„Beichte und Kommunion“

Theologisches Werk zur rumänischen Spiritualität in deutscher Sprache

Im Schiller-Verlag Hermannstadt ist unlängst die Übersetzung eines Werkes erschienen, das im Jahre 1998 in rumänischer Sprache unter dem Originaltitel „Spovedanie și Comuniune“ (Beichte und Kommunion) publiziert worden war. Es stammt aus der Feder des Universitätsprofessors, Erzbischofs und Metropoliten Andrei von Klausenburg, der Maramuresch und Sălaj und wurde von dem evangelisch-lutherischen Pfarrer Prof. h. c. Dr. Jürgen Henkel  ins Deutsche übertragen (siehe ADZ-Online 6. Januar: „Von Seelenmassage zu Seelenheil“). Im Vorwort zur deutschen Ausgabe dieses spirituellen Werkes zur orthodoxen Theologie betont der rumänische Verfasser den Grundgedanken seines Buches: „Indem er den Gläubigen auf eine gute und wirksame Beichte vorbereitet, ist der Priester ein wahrhaft ‘spiritueller Meister‘. In meinem bescheidenen Buch habe ich auch dies dargestellt. In einer Gesellschaft, in der die Menschen immer bedrückter und vereinsamter sind, kommt der Beichte eine ganz besondere Rolle zu: als Bekenntnis der Sünden, auf die die Teilnahme am ‘Festmahl des Glaubens‘ folgt, welche die Heilige Eucharistie darstellt.“ (S. 8)

Martin Luther, der es als Augustinermönch gewohnt war, seinem Beichtvater in der Klostergemeinschaft „laut, diskret und demütig zu beichten“, wie es die Ordensregel vorschrieb, sprach als Reformator der Beichte gleichwohl den Charakter eines Sakraments ab, im Gegensatz etwa zu Taufe und Abendmahl. Dennoch heißt es beispielsweise im Augsburger Bekenntnis (Artikel 25) ausdrücklich: „Die Beichte ist in unseren Gemeinden nicht abgeschafft.“ Vielmehr wird die Beichte gemäß dem reformatorischen Augsburger Bekenntnis explizit beibehalten, „einmal wegen der außerordentlichen Wohltat, die in der Lossprechung liegt, dann aber auch wegen sonstigen Nutzens, den sie für die Gewissen hat“. So kann die Beschäftigung mit der spirituellen Bedeutung der Beichte auch für evangelische Christen von lohnendem Interesse sein, nicht nur für römisch-katholische oder rumänisch-orthodoxe Gläubige.

Das Buch „Beichte und Kommunion“ von Metropolit Andrei ist in drei Teile gegliedert: Der erste Teil widmet sich der Buße, dem Sakrament der Versöhnung und der Erneuerung der Gemeinschaft. Das zweite Kapitel befasst sich mit den Aufgaben des Geistlichen, dem als geistlichem Vater, als spirituellem Meister, als Therapeuten und als Seelsorger eine besondere Rolle zukommt. Das dritte und letzte Kapitel trägt den Titel „Der Jünger“ und befasst sich sowohl mit dem geistlichen Kind als auch mit den Pflichten des Gläubigen. Ein Glossar orthodoxer Begriffe, ein Verzeichnis der verwendeten Bibelstellen sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis beschließen die Übersetzung von „Spovedanie și Comuniune“ durch Jürgen Henkel, die als Band 11 der Deutsch-Rumänischen Theologischen Bibliothek (DRThB) erschienen ist.

Der Zentralbegriff, auf dem die Überlegungen von Metropolit Andrei basieren, ist der Begriff der Gemeinschaft. So wie Gott in der Trinität – in der Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist – mit sich selbst Gemeinschaft pflegt, so ist auch der Mensch angehalten, mit Gott, mit seinen Mitmenschen, ja mit dem ganzen Kosmos in Gemeinschaft zu leben. Allein dadurch wird der Mensch vom bloßen Abbild zum wahrhaftigen Ebenbild Gottes. Die Sünde besteht aus dieser theologischen Perspektive nicht in der Übertretung irgendwelcher Gebote, sondern in dem fundamentalen Herausfallen aus dieser gottgewollten Gemeinschaft. Und der Weg, in diese Gemeinschaft wieder zurückzufinden, sind Beichte und Buße, die der Gläubige mit Hilfe Jesu Christi vollzieht.

Hier kommt nun der Geistliche ins Spiel, der als geistlicher Vater dem sich ihm anvertrauenden Gläubigen, dem geistlichen Kind, dabei behilflich ist, die Gemeinschaft mit Gott zu erneuern. Vorbild für den Geistlichen ist der Erlöser Jesus Christus, „der Lehrer aller Lehrer“ (S. 102). Deshalb ist der geistliche Vater auch mehr als ein bloß spiritueller Meister, ein Mentor oder ein Guru. Metropolit Andrei spricht in diesem Zusammenhang zudem von geistlichen Müttern (vgl. S. 104), wie überhaupt in seinem Buch den Frauen gleiche spirituelle Rechte zugesprochen werden wie den Männern. Nicht von ungefähr hat Anselm Roth, der im vergangenen Jahr verstorbene Autor, Journalist und Verleger, dem auch die vorliegende deutsche Übersetzung durch Jürgen Henkel „in memoriam“ zugeeignet ist, bei der Gestaltung des Umschlags als Titelbild für den Buchdeckel eine Ikone gewählt, die Maria von Ägypten zeigt, welche, obschon sie die Kommunion von dem Mönch Zosimas empfängt, nach der Heiligenlegende als dessen geistliche Mutter betrachtet werden kann.

Der Geistliche muss, wenn er ein guter Seelsorger und spiritueller Meister sein will, neben seinen priesterlichen Fähigkeiten und neben seinen moralischen Eigenschaften auch noch über weitere Qualitäten verfügen: „das reine Leben, die intellektuelle Bildung und die Erfahrung. Ideal wäre, wenn der Geistliche alle diese drei aufzuweisen hätte.“ (S. 133) So kommt ihm die Pflicht zu, seinen geistlichen Kindern beizustehen, sie zu lieben, für sie zu beten und – nach der paulinischen Aufforderung „Einer trage des andern Last“ – ihre Lasten mit zu tragen. Als Seelenarzt sind seine therapeutischen Bemühungen darauf gerichtet, dem Gläubigen beim „Entwurzeln der Leidenschaften“ (S. 160) zu helfen und ihn zum „Erlangen der Tugenden“ (S. 160) zu führen.

Aber auch dem Gläubigen, dem geistlichen Kind, Schüler oder Jünger, kommen in diesem Prozess der Erneuerung der Gemeinschaft mit Gott, mit seinen Mitmenschen und mit der gesamten Schöpfung bestimmte Aufgaben und Pflichten zu. Er muss selbst einen geistlichen Vater suchen, ihm (natürlich nicht blind) gehorchen, ihn lieben und für ihn beten. Und vor allem muss er Reue zeigen und Buße tun. „Gott will, dass alle Menschen erlöst werden. Die Pforten der Reue stehen allen offen. Wenn alle Menschen Reue zeigen und die Gebote Gottes befolgen würden, dann hätten wir schon vor der zweiten Ankunft des Herrn den Himmel auf Erden.“ (S. 197)

In seiner Einführung (vgl. S. 15) zu diesem außerordentlich klar und verständlich geschriebenen Buch von Metropolit Andrei verleiht dessen Übersetzer seinen Bedenken Ausdruck, dass die manchmal sprachlich schwerfälligen und dem deutschsprachigen Lesepublikum wenig vertrauten Zitate aus diversen Sammlungen von Sprüchen christlicher Mönche wie den „Apophtegmata Patrum“ oder der „Philokalia“ die Lektüre des Buches möglicherweise beeinträchtigen könnten. Das Gegenteil ist der Fall! Die Anekdoten, Begebenheiten, Sentenzen und Lehren der sog. Wüstenväter bringen Farbe und Lebendigkeit in den wissenschaftlichen Text aus den Disziplinen der Dogmatik, der Ethik und der Praktischen Theologie. Die Quantité négligeable kleiner Unachtsamkeiten (die Verwechslung von Epithymia und Epitimia, vgl. S. 89f.; die Schreibung von Etymologie mit th, vgl. S. 215; oder die Wiedergabe griechischer Wörter ausschließlich mit Akuten unter Verzicht auf Zirkumflexe und Spiritus) vergisst man gerne angesichts eines solch lehrreichen und lesenswerten Buches, das nun dank der Übersetzung von Jürgen Henkel auch einem deutschsprachigen Lesepublikum zugänglich geworden ist.

Metropolit Andrei von Klausenburg, der Maramuresch und Sălaj: Beichte und Kommunion. Seelsorge und Lebensbegleitung durch Geistliche Väter in der orthodoxen Glaubenspraxis. Aus dem Rumänischen übersetzt von Jürgen Henkel, Schiller Verlag: Hermannstadt und Bonn 2020, 222 S., ISBN 978-3-946954-67-5, 99 Lei (Band 11 der Deutsch-Rumänischen Theologischen Bibliothek).