Aus der ungarischen Puszta nach Wien

Die Beziehungen Beethovens zum Banat (Teil 3)

Beethovenbüste von Eugen Schlipf (1902) / Nikolaus Lenau | Bildrechte: Südosteuropäisches Musikarchiv München

Beethovens Leichenzug (2. März 1827); auch Nikolaus Lenau gehörte zu den Teilnehmern.

Nikolaus Lenau und Beethoven

Der hundertste Geburtstag Beethovens (1870) wurde von der ganzen damaligen Musikwelt gefeiert, selbst in kleineren Orten des Banats veranstaltete man Gedenkkonzerte, bei welchen Werke des Komponisten von einheimischen Musikern vorgetragen wurden. 

Ludwig van Beethoven war Nikolaus Lenaus Lieblingskomponist, den er über alles schätzte. Es ist zu vermuten, dass er ihn auch persönlich gekannt hat. Wir finden Lenaus Namen auch in dem Bericht über das letzte Geleit dieses Komponisten. Für die kurze Entfernung vom Sterbehaus zur Alserkirche brauchte der Totenwagen anderthalb Stunden. Über hundert Trauerwagen, „darunter mehrere kaiserliche“, folgten. Unter denen, die die Kranzbänder trugen, welche vom Sarge herabhingen, ging Schubert. Neben ihm mit wehendem Trauerflor und brennenden Kerzen die bedeutendsten Künstler der Stadt: Conradin Kreutzer, Johann Nepomuk Hummel, Ignaz Ritter von Seyfried, Schuppanzigh, Franz Grillparzer, Ignaz Franz Castelli und nicht zuletzt Nikolaus Lenau. Wie stark die Musik Beethovens Lenau beeindruckt hat, erfahren wir in einem Schreiben aus Wien aus dem Jahre 1835: „Ich bin hier vielfach requirirt von Gesellschaften; das beste dabei ist, dass man mir durch musikalische Genüsse oft mitten im Tumulte einer zahlreichen Menschenversammlung eine Einsamkeit schafft, denn ich brauche nur ein paar Töne von meinem Beethoven zu hören, so bin ich gesellschaftlich emanzipirt u. mit dem großen Geist allein.“

Lenau hat Beethoven auch ein Gedicht gewidmet, das unter interessanten Umständen entstanden ist. In einem Brief an Emilie von Reinbeck vom 24. Dezember 1840 aus Wien schreibt er: „Neues, liebe Emilie, hab´ ich nichts als eine herrliche Büste Beethovens, von meinem Freunde, Gustav Franck, der Sie vielleicht besuchen wird, mir zu überraschendem Geschenk gebracht. Die Büste ist überaus herrlich und mir eine wahre Lebensfreude. Auf meinen Ofen gestellt, ist sie des Morgens mein erster Anblick, und seit ich sie habe, geht es wieder vorwärts mit der Arbeit. Die Geige wird gestrichen, und dabei manchmal ein stärkender Blick auf Beet-hoven zurück gethan.“ So entstand das Gedicht Beethovens Büste, das im Ersten poetischen Beethoven-Album, veröffentlicht von Herrmann Josef Landau in Prag, erschienen ist: 

Traurig kehrt´ ich eines Abends / In mein einsam düstres Zimmer, / Überraschend drin entgegen / Blinkte mir ein Freudenschimmer.
Ha! Ich fand des Mannes Büste, / Den ich höchst als Meister ehre, / Nebst dem schroffen Urgebirge / Und dem grenzenlosen Meere.
In der Symphonieen Rauschen, / Heiligen Gewittergüssen, / Seh´ ich Zeus auf Wolken nah´n und / Christi blut´ge Stirne küssen; / Hört das Herz die große Liebe / Alles in die Arme schließen, / Mit der alten Welt die neue / In die ewige zerfließen.


Zu Beethovens Rezeptionsgeschichte im Banat

„An einem heißen Sommernachmittag des Jahres 1808 schritt auf einem der vielen Wege der reizenden ländlichen Umgebung Wiens, einsam und sinnend ein Mann von reiferen Jahren dahin…“ So beginnt die Erzählung der Temeswarer Sängerin und Pädagogin Apollonia Schwefelberg im Feuilleton „Ein Spaziergang Beethovens“ der Temesvarer Zeitung vom 18. Juni 1873. Sie schildert sehr phantasievoll die Entstehung der Sinfonia Pastorale Beethovens, also dessen VI. Symphonie. Schwefelberg erhielt ihren ersten Musikunterricht beim damaligen Temeswarer Domregenschori Moritz Pfeiffer, hat sich danach in Wien, Darmstadt, in Moskau bei Rubinstein und in Berlin weitergebildet und war ab 1856 Solistin des Temeswarer deutschen Theaters. Sie trat europaweit auf vielen bedeutenden Opernbühnen auf, erteilte Musikunterricht und veröffentlichte in der Temeswarer Zeitung mehrere Artikeln über Beethoven, Liszt, Wagner und zur Musikgeschichte. Man kann sie als die erste Musikwissenschaftlerin des Banats bezeichnen, ausgestattet mit einem ausgezeichneten Wissen über die Vorgänge in der musikalischen Welt. Von ihr stammt eine frühe Abschrift des Grand Trio, op. 38 von Beethoven, dessen Manuskript mit vielen Vortragszeichen versehen ist.

Am 20. Januar 1837 wurde im großen Komitatssaal in Arad im Rahmen der zweiten musikalische Soirée ein Quartett Beethovens aufgeführt. Ausführende waren u. a. Stanislaus Serwaczynski und Joseph Wagner. Am 19. April 1873 erklang im alten Arader Theater Beethovens Ouvertüre „Die Geschöpfe des Prometheus“, aufgeführt durch das Symphonieorchester zugunsten des Arader Gesangvereins und des 1833 gegründeten Konservatoriums. Wenige Jahre später, am 14. September 1879 führten Joseph Joachim und Johannes Brahms in ihrem Konzert im Saal des Hotels „Zum weißen Kreuz“ Beethovens Romanze für Violine und Klavier auf. 

Beethovens Oratorium „Christus am Ölberg“ wurde bereits am 1. April 1855 im Temeswarer Theater unter der Leitung des Domkapellmeisters Franz Limmer aufgeführt. Dies war gleichzeitig die Abschiedsvorstellung des Sängers Carl Moser, der Mitglied der Domkapelle war. Außer dem Opernpersonal unter der Leitung von Kapellmeister Wogritsch wirkte auch die Temeswarer Liedertafel mit, unter der Leitung ihres Dirigenten Friedrich Heim. 

Neben seinen zahlreichen Klavier- und Kammermusikwerken wurden im Banat auch viele geistliche Werke Beethovens bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgeführt. Nach den politischen Umwälzungen von 1848-49 entstanden im Banat viele Gesangvereine, die sich ebenfalls dem Chorwerk Beethovens annahmen. Der Hatzfelder Gesangverein führte z. B. um 1860 die bekannte Hymne „An die Nacht“ auf. Auch das Gellert-Lied Beethovens „Die Himmel rühmen“ fehlte fast nie im Repertoire eines größeren Banater Kirchenchores oder Gesangvereins. 

Der Temeswarer Philharmonische Verein führte in einem Konzert am 16. Oktober 1878 unter der Leitung von Karl Rudolf Karrász die I. Symphonie Beethovens auf. Das Symphonieorchester dieses Vereins hat in den folgenden Jahren noch mehrere symphonische Werke Beethovens gespielt. Meist wurde das Orchester bei größeren Aufführungen mit Musikern der beiden Militärkapellen Temeswars verstärkt. Die Klavierwerke Beethovens fehlten in fast keiner musikalischen „Haus-apotheke“ Banater Familien, war dieses Instrument doch durch die massenhafte Verbreitung der Wiener Klaviere sehr beliebt. Natürlich spielten dabei auch die Konzerte Franz Liszts in Ungarn eine wichtige Rolle, wodurch sich die Klaviermusik einer immer größeren Beliebtheit erfreute. In Werschetz und Weißkirchen gab es z. B. um 1870 fast in jedem Haushalt ein Klavier.

Beethovens Werke erklangen in vielen öffentlichen und privaten Sälen und Musiksalons und sie gehörten zum Standardrepertoire jedes Musikers. So fand am 18. April 1948 in der Synagoge der jüdischen Gemeinde zu Lugosch ein „Intimes Konzert“ mit Werken Beethovens statt, das von Dr. Josef Willer (Violine) und Clara Lockspeiser dargeboten wurde.  (Ende)