Amadeus von Hermannstadt

Vorpremiere von Peter Shaffers Stück an der deutschen Bühne des Hermannstädter Radu-Stanca-Theaters

Daniel Plier (l.) und Wolfgang Kandler (r.) als Salieri bzw. Mozart Foto: Cynthia Pinter

Mozarts Klänge, beim Internationalen Musikfestival Sibiu-Hermannstadt in Kirchen gespielt, hallten noch nach, als das (sehr kurzfristig geladene) Publikum am Dienstagabend erneut mit Wolfgang Amadeus Mozart konfrontiert wurde. Zu hören bekam man im Saal des Radu-Stanca-Theaters (RST) diesmal auch Arien aus seinen Opern, gespielt wurden jene zehn Jahre seiner Biografie, die Peter Shaffer in dem Zweiakter „Amadeus“ (nicht ganz wahrheitsgetreu) verewigt hat. Das 1979 im National Theater in London uraufgeführte Stück wurde durch die Verfilmung von Milos Forman weltberühmt. Die deutsche Abteilung des RST verabschiedete sich mit dieser Vorpremiere von der Spielzeit 2013/2014. Die Premiere soll im Oktober stattfinden.

Den Zweiakter inszenierte Gavriil Pinte, der sich einen guten Ruf als Umwandler von Prosa in Theater – an der deutschen Abteilung zum Beispiel Petre Ispirescus Märchen „Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod“ – sowie Gestalter von Persönlichkeiten (z. B. Emil Cioran) geschaffen hat. Pinte ließ das Stück ohne Pause spielen. Der Anfang und das Ende waren gut, im mittleren Teil sollte nachgearbeitet werden.
Shaffer macht bekanntlich Antonio Salieri zum Hauptdarsteller in seinem Stück.

Daniel Plier verkörpert den mäßig begabten aber ehrgeizigen, neidischen und perfiden Kapellmeister großartig. Sein Erscheinen hinter dem sich (durch entsprechende Beleuchtung) zum Fenster wandelnden Spiegel, das natürliche Auftreten mit nur angedeutetem Sarkasmus oder Lässigkeit, lassen ihn glaubhaft erscheinen. Wolfgang Kandler wirkt als Mozart zu Beginn etwas fratzenhaft. Gelungen ist der Wandel des kindischen, überschwänglichen Genies in den von Geldnöten geplagten, vermeintlich erfolglosen Komponisten, der dem Alkohol verfällt, erkrankt, sich vom „schwarzen Mann“ verfolgt fühlt und schließlich stirbt, dennoch meisterhaft. Einfühlsam vermag es Nathalie Sigg, Mozarts Frau Constanze zu spielen, und zwar sowohl als unbesorgtes Liebchen als auch als besorgte Verlobte, die sich Salieri anbietet, um ihrem Mann zu helfen, und schließlich zum gebrochenen Mozart zurückkehrt.

Das Stück thematisiert die zehn Jahre, in denen Mozart zusammen mit Salieri in Wien wirkt und beide um die Gunst und das Geld von Kaiser Joseph (dargestellt von Daniel Bucher) buhlen. Das Genie Mozart zieht den Kürzeren vor dem Intriganten Salieri. Eine Anspielung auf die gegenwärtige Situation, wo Kompetenz unwichtiger ist als Beziehungen? Shaffer schildert die Geschichte eines Mittelmäßigen, der die Gegebenheiten nicht akzeptieren kann. Der die Schöpfungskraft des jungen Kollegen zwar anerkennt, es aber verhindert, dass sie zur Geltung gelangt. An der Handlung beteiligt sind am Wiener Hof Kammerherr Graf Johann von Strack (von Johanna Adam stellenweise zu schrill gespielt), Graf Orsini-Rosenberg, der Direktor der Nationaloper (dargestellt von Andrei Hansel) und der Präfekt der Nationalbank Baron van Swieten (Ali Deac, an dessen Deutsch gearbeitet werden sollte). Als Bild effektvoll ist der Auftritt der Sopranistin Caterina Cavalieri (gespielt von Anca Cipariu) in der Arie aus „Entführung aus dem Serail“ in wogendem rotem Volantkleid, in dem sich der liebesbetäubte Mozart mitwiegt. Die dramaturgischen Einfälle zu den weiteren Arien sind leider weniger gelungen, am allerwenigsten jene der Schnäbel zu „Figaros Hochzeit“. 

Schnäbel haben die Venticelli. Außer Daniel Plier kriegen die Darsteller aller anderen Rollen Umhänge und flattern über die Bühne. Zu Beginn und am Ende des Stückes ähneln sie Raben und suggerieren sehr wohl den Tod. Zwischendurch sind sie hell bemantelt und beschnabelt, ihr Geflatter wirkt manchmal zu aggressiv. Ein guter Einfall von Bühnenbildnerin Roxana Ionescu war neben dem Spiegel/Fenster, den man auch als Wand ausziehen konnte, in den Kandelaber einen Lautsprecher einzubauen, über den einige Dialoge aber auch Mozartkompositionen ertönten. Etwas überstrapaziert wurde der Armleuchter allerdings als Gerät, an dem Salieri und Mozart rumturnten.

Am Dienstagabend fand die Vorpremiere statt. Die Vorstellung hat das Potenzial sehr gut zu werden.