Aus der ungarischen Puszta nach Wien

Die Beziehungen Beethovens zum Banat (Teil 1)

Ludwig van Beethoven (1770–1827), Gemälde von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Durch die Recherchen einiger Banater Heimatforscher und Historiker konnte in den letzten Jahrzehnten aus einer mehr oder weniger utopischen Behauptung eine historische Realität bewiesen werden. Professor Josef Brandeisz (1896-1978), Temeswarer Musikpädagoge, Violinist und Heimatforscher, entwickelte diese Theorie bereits in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts und zu seinen Nachforschungen kamen immer mehr Fakten dazu.

Dadurch kann man eine Beziehung zwischen den biographischen Daten Beethovens und dem Banat feststellen. Diese Verbindung ist ebenso in Zusammenhang mit seinem engeren Bekanntenkreis nachzuvollziehen. Versuchen wir nun, den beiden Behauptungen nachzugehen:

  1. Die Jugendliebe Beethovens, Jeanette d´Honrath starb in Temeswar/Timișoara, ihr Grab befindet sich heute auf dem Innenstädtischen Friedhof und
  2. Beethoven weilte vielleicht im Schloss der Gräfin Julianna von Brunsvik in Soborschin/ Savârsin (ung. Soborsin).


Außerdem kam vor einigen Jahren in der südbanater Ortschaft Orawitza eine Nachricht in Umlauf, dass sich ein Brief Beethovens im Besitz eines Bürgers dieser Stadt befinde. Bisher konnte diese Aussage nicht belegt werden. Möglichkeiten bestünden aber, da gegen Ende des 18. Jahrhunderts in diese Bergregion österreichische Ingenieure und Beamte kamen, die auch zur Hebung der Musikkultur dieser Stadt beitrugen.

Der Temeswarer Obelisk und Beethoven

Im Jahre 1942 kam eine Anfrage an die Temeswarer Musikkammer seitens der Intendantur des Aachener Stadttheaters. Professor Josef Brandeisz, ein guter Kenner der einheimischen Musikgeschichte, wurde vom damaligen Leiter der Kulturkammer Dr. Rudolf Hollinger gebeten, dieses Schreiben zu beantworten. Die Kopie des Antwortschreibens der Temeswarer Kulturkammer an das Aachener Stadttheater ist uns erhalten geblieben: „…Im Jahre 1823 starb in Temesvar die Frau des damaligen Festungskommandanten, Feldmarschallleutnant Karl v. Greth, geborene Johanna von Honrath (auch ‚d´Honrath‘). Sie wurde in der Gruft der alten Piaristenkirche bestattet. (…) Jeanette Honrath war Schülerin und erste Jugendliebe Beethovens. (...) Als die alte Piaristenkirche in Temeswar wegen Baufälligkeit im Jahre 1911 abgetragen werden musste, wurden die in der Kirchengruft Bestatteten exhumiert und nach dem städtischen Friedhof in ein gemeinsames Grab überführt. Die Temesvarer Zeitung vom 12. Juli 1911 schreibt: ‚...dass die einzelnen Nischen der Grüfte eingestürzt sind, so dass die Gebeine nicht mehr separiert liegen. Im ganzen waren in den bisher freigelegten Krypten die Gebeine von drei Personen durch nähere Bezeichnung agnoszierbar u. zw. diejenigen von Joachim Huber, Prior des Piaristenordens, weiter von Johanna Greth geb. Honrath, Gattin des Feldmarschallleutnant und Festungskommandanten Karl Greth und des 10jährigen Stefan Karacsonyi de Benda. (…)‘“

Soweit das Schreiben der Temeswarer Kulturkammer an den Intendanten des Aachener Theaters. Außer den obigen Daten ist auch bekannt, dass in einem von Beethovens Konversationsheften unter dem 13. Februar 1823 die Notiz zu finden ist „Carl v. Greth Feldmarschall-Lieutnant und Divisionär anjetzo / Jeanett Hohenrath Commandant in Temeswar.“ Vermutlich handelt es sich um die schriftliche Beantwortung einer Nachfrage Beethovens an seinen Sekretär Anton Schindler. Die Wiener Zeitung vom 11. Februar 1823 wie auch der Beobachter vom 13. Februar brachten nämlich die Nachricht von der Versetzung Carl von Greths von Ofen als Festungskommandant nach Temeswar. Aber schon sechs Monate nach dem Umzug starb seine Frau und wurde in der Gruft der Temeswarer Piaristenkirche bestattet.

Beethoven lernte Jeanette d´Honrath um das Jahr 1787 kennen. Sein Freund und späterer Biograph Wegeler schreibt in seiner Biographie darüber: „Beethovens erste Jugendliebe war Jeanette d´Honrath aus Köln, die oft einige Wochen in der Breuning´schen Familie verbrachte. Sie war eine schöne, lebhafte Blondine, von gefälliger Bildung und freundlicher Gesinnung, welche viel Freude an der Musik und eine angenehme Stimme hatte.“ Ein anderer Biograph, A. B. Marx, schreibt: „Im traulichen Kreise des Breuning´schen Hauses sollte denn auch das Herz des Jünglings zum erstenmal von zärtlicher Neigung berührt werden. Jeanette d´Honrath war die Zauberin, eine junge Kölnerin, die ... selber recht anmutig sang; sie führte nicht blos Beethoven, sondern auch seinen Freund Steffen artig genug an diesem Zauberfädchen, das sich nicht zerreißen lässt, ... Während sie selber ihr Herzchen an einen österreichischen Werbeoffizier verschenkte, der später es bis zum General oder Gouverneur gebracht.“

Dieser österreichische Offizier war der Werbehauptmann Karl von Greth; Jeanette von Honrath heiratete ihn im Jahre 1788. Wegeler vermerkte in seinen Notizen: „Feldmarschall-Lieutenant, Inhaber des Infanterieregiments Nr. 23, Commandant von Temeswar, den 15. Oktober 1827 starb“, also kaum sieben Monate nach Beethovens Tod. 

Bereits 1940 verlangte Brandeisz von den Verantwortlichen der Stadt Temeswar, dass man diesen Obelisken dringend renovieren müsste. Heute ist die Marmorplatte mit dem Namen der ersten Liebe Beethovens nicht mehr vorhanden. Neben diesem Obelisken ist eine Müllhalde entstanden. Als Belege bleiben uns nur noch die Aufzeichnungen und alten Fotos ihres Entdeckers.

Das Kastell zu Soborschin und Beethoven

Etwa 80 Kilometer nordöstlich von Temeswar entfernt, an dem Ufer der Marosch, liegt der Ort Soborschin. In einem großen Park, umgeben mit einem alten Mauerwerk, steht ein Schloss, das schon beim ersten Hinsehen an Glanz und Glorie vergangener Zeiten erinnert. Das Schloss war in der kommunistischen Ära im Besitz des rumänischen Diktators Ceaușescu, der es gelegentlich seiner Jagdaufenthalte bewohnte. Heute wurde es wieder der rumänischen Königsfamilie zurückerstattet, der es bis zur Flucht Michaels I. 1947 als Privatbesitz gehörte.

Verfolgen wir die Geschichte dieser historisch bewegten Gegend um einige Jahrhunderte zurück, so kann man feststellen, dass zu den Gutsherren dieser malerischen Landschaft auch mal die Familie der Gräfin Julianna von Brunsvik gehörte. Von älteren rumänischen Bewohnern des kleinen Ortes hört man häufig die Worte: „Hier in Soborschin weilte auch Ludwig van Beethoven“ und, dass hier in ihrer Stadt vor langer Zeit ein berühmter Musiker aus Wien weilte.
Über die Familie Brunsvik gibt es heute noch ein künstlerisch wertvolles Dokument, das sich gleich beim Eingang der katholischen Kirche des kleinen Ortes Soborschin befindet: zwei aus weißem Marmor gefertigte prachtvolle Gedenktafeln mit einem schönen Basrelief und der vergoldeten Aufschrift in ungarischer Sprache: „Gräfin Julianna Brunsvik (de Korompa) ihrem Gemahl / in ewiger Erinnerung / Soborschiner Baron Andreas Forray / Kaiserlich-königlicher Kämmerer und Obergespan / Geboren 1781 / Gestorben 1830.“ Mitten in der Kirche befinden sich auf gleicher Ebene mit dem Fußboden die Grabplatten der Verstorbenen, die in der Gruft ihre letzte Ruhe fanden, darauf die Lebensdaten der Gräfin Julia(nna) Brunsvik (de Korompa), gestorben am 27. Juli 1866 im Alter von 81 Jahren, des Soborschiner Grafen Andreas Forray, gestorben am 16. August 1830 im Alter von 49 Jahren wie des Soborschiner Grafen Ivan Forray, gestorben am 27. Juni 1852 in seinem 33. Lebensjahr. Dieser ist in die Geschichte als Afrikareisender eingegangen.

Der Name Forray kommt auch in einem Beethoven-Brief, geschrieben im Sommer 1809, an Graf Franz von Brunsvik (1777-1849) vor, in welchem es heißt: „Soviel ich mich erinnere, habe ich Dir ja gesagt, dass ich Dir beides, Sonate und Trio, schicken werde; mache es nach Deinem Belieben, behalte die Sonate oder schicke sie Forray, wie Du wills; (...) Wälzen sich die Wogen des Krieges näher hierher, so komme ich nach Ungarn, vielleicht auch so; habe ich doch für nichts als mein elendes Individuum zu sorgen, so werde ich mich wohl durchschlagen.“ Andreas Freiherr von Forray war ein angeheirateter Vetter des Grafen Franz von Brunsvik, ein guter Klavierspieler und gehörte zum Bekanntenkreis Beethovens. 

(Fortsetzung folgt)