Zoppot und Danzig: der Charme von zwei polnischen Städten

In seiner komplexen Stadtgeschichte stand Danzig seit dem Mittelalter unter polnischer, später unter preußischer und deutscher Oberherrschaft. Foto: die Verfasserin

Im Lokal „Der blaue Pudel“ in der Fußgängerzone des polnischen Kurorts Sopot (deutsch: Zoppot) an der Ostseeküste hängen schwarz-weiße Familienfotos, Filmplakate von Kinohits wie „Pulp Fiction“ und uralte Pendeluhren an den Wänden. Tischtücher aus Satin, goldverzierte Kerzenständer und samtbezogene Sofas ergänzen das Bild des Restaurants, in dem unter anderen eine köstliche Suppe mit Fisch und Meeresfrüchten serviert wird. Es ist Ende Oktober, ein Wochentag, und die vier Kilometer lange Strandpromenade ist von gelben Blättern bedeckt. Die Sonne wird um 17 Uhr und 18 Minuten untergehen, in ein paar Tagen schon um 16.15 Uhr, da die Umstellung auf die Winterzeit folgt. Trotzdem herrscht Urlaubsstimmung. Und man fühlt sich, als ob man in einem Film gelandet wäre. Von einer Terrasse direkt am Strand ertönt amerikanische Jazz-Musik der 50er Jahre.

Die Riviera des Nordens
Schon im 19. Jahrhundert war Sopot der Treffpunkt der Schönen und Reichen im Casino, auf der Rennbahn oder auf der Promenade. Der Kurort liegt im Norden Polens und bildet zusammen mit Gdansk (Danzig) und Gdynia die sogenannte Dreistadt. Auf der „Riviera des Nordens“, wie die Küstenstadt noch genannt wird, wohnen nur 40.000 Einwohner –doch jedes Jahr kommen etwa zwei Millionen Touristen. Das einstige Fischerdorf entwickelte sich im 19. Jahrhundert schnell zu einem weltbekannten Kurort mit prachtvollen Villen. Wenn man vom Bahnhof Richtung Strand geht, muss man dauernd stehen bleiben und staunen. Wenn man am prunkvollen Grand Hotel mit seinem kuppelförmigen Dach ankommt, hat man das Gefühl, vor einem Palast zu stehen. Das Hotel, das 1927 errichtet wurde, blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück. In der Vergangenheit zählten Gäste wie Marlene Dietrich und Josephine Baker zu seinen Gästen. Zwei Gehminuten vom Hotel entfernt beginnt die längste Seebrücke aus Holz in Europa, die sogenannte „Molo“. Der Steg ragt 512 Meter ins Wasser hinein und bietet zahlreiche Sitzmöglichkeiten, auf denen man die Aussicht auf die Küste genießen kann. Am schönsten ist es, den Sonnenuntergang von hier zu betrachten. Auch im Spätherbst.

Das betrunkene Haus, die Waldoper und die Jazz-Bars
Nachdem es dunkel geworden ist, gehen auf der Fußgängerzone von Sopot, die Monciak genannt wird, die Lichter an. Wenn man von der Seebrücke aus zur Einkaufsstraße geht, steht man bald direkt vor dem Haus Nummer 53. Es wird „betunkenes Haus“ oder „krummes Haus“ genannt. Die bizarre Architektur (es ähnelt einer riesigen zerdrückten Bierdose) erinnert an den Film „Alice im Wunderland“. Das Haus, vor dem sich zu jeder Tageszeit ganze Scharen von Touristen tummeln,  ist nicht alt, es wurde 2004 nach einem Entwurf der Architekten  Szotynski und Zaleski errichtet, die von den bizarren Zeichnungen von  Jan Marcin Szancer und Per Dahlberg inspiriert wurden. Im Haus sind ein Restaurant, ein Handelszentrum und eine Spielhalle untergebracht.
In einem Wäldchen am südlichen Stadtrand liegt die 100 Jahre alte Waldoper, die vor Kurzem saniert wurde und wo bereits Weltstars wie  Elton John, Tina Turner oder Whitney Houston vor tausenden von Fans Konzerte gegeben haben.

Doch die vielleicht schönste Atmosphäre findet man in den kreativ eingerichteten Cafés, Jazz-Clubs und Musikkneipen. Ein absolutes Muss ist die Kult-Bar Przystan, nach eigenen Angaben die größte gastronomische Einrichtung an der Ostsee.

Auf jeden Fall sollte man in der „Kult“-Bar Przystan leckere frische Fischgerichte direkt am Strand genießen. Nach eigenen Angaben ist Przystan (was soviel wie „Anlagestelle“ bedeutet, die größte gastronomische Einrichtung an der Ostsee in Europa. Architektonisch fügt sich das Holzgebäude recht gut in die Strandszenerie ein. Man sitzt je nach Witterung und Platzangebot entweder drinnen, auf einer Terrasse im ersten Stock oder auf Bänken vor dem Restaurant. Die Aussicht auf die Ostsee ist von der höhergelegenen Terrasse am schönsten. Besonders zu empfehlen ist auch hier die Fischsuppe.

Die Stadt der Lebkuchenhäuser
Nur 15 Minuten braucht der Zug von Sopot bis nach Danzig. Vom Bahnhof aus liegt das Stadtzen-trum weitere 15 Gehminuten entfernt. Also kommt man in nur einer halben Stunde von dem ruhigen Badekurort in eine Stadt mit hohen, bunt bemalten Gebäuden, die an riesige Lebkuchenhäuser erinnern. Wenn man vom Turm des Rathauses auf die Stadt blickt, fühlt man sich wie in einem Märchenbuch: weit unten gehen Menschen auf dem Königsweg spazieren, einer Allee, die von pastellfarbenen Häusern flankiert wird. Ein als Clown verkleideter Mann macht riesengroße, glitzernde Seifenblasen, die an den Häuserfassaden vorbeifliegen und zerplatzen. Daneben plätschert der Neptunbrunnen mit wasserspeienden Seepferdchen und Löwenköpfen. Vor dem Brunnen machen Touristengruppen mehrere Selfies. Im Hintergrund sieht man das Wahrzeichen der Straße, den manieristischen Artushof. Weiter unten auf der Staße befinden sich in den Kellern der Bürgerhäuser kleine Geschäfte, wo Schmuck aus Bernstein verkauft wird. Direkt daneben sieht man das Grüne Tor. Gleich dahinter fließt die Mottlau an den Backsteinbauten entlang. Auf der anderen Seite der Straße liegt die Marienkirche, die größte Backsteinkirche der Welt. Sie ist riesig, daher der Spitzname „Dicke Marie“. Im Inneren wirkt sie  mit ihrem weiß-goldenen Kreuzgewölbe dann erstaunlich hell und vom Turm aus hat man, nachdem man 413 Stufen hinaufgeklettert ist, eine tolle Aussicht auf die Stadt.

Museum des Zweiten Weltkriegs und Shakespeare-Theater
Der Lange Markt bzw. die Langgasse sind das Schmuckstück von Danzig. Die Häuser kommen herrschaftlich und prächtig daher und das, obwohl diese nach der kompletten Zerstörung im Zeiten Weltenkrieg „nur“ vereinfacht wieder aufgebaut wurden. Die Langgasse hält zudem viele weitere Sehenswürdigkeiten bereit: Das Uphagenhaus, das Rechtstädtische Rathaus, den Neptunbrunnen, den Artushof und zahlreiche Geschäfte, Restaurants und Cafés. Man könnte stundenlang durch die Altstadt spazieren, ohne sich zu langweilen, und dauernd will man Fotos von den wunderschönen Häusern machen. Doch einen Besuch wert ist auch das Museum des Zweiten Weltkriegs, das sich  in einem Gebäude mit Glasturm befindet und das an ein Danzig in Trümmern erinnert. Die Ausstellungsräume liegen unter der Erde, um an die dunklen Stunden des Kriegs zu erinnern. Fast 90 Prozent der Altstadt wurden damals zerstört. Die Straßen der Stadt wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren von Architekten aus aller Welt rekonstruiert.
Am Rand der Rechtstadt befindet sich ein schwarzes Gebäude in minimalistischem Stil: das Shakespeare-Theater. Das Gebäude wurde 2014 nach dem Vorbild des historischen Londonder Shakespeare-Globe-Theaters errichtet.  Der Zuschauerraum umfasst 580 Plätze, davon 300 Plätze auf hölzernen Galerien. Das Dach lässt sich öffnen – zum ersten Mal erfolgte das am 23. April 2014, dem 450. Geburtstag Shakespeares. Hier findet jedes Jahr das internationale Shakespeare-Festival statt.

Nach dem Spaziergang durch die Stadt kann man in der „Druckerei“ frisch gerösteten Kaffee und Selbstgebackenes genießen und danach shoppen. Etwa im „Sztuka Wyboru“ (ins Deutsche übersetzt: „Die Kunst des Wählens“). Das ist eine Designboutique, die Kunstausstellung, Buchhandlung und Café vereint, und in der man sicher mehr als eine Stunde verbringen wird. Auch „Colorat“, ein polnisches Designer-Label, findet man hier.

Die beiden polnischen Städte eignen sich perfekt für einen Wochenend-Trip im Herbst, aber auch für einen Urlaub im Sommer, wenn man etwas anderes will als die Türkei, Griechenland oder Bulgarien. Leider gibt es noch keine Direktflüge aus Bukarest oder Klausenburg nach Danzig (man muss entweder nach Warschau und dann mit dem Zug, oder mit einer Zwischenlandung- zum Beispiel in Edinburgh mit Wizz Air) fliegen.