Bach, Händel und Puccini

Zwei Orgelkonzerte und eine Messe im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks

Am Mittwoch vergangener Woche fand im Mihail-Jora-Saal des Rumänischen Rundfunks ein Konzert mit dem Radiokammerorchester unter der Leitung von Christian Chiucă sowie mit dem von Ciprian Țuțu einstudierten Akademischen Radiochor statt. Auf dem Programm standen je ein Konzert für Orgel und Orchester von Johann Sebastian Bach und von Georg Friedrich Händel, bei denen Steffen Schlandt solistisch an der Orgel wirkte, sowie die „Messa di Gloria“ für Vokalsolisten, Chor und Orchester von Giacomo Puccini, in der die Solo-Parts von Nicolae Simonov (Tenor) und Cristian Ruja (Bass) gesungen wurden.

Der gut besuchte Konzertabend im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks begann mit dem Orgelkonzert Nr. 13 in F-Dur (HWV 295) von Georg Friedrich Händel, das den Beinamen „Der Kuckuck und die Nachtigall“ trägt. Selbstverständlich stand das Motiv des Kuckucksrufs, musikalisch als absteigende Terz wiedergegeben, im Zentrum dieses Werkes für Orgel und Orchester, wie übrigens auch in anderen Werken des musikalischen Barock, etwa in Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“, genauer im zweiten dieser vier Violinkonzerte, das „Der Sommer“ betitelt ist. Vor allem der zweite Satz von Händels 13. Orgelkonzert, insbesondere die darin enthaltene Solokadenz der Orgel, bringt eine variationsreiche Durchführung des Kuckucksrufmotivs, die durch die Mischung der Klangfarben auf der Orgel im Bukarester Radiosaal noch vielfältig differenziert und bereichert wurde. Die motivische Verbindung von Kuckuck und Nachtigall taucht in der Musikgeschichte immer wieder auf, so etwa auch in Gustav Mahlers Lied „Ablösung im Sommer“ aus „Des Knaben Wunderhorn“, wo die Nachtigall nach dem plötzlichen Tod des Kuckucks nun an seiner Statt im Sommer für Kurzweil und Zeitvertreib sorgen soll.

Nach diesem viersätzigen Händelschen Orgelkonzert, das im April 1739 im King’s Theatre in London mit dem Komponisten an der Orgel uraufgeführt wurde, nahm der Konzertabend mit dem dreisätzigen Bachschen Orgelkonzert in d-Moll (BWV 1052), von dem auch Solokonzertvarianten für Violine bzw. Cembalo und Orchester existieren, im Bukarester Radiosaal seinen begeisternden Fortgang. Der Solist wählte für das umfängliche und anspruchsvolle Werk schnelle Tempi, vor allem im ersten Satz, und ließ dabei nicht nur seine eigene Virtuosität aufblitzen, sondern auch das an musikalischen Ideen überreiche Bachsche Orgelkonzert durch differenzierte Registrierung und klangliche Nuancierung in irisierendem Licht erstrahlen. Bedauerlich nur, dass das Zusammenspiel mit dem Orchester nicht immer perfekt gelang und der Zuhörer an den Fugen und Nahtstellen zwischen Solopart und Tuttipassagen oft genug unsanft aus seinen musikalischen Träumen gerissen wurde, wie übrigens auch schon zuvor bei der Darbietung des Händelschen Orgelkonzertes.

Nach den folgenden beiden Sätzen des Bachschen Werkes, dem langsamen Adagio (Schlandt musste das Orchester bei seinem ersten Einsatz entschieden bremsen!) und dem beschwingten Allegro, wurde der 1975 in Kronstadt/Brașov geborene Orgelsolist vom Bukarester Publikum begeistert gefeiert. Nach seinem Großvater Walter Schlandt und nach seinem Vater Hans Eckart Schlandt, der beim Konzert im Bukarester Radiosaal als Zuhörer anwesend war, ist Steffen Schlandt heute bereits in der dritten Generationenfolge dieser Musikerfamilie Organist an der Kronstädter Schwarzen Kirche, daneben auch Leiter des Bachchors sowie des Jugendbachchors Kronstadt.

Als Dank für den begeisterten Beifall des Publikums spielte Steffen Schlandt zum Abschluss zwei Sätze aus der Bach-Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ (BWV 106) in der Fassung für Orgel, wobei er in seiner kurzen Vorrede betonte, mit dieser Zugabe auch die Ausdrucksvielfalt und das Klangvolumen der größten Orgel Rumäniens zu Gehör bringen zu wollen. Und Steffen Schlandt hatte nicht zu viel versprochen! Der geradezu apotheotische Schluss der Zugabe durchwallte den Radiosaal mit einer solchen Intensität, dass man diese soeben erlebte Klangfülle so gar nicht mit dem bescheiden und zurückhaltend abtretenden Solisten in Verbindung bringen konnte, der zudem am Ende den Beifall symbolisch an die Orgel weiter und gewissermaßen an sie zurückgab, so wie auch Bach unter seine Kompositionen oftmals die drei Buchstaben „S.D.G.“ gesetzt hatte: die Abkürzung der lateinischen Wendung „Soli Deo Gloria“ (Gott allein die Ehre)!

Mit dieser Zugabe aus einer geistlichen Kantate Johann Sebastian Bachs hatte Steffen Schlandt bereits zum sakralen Teil des Konzertabends übergeleitet, der sich dann nach der Pause mit Giacomo Puccinis „Messa di Gloria“ im Bukarester Großen Radiosaal entfaltete. Zum Radiokammerorchester trat nun der vierstimmige Akademische Radiochor hinzu, der neben dem anfänglichen „Kyrie eleison“ vor allem durch das gewaltige „Gloria in excelsis Deo“ beeindruckte. Der Tenor Nicolae Simonov trat in den folgenden Teilen des Messordinariums beim „Gratias agimus tibi“ und beim „Et incarnatus est“ in Erscheinung, während der Bariton Cristian Ruja dann im „Benedictus“ hervortrat. Im finalen „Agnus Dei“ kamen schließlich beide Vokalsolisten zum Zuge, zunächst jeder für sich, dann gemeinsam im bewegenden Schlussduo „Dona nobis pacem“.

Auch wenn Giacomo Puccini diese Messe, eines seiner insgesamt nur fünf geistlichen Musikstücke, bereits im zarten Alter von 21 Jahren komponiert hatte – das Werk wurde im Jahre 1880 in Puccinis Heimatstadt Lucca uraufgeführt –, so atmet es dennoch die Welt der großen Oper und beerbt, wenngleich im geistlichen Gewand, die lange Tradition der italienischen Belcanto-Musik, von der der junge Puccini noch stark beeinflusst war. Wie sehr Puccini dieses sein frühes Werk schätzte, zeigt die Tatsache, dass er das finale „Agnus Dei“ der „Messa di Gloria“ fast vollständig in seine spätere Oper „Manon Lescaut“ übernahm.

Neben dem Einsatz der Pauke war in Puccinis „Messa di Gloria“, die nach dem monumental auskomponierten „Gloria“ so betitelt ist, vor allem der Einsatz der Blasinstrumente, insbeson-dere der Basstuba, ein akustischer Genuss. So fügten sich im Bukarester Radiosaal im zweiten Teil des Abendkonzertes Stimmen und Instrumente unter dem Dirigat von Christian Ciucă zu einem edlen Hörerlebnis zusammen, das vom Publikum am Ende mit großem und anhaltendem Applaus bedacht wurde.