Adoptierte Meisterwerke

Gemäldeausstellung im Bukarester Palais Cesianu-Racoviţă

Im Herzen von Bukarest, direkt gegenüber dem Museum Theodor Aman und in unmittelbarer Nähe des Athenäums, des Nationalen Kunstmuseums sowie der Universitätsbibliothek, befindet sich das in den Jahren 1892 bis 1902 erbaute Stadtpalais Cesianu-Racoviţă, das seinen Doppelnamen der Heirat einer Angehörigen der Bojarenfamilie Cesianu mit einem Nachfahren der Fürstenfamilie Racoviţă verdankt. Das von dem französischen Architekten Jules Berthet geplante Bauprojekt konkurrierte damals, was die verwendeten Materialien und den architektonischen Prunk anbetrifft, durchaus mit dem benachbarten Königspalast, und, was die moderne Gebäudetechnologie angeht, mit dem Königsschloss Peleş in Sinaia. Reich geschmückte Salons, Wandmalereien, Stuckverzierungen, farbige Glasfenster machen den Besuch dieses Bukarester Stadtpalais auch heute noch zu einem besonderen Erlebnis.

Gegenwärtig sind in diesem Juwel herrschaftlicher Stadtarchitektur das Auktionshaus Artmark sowie das Kulturzentrum ArtSociety untergebracht. Letzteres widmet sich neben der Förderung zeitgenössischer Kunst und junger Künstler vor allem auch der Bewahrung rumänischer Kulturgüter. In diesem Kontext ist auch die Kampagne „Adoptă o capodoperă!“ (Adoptiere ein Meisterwerk!) verankert, die dazu dienen soll, vom Verfall und vom Vergessen bedrohte rumänische Kunstwerke des 19. und 20. Jahrhunderts zu retten, sowohl durch Konservierung und Restaurierung, wie auch durch Ausstellung und Präsentation. Die Aufforderung, ein Meisterwerk zu retten, richtet sich dabei an mögliche Sponsoren und Mäzene, die durch ihr finanzielles Engagement dazu beitragen, bedrohtes Kulturgut seinem unweigerlichen Niedergang oder Verlust zu entreißen.

Ganz konkret richtet sich diese künstlerische Adoptionskampagne auf den Gemäldebestand der Bukarester Pinakothek, die 1933 gegründet wurde und 1984 der Kunstabteilung des Bukarester Stadtmuseums eingegliedert wurde, aber bis heute immer noch über keinen angemessenen Ausstellungsraum für einen repräsentativen Teil seiner über 5000 Exponate verfügt. Nun sind immerhin vierzehn der in dunklen Depots lagernden Gemälde der Bukarester Pinakothek seit 9. April und noch bis 9. Juli im Obergeschoss des Palais Cesianu-Racoviţă der Öffentlichkeit zugänglich, dienstags bis freitags von 11 bis 19 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr. Alle Gemälde sind frisch restauriert und leuchten wieder in den ursprünglichen Farben, die vor Beginn des Restaurationsprozesses zum Teil kaum mehr erahnt werden konnten.

Hat man das Stadtpalais in der Strada C. A. Rosetti Nr. 5 durch den seitlichen Eingang betreten und ist durch das wunderbar lichte Treppenhaus zur Beletage emporgestiegen, so findet man die von ArtSociety veranstaltete Gemäldeausstellung adoptierter Meisterwerke rechter Hand in einem schönen Salon, in dem man sich auf einer Chaiselongue auch für eine Zeit niederlassen kann, um den Blick über die eng nebeneinander an den Wänden hängenden Exponate schweifen zu lassen.

Man kann dort zwei Gemälde von Theodor Pallady ausgiebig betrachten: das großformatige Aktbild einer unter einem Blätterdach sich trocknenden Badenden mit langem Haar vor einer goldbestickten grünen Brokatdecke sowie ein kleinformatiges Stillleben mit einem Laib Brot nebst Messer auf einem mit einem einfachen Tuch bedeckten Tisch, auf dem eine Flasche Wein und zwei Gläser stehen und ein Veilchenstrauß auf die abwesenden Personen anspielt. Ein Gemälde von Max Hermann Maxy zeigt eine auf einer Couch sitzende Städterin mit einem Buch in der Hand inmitten eines von bäuerlich-folkloristischen Traditionen inspirierten Interieurs: Krüge, Vasen, ein Holztisch, bestickte Kissen und bunte Decken, die nun in allen Farben leuchten, während sie vor der Restauration des Gemäldes unter einer undurchdringlichen graubraunen Patina ihr verborgenes Dasein fristen mussten.

Wunderschön leuchten die Farben auch in einem Gemälde von Camil Ressu, das eine an einen Bretterzaun gelehnte Bäuerin mit Schürze und Haube zeigt, überwölbt von einem Strauch gelber Rosen, sowie in einem Gemälde von Iosif Iser mit zwei bunt gekleideten Frauen mit Kopftüchern. Besonders farbkräftig ist das Bild „Die Taufe“ von Arthur Verona, das eine Festgesellschaft in bäuerlichem Milieu beim Betreten eines Hauses zeigt, in dem die Tauffeier stattfinden wird. Das vom Kopf bis zu den Knien herab reichende rote Tuch, das die Mutter schmückt, die den Täufling im Arm hält, ist trotz seiner monochromen Façon eine belebte und bewegte Fläche, zusätzlich modelliert und reliefiert durch den dicken Farbauftrag.

Auch in dem Gemälde von Rudolf Schweitzer-Cumpăna aus dem Jahre 1927, das eine Familie bei Tisch zeigt, lässt sich die Plastizität der Ölfarben und die Virtuosität der Pinselführung studieren. Gleichzeitig ahnt man, mit welchen Schwierigkeiten die Restauratoren bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit zu kämpfen gehabt haben mochten.
Porträts von Eugen Voinescu und Aurel Băeşu hängen neben einem sozialkritischen Gemälde von Eustaţiu Stoenescu, das eine Brotschlange im Schneetreiben zeigt. Außerdem finden sich in der Ausstellung zwei Seestücke, eines mit italienischem Flair aus dem Jahre 1926 von Nicolae Dărăscu und eines von Ştefan Popescu aus dem Jahre 1927 mit Donaukähnen, die auf dem trägen Strom liegen und wie schwarze Fischgerippe wirken. Den Reigen der Bilder beschließen eine Straßenszene von Ipolit Strâmbu sowie ein Kriegsgemälde aus dem Jahre 1918 von Ion Theodorescu-Sion, das zwei Soldaten in einer kalten, kargen Landschaft mit kahlen Bäumen vor einem tristen Bauernhaus zeigt.

Wenn man Glück hat, kann man in den anderen Salons des Palais Cesianu-Racoviţă weitere Kunstwerke betrachten, die vom Auktionshaus Artmark jeweils zur Vorbereitung des nächsten Versteigerungstermins zum Zwecke der Besichtigung durch potenzielle Bieter präsentiert werden. Aber auch ohne diesen artistischen Nachschlag ist der Besuch der Ausstellung adoptierter Meisterwerke im Bukarester Stadtpalais Cesianu-Racoviţă einen Besuch wert.