsicht sind die Kronstädter inzwischen nicht grün: sie sind keine Grünhörner, wenn Behörden oder Politiker Natur und Umwelt aufs Spiel setzen.