Allgemein erwarteter Lesestoff

Im ADZ-Jahrbuch 2017 geblättert

Taufbecken in Keisd

Füllhorn am Altar in Wurmloch

Bußstein in Mühlbach
Fotos: George Dumitriu

Dies ist bereits die 16. Ausgabe des Jahrbuchs in der neuen Folge. Vorher war der Kalender des „Neuen Weg“ 40 Jahre lang erschienen, von 1950 bis 1990. Dann hatte es einige Jahre gedauert, bis man wieder draufgekommen ist, dass es sich um ein gut eingebürgertes Produkt handelt, das man mit Erfolg weiterführen kann.

Dabei ist das Jahrbuch der ADZ auf das Jahr 2017 bereits das neunte, das von Rohtraut Wittstock betreut und in der Honterus-Druckerei hergestellt wird. Der Kalender des „Neuen Weg“ hatte zuletzt einen festen Autorenstab. Diesen Autorenkreis – auch mit Mitgliedern aus anderen Generationen – gibt es heute wieder, sodass mit dem regelmäßigen Erscheinen des Buches zu rechnen ist.

Dr. Paul Jürgen Porr, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen, sagt in den Gesprächen, die mit ihm geführt werden, oft mehr, als wir gewöhnlich in der Zeitung schreiben. Diesmal (Interview Hannelore Baier) ist es eine Einschätzung der Kommunalwahlen von 2016, auch mit einem Hinweis darauf, wie sich die Forumsleute in Sathmar durch eine Vereinbarung mit dem Ungarnverband haben hereinlegen lassen. Erfreulich die Mitteilung, dass Dr. Porr bei den Forumswahlen 2017 für ein weiteres Mandat zur Verfügung steht.

Im Gespräch, das mit der Bürgermeisterin von Hermannstadt, Astrid Fodor geführt wurde, hat mich der Hinweis darauf entzückt, wodurch das römische Reich zur Blüte gelangt ist: durch gute Straßen und eine straffe Verwaltung. Normal, dass eine Bürgermeisterin, die in der Schule aufgepasst hat, daraus lernen will.
 

Fotos und Entdeckungen

Schmuck in siebenbürgischen Dörfern und Kirchen – das wurde mit dem Blick aufs Detail von George Dumitriu für den Kalenderteil fotografiert: das Taufbecken in Keisd, das Füllhorn am Altar in Wurmloch, der Bußstein in Mühlbach usw. An den Bußstein wurden die gefallenen Mädchen angebunden, nur waren das nicht die schlechtesten, wenn man bedenkt, dass die Tataren sie 1241 bis an den Baikal-See verschleppt haben.

Man muss viele Jahrbücher kennen, um auf diese Idee der Details zu kommen. Ich meine, bei George Dumitriu ist das der Fall. Außerdem macht es dem Künstler wahrscheinlich auch Spaß, für eine Institution zu arbeiten, wo Professionalität geschätzt wird.

Damit gehen wir gleich mit der Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch weiter und den Entdeckungen, die George Dumitriu und Nina May hier gemacht haben. Wenn man sich von Caroline Fernolend und ihrer Mutter Sara Dootz ein wenig fortbewegt, stößt man rasch auf den Schwiegersohn Dietmar Gross, den pensionierten Forstdirektor, der ein Reiseunternehmen besonderer Art betreibt. Er nimmt von den Touristen kein Geld an, sagt aber: Ihr könnt für den Kauf von Kühen spenden. Auf diese Weise wurden für die bedürftigen Dorfbewohner schon 15 Kühe gekauft, und wo es nötig ist, baut man auch den Stall dafür.

Lavendel-Land in Mühlpetri: Diesen Familienbetrieb im Sathmarer Land hat Gabi Rist entdeckt. Das kann einem gefallen, weil der Lavendel so gut riecht, die Familie ernährt und hier noch besser gedeiht als in der Provence, er blüht hier sogar zweimal im Jahr.

Holzmengen ist eine mit viel Mühe renovierte Kirchenburg, zuerst von Architekt Hermann Fabini. Michael Mundt hat sie wegen dem Holzstock-Festival entdeckt – man sieht auch die Zelte innerhalb der Ringmauern, wo die Jugendlichen übernachten. Das ist das Wunder einer renovierten Kirchenburg: dass sie auch genutzt wird.

Wussten Sie, dass unser Kollege Karl Szélgegyi-Windberger schon 94 ist? Man denkt an den unermüdlichen Fotografen und Erzähler in der Reschitzaer Mundart. Raluca Nelepcu hat ihn in seinem Zimmer im AMG-Haus besucht, wo ihm zwar die Freiheit von zu Hause fehlt, er kommt hier aber besser zurecht.

Im Reiseteil war es für mich eine Entdeckung, dass Elise Wilk die Ortschaft mit der reinsten Luft Rumäniens gefunden und beschrieben hat. Das ist Colibiţa, 40 km von Bistritz entfernt. Ende des 19. Jahrhunderts hat eine Architektin aus Bistritz hier ihre Tuberkulose ausgeheilt, nachdem sie ein paar Monate im Dorf gelebt hat. Sie hat dann ein Sanatorium eingerichtet. Zur guten Luft gibt es jetzt auch den See und gemütliche Gästehäuser drum herum.

Ralf Sudrigian, ein guter Kenner der Karpaten, beschreibt das neue Besucherzentrum im Nationalpark Königstein und Wilfried Schreiner schlägt uns einen Vergleich zwischen zwei absoluten Attraktionen vor: den Hochgebirgsstraßen Transalpina und Transfogarascher.
 

Kupferzeit an der Donau

Ich beginne meine Auswahl aus dem Bereich Geschichte und Kulturgeschichte mit Johannes Honterus, unserem Reformator, weil jetzt 500 Jahre gefeiert werden, seitdem Martin Luther seine Reformation begonnen hat, und dazu natürlich auch Honterus gehört. Unser bester Honterus-Kenner, Gernot Nussbächer, hat für das Jahrbuch einen gut lesbaren Beitrag geschrieben, aus dem ich die Deutung des Namens Honterus zitiere: An der Wiener Universität kommt der Kronstädter 1520 und 1522 als „Holer“ und „Holler“ vor, was in der Wiener Mundart Hollunder bedeutet und in der siebenbürgisch-sächsischen Mundart „Honter“ heißt. „Später verwendete er diesen Namen mit der lateinischen Endung -us, und so entstand der Name Honterus.“ Noch ein Hinweis des Autors: Im Jahre 1543 brachte die Honterus-Druckerei auch das erste evangelische Gesangbuch heraus. Es ist der erste Druck in deutscher Sprache, der in unserem Land erhalten geblieben ist.

Ich habe mich zum ersten Mal bewusst mit der Kupferzeit an der Donau beschäftigen müssen. Meine Kollegin Angelika Marks hatte sich im Sommer zu einer Ausgrabungsstelle bei Pietrele aufgemacht, weil dort deutsche Archäologen jedes Jahr graben. Ich habe ihre Geschichte jetzt hoch interessiert gelesen, schon weil als Zeitangabe das Jahr 4300 v. Chr. vorkommt. Es handelt sich um eine Seerandsiedlung nördlich der Donau und auch für den Laien ist es erstaunlich, was alles zutage gefördert werden konnte und welche Bedeutung Details gerade in dieser Wissenschaft haben.

Ein Autor, der sich leidenschaftlich mit der Geschichte der Deutschen in Altrumänien beschäftigt – insbesondere von katholischer Seite aus –, ist Daniel Banner. Diesmal hat er den in Bukarest geborenen Theologen Prof. Dr. Michael Fieger entdeckt, der an der Theologischen Hochschule in Chur (Schweiz) unterrichtet, und mit ihm auf einer Studienreise zu frühchristlichen Stätten in der Dobrudscha dieses Gespräch zu einem Grundthema der Kirche und Kirchengeschichte geführt. Es geht um die vollständige zweisprachige Ausgabe – lateinisch und deutsch – der Vulgata des Hieronymus. Diese Bibelübersetzung in das Lateinische geht auf das Jahr 400 n. Chr. zurück, es ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der jüdisch-christlichen Kultur.

Ich gehe kurz zur Literaturgeschichte über, denn Georg Scherg, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, kommt in unserer Literaturdebatte auch heute oft vor. Joachim Wittstock beweist nun, dass man über diesen Autor auch spannend schreiben kann, und dabei höflich in der Einschätzung des literarischen Werks.
 

Platz zum Publizieren

Mehrere Autoren haben sich daran gewöhnt, im Jahrbuch regelmäßig einen Platz zum Publizieren zu finden, auf den sie sich einstellen.
Beginnen muss ich mit Balthasar Waitz, der auch diesmal ein Fragment aus seinem Romanmanuskript „Das rote Akkordeon“ zur Verfügung gestellt hat. Erzählt wird aus der Sicht eines Jungen:

„Die Post ist ein Zimmer mit einer trüben Glühbirne an der Decke. Gleich daneben, Wand an Wand, ist unsere Frisierstube.
Früher war das jedoch ein respektables Dorfgeschäft. Es hat dem alten Salamon gehört.
Frommer Mensch, sagen die Leute heute noch. Mit todernstem Gesicht.
Die haben ihm das Haus mitsamt dem Geschäft, mit den teuren englischen Stoffen, der wunderbaren Seide für die Brautkleider, den Kirchweihbändern, dem Samt so weich wie das Fell junger Hunde, mit den Zwirnen und Knöpfen weggenommen... Jetzt wohnt der Mann mit der ganzen Familie ganz gemütlich im Hof in der Sommerküche. Diese Leute müssen sich nicht beklagen. Normal, die Küche gehört jetzt auch dem Staat.“

Wenn der ganze Roman so gut wird, wie die bisher bekannten Fragmente, dann ist er in der Darstellung des gesellschaftlichen Lebens zur Zeit des Kommunismus noch besser als die Dorfgeschichten von Herta Müller. Sie stammt bekanntlich wie Waitz auch aus Nitzkydorf und hat den Nobelpreis erhalten.

Carmen Elisabeth Puchianu, die 2011 den besten psychologischen Roman aus Siebenbürgen, „Patula lacht“, veröffentlicht hat und auch in der germanistischen Wissenschaft ständig tätig ist, hat bei soviel Wissenschaft zum Glück nicht verlernt, wie man Gedichte schreibt:
 

Plagegeist Tod
Er zeckt sich ein
in deinem Fell,
dem dicken und dem dünnen,
dem krausen und dem glatten,
im dunkeln und im hellen
und vollführt einen närrischen
Veitstanz da drinnen
als wäre er von der Tarantel gestochen.
 

Michael Astner verwendet zuletzt selber den Spruch „Das Licht der Erinnerung leuchtet ja ein Leben lang“, um einen tröstlichen Abschluss für seine Aufzeichnungen „Tage mit Mutter – die letzten“ zu finden.

Problemlos verständlich ist diese Anekdote aus Hamlesch:
„An einem Vorweihnachtstage erzählte mir Mutter eine sympathische Anekdote von ehemals aus Hamlesch, als die Rumänischkenntnisse der meisten Sachsen noch zu wünschen übrigließen. Eine Hamlescherin sei auf der Suche nach ihrer Kuh durch das Dorf gelaufen und habe einen Rumänen, den sie traf, wie folgt gefragt:
N-ai văzut pe văculiţă noastră? Îi bănaie ca mumă-sa. Are şi ţingalinga la grumaz.“



Das Jahrbuch 2017 wird an die treuen Leser der ADZ als Abo-Prämie versandt. Interessenten melden sich bitte in der Redaktion unter aboservice@adz.ro oder Tel. 021-217.89.18 (Mimi Enache), 021-317.89.16 (Philipp Hochbaum). Postabonnenten bitten wir um die elektronische oder postalische Zusendung des Einzahlungsbelegs.