50 Jahre Design als rumänisches Hochschulfach

Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum Rumäniens in Bukarest

Im Jahre 1969, während der politischen und ideologischen Tauwetterperiode in Rumänien, wurde an der Fakultät für Dekorative Künste des Instituts für bildende Künste „Nicolae Grigorescu“ in Bukarest eine neue Abteilung ins Leben gerufen, die den Namen „Sektion für Industrielle Formen“ trug und sich im Rahmen höherer Bildung ganz dem Design industriell gefertigter Produkte widmete. Das erste Curriculum dieses neu eingerichteten Studienfaches orientierte sich am deutschen Modell der von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründeten Kunst-schule „Staatliches Bauhaus“, die nach Hitlers Machtergreifung 1933 von den Nationalsozialisten zur Selbstauflösung gezwungen wurde.

Auch wenn die Bukarester Kunsthochschule während der vergangenen 50 Jahre mehrfach den Namen wechselte – 1990: Kunstakademie; 1995: Kunstuniversität; 2002 bis heute: Nationale Universität der Künste (UNArte) –, so blieb doch das Studienfach „Design“ fortwährend konstitutiver Bestandteil der tertiären künstlerischen Bildung und Ausbildung. So kann man heute an der Bukarester UNArte-Fakultät für Dekorative Künste und Design verschiedene Diplome (Lizenz, Master, Doktor) erwerben und sich in Modedesign, Wandgestaltung, Textildesign sowie in der Gestaltung von Objekten unterschiedlichster Materialität (Keramik, Glas, Metall) ausbilden lassen.
Um dieses 50-jährige Jubiläum des Studienfaches Design öffentlichkeitswirksam zu begehen, hat die Nationale Universität der Künste gemeinsam mit dem Nationalen Kunstmuseum Rumäniens in Bukarest eine Ausstellung organisiert, die den Titel trägt: „50 Design UNArte: eine visuelle Geschichte der Bukarester Schule (1969-2019)“. Die Jubiläumsausstellung ist noch bis zum 29. November dieses Jahres im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss des Nationalen Kunstmuseums Bukarest (Eingang von der Strada Știrbei Vodă her) zu besichtigen.

Im Foyer des Museumserdgeschosses wird der Besucher der Jubiläumsausstellung auf zahlreichen Schautafeln mit einer Fülle von Informationen zur Geschichte des Hochschulfaches Design konfrontiert, die leider höchst unübersichtlich dargeboten werden. Um dem chronologischen Abriss zu folgen, muss der Besucher mehrfach um die wie eine Barrikade in den Raum gelegte Konstruktion aus Schautafeln herumgehen, wenn er der zeitlichen Ordnung folgen möchte und den geschichtlichen Überblick nicht verlieren will.

Der historische Abriss gliedert sich in zwei Teile: in die Zeit vor und in jene nach 1989. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Gründung der Design-Sektion 1969 werden auf den Schautafeln im Museumsfoyer zwei Ausstellungen des Jahres 1970 im Bukarester Athenäum erwähnt: eine deutsche zu „Industriellen Formen aus der DDR“ und eine eidgenössische zu „Schweizer Industriellem Design“. Im selben Jahr wurde auch die Internationale Bukarester Messe (TIB) ins Leben gerufen. 1971 erschien erstmals die rumänische Zeitschrift „Estetica Industrială“ (Industrielle Ästhetik). Ein Exemplar dieser Zeitschrift kann auf einem der ebenfalls im Foyer des Museums stehenden Büchertische betrachtet, in die Hand genommen und durchgeblättert werden.

Desgleichen liegen dort rumänische Übersetzungen aus den 70er Jahren von zwei Büchern auf, die für das Studienfach Design von grundlegender Bedeutung waren: Giulio Carlo Argans 1951 erstmals erschienenes Werk „Walter Gropius e la Bauhaus“ sowie John Christopher Jones’ Standardwerk von 1970 „Design Methods. Seeds of Human Futures“. Ebenso findet man auf diesem Büchertisch Ausgaben mehrerer rumänischer Möbeldesign-Zeitschriften aus den 80er Jahren.
Im Hinblick auf die Geschichte des Designs im Rumänien vor der Wende wären etwa noch die Design-Triennale zu erwähnen, die erstmalig 1982 im Dalles-Saal in Bukarest veranstaltet wurde, oder auch die Bukarester Messe (TIB) des Jahres 1989, auf der der „Lăstun“ (Schwalbenart) genannte Kleinwagen Dacia 500 mit dem Slogan „Das rumänische Auto für alle!“ international lanciert wurde. Auch zu der Zeit nach 1989 bis heute findet sich im Erdgeschossfoyer interessantes Informations- und Anschauungsmaterial, zum Produktdesign generell sowie speziell zum Buch- und Grafikdesign oder zum „computer-aided design“, d. h. zur computergestützten Gestaltung von Industrieprodukten.

Im Foyer des ersten Obergeschosses sind weitere Schautafeln und Vitrinen aufgebaut, die fotografische Porträts von rumänischen Designern der ersten Stunde zeigen, etwa des Malers und Objektkünstlers Ion Bitzan oder des Architekten Paul Bortnowski, der als Bühnenbildner auch große Wirkung in der Welt des Films und des Theaters entfaltete. Dort finden sich auch Pläne, Skizzen, Schreib- und Zeichengeräte, Fotos von Arbeitssitzungen der Design-Professoren (mit und ohne Studenten) sowie Archivmaterialien ehemaliger Designstudenten aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

In der Rotunde des ersten Obergeschosses schließlich finden sich zahlreiche Designentwürfe (oft im Rahmen von Lizenz- und Masterarbeiten), die sämtliche Lebensbereiche umfassen, in die industrielle Produkte bislang eingedrungen sind. Hier kann man Entwürfe zu folgenden Objekten studieren und sich an deren Kreativität erfreuen: Fahrrad, Motorrad, Telefon, Eierkarton, Küchengerät (Waage, Mixer, Zitronenpresse, elektrischer Wasserkocher), Bügeleisen, Abfalleimer, Seifenspender, Spielzeug, Geschirr, Trinkglas, Möbel (Barhocker, Stuhl, Bank, Tisch), Insulinpumpe, Medikamentenbox, T-Shirt, Schere, Zelt, Transistorradio, Filmprojektor. Leider finden sich in der Bukarester Ausstellung kaum wirkliche Gegenstände, Design wird dort in erster Linie durch Abbildung oder Entwurf erfahrbar gemacht. Buch- und Schriftdesign freilich kann man am realen Objekt studieren, Piktogramme (auf Hinweisschildern, etwa an Haltestellen städtischer Verkehrsbetriebe) dagegen nur auf Fotos betrachten. Auto- und Flugzeugdesignentwürfe erinnern daran, dass vieles, was von Designern erdacht wird, im Raum der Möglichkeiten verbleibt, darunter auch der futuristische Entwurf eines Zahnarztstuhls, auf dem man sich gleichwohl gerne behandeln lassen würde. Insgesamt also eine lehrreiche Ausstellung, die nicht nur 50 Jahre Designausbildung in Rumänien würdigt, sondern den Betrachter auch in die Welt industrieller Produktgestaltung ein- und entführt.