Blutiger Einfall, verheerender Rückzug

ADZ-Serie Geschichte Siebenbürgen: Hintergründe und Folgen der Mongoleninvasion von 1241-1242 (Teil 3/5)

Historiker sind sich uneins, welcher von Dschingis Khans Enkel das Siebenbürgen-Kontingent anführte: Kadan oder Guyuk (oben).

Historiker G. D. Teutsch

Mongolische Belagerung des Großherzogtums Vladimir
Fotos: Wikipedia Commons

Im Februar 1241, einen Monat nach dem Fall von Kiew, sandten die Mongolen Aufklärungseinheiten nach Siebenbürgen und Ungarn aus. Die immer noch zugefrorenen Flüsse dienten den Reitern dabei als „Autobahnen“. So viel Informationen wie möglich zu sammeln hatte sich in vorangegangenen Schlachten immer wieder als Schlüssel zum Erfolg erwiesen. Subutai entschied schließlich, welche von den drei aufgestellten Strategien zur Eroberung Ungarns führen würde. Eine davon sah vor, Siebenbürgen zu durchqueren.

Gemetzel im Grenzstädtchen Rodna

Die erste dokumentierte Begegnung des mongolischen Kontingents, das die Karpaten überquert hatte, fand in Rodna statt, einer kleinen Bergwerksstadt im Nordosten von Siebenbürgen. Nach den Berichten von G. D. Teutsch in „ Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“ dauerte die Überquerung des Gebirges drei Tage, woraus der Autor dieses Beitrags schlussfolgert, dass der Tihu]a-Pass als Übergang genutzt wurde, der direkt nach Rodna führt, dieser wird jedoch in keiner Quelle direkt erwähnt. Der einzige erwähnte Übergang ist der Verecke-Pass 122 Meilen nördlich von Tihu]a. Über diesen soll das Hauptkontingent der mongolischen Armee vorgedrungen sein. 

Unklarheit besteht aber auch über den Anführer des Siebenbürgen-Kontingents. Teutsch verweist auf Kadan, andere Quellen benennen Guyuk (beide Jochis Söhne und damit Enkel von Dschingis Khan). Einige erwähnen Kadan gar nicht im Zusammenhang mit dem Ungarn-Feldzug. 

Bemerkenswert ist, dass Rodna, damals Rodenau, von deutschen Siedlern bewohnt war, die der ungarische König wegen ihrer Erfahrung als Bergleute herbeigerufen hatte. Deutsche Siedler, Siebenbürger Sachsen genannt, erhielten ab ungefähr 1150 die Erlaubnis, sich in verschiedenen Gebieten Siebenbürgens niederzulassen. Sie genossen bedeutende Privilegien, die normalerweise nur für Adlige reserviert waren. Im Gegenzug mussten sie aber auch Verpflichtungen erfüllen. Eine davon war, die ungarische Grenze gegen Eindringlinge zu verteidigen. So wurden ihre Siedlungen meist an den äußersten Rändern der Karpaten in der Nähe der Gebirgspässe gegründet. Die deutschen Siedler in ihrer Doppelrolle als Bergleute und Grenzschützer wurden hierfür speziell ausgebildet und mit Waffen ausgestattet. 

Bewährte Eroberungstaktik...

Die Mongolen erwarteten in Rodna wahrscheinlich keinen bewaffneten Widerstand. Sie nutzten ihre bewährte Strategie, nach einem ersten Angriff einen Rückzug vorzutäuschen, um später unerwartet und mit voller Kraft erneut anzugreifen. Die Einwohner von Rodna glaubten schon, die eigentliche Schlacht gewonnen zu haben und begaben sich nach Hause, um ihren Sieg gebührend zu feiern. Doch die Mongolen kehrten zurück und griffen die überraschte Stadt von allen Seiten an. Die Rodenauer erkannten, dass Widerstand nutzlos wäre und ergaben sich. Kadan, einer von Ögedeis Söhnen, der die Streitkräfte anführte, akzeptierte deren Kapitulation und bot ihnen Schutz und Frieden im Gegenzug für die Teilnahme von 600 bewaffneten Rodenauer Söldnern an ihrem Feldzug nach Ungarn an.

Ein anderer zeitgenössischer Historiker, Thomas von Split, beschreibt die mongolischen Streitkräfte, die den nicht ganz so hoch gelegenen Verecke-Pass 120 Meilen nördlich von Rodna als Übergang ins ungarische Reich benutzten, als weniger grausam als ihr Ruf. Er schreibt, dass die Mongolen bei ihren ersten Zusammentreffen mit den Lokalbewohnern keinesfalls ihre volle grausame Natur zeigten, sondern lediglich durch Dörfer ritten und hier und dort etwas plünderten, ohne der Bevölkerung nennenswerten physischen Schaden zuzufügen. 

Drakonisch bestrafter Widerstand

Ganz anders sah es aus, wo Widerstand geleistet wurde. Der erste beschriebene Widerstand gegen die Mongolen ereignete sich im Westen in Großwardein/Oradea, das anschließend gebrandschatzt wurde. Danach töteten die Mongolen die Männer und Frauen, Bürger und Adlige gleichermaßen, in ihren Feldern, Häusern und Straßen, ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht. Nachdem sie dann den Rückzug vortäuschten, warteten sie fünf Tage lang, bis die geflüchteten Krieger und andere, die sich in der Burg verschanzt hatten, wieder in ihre Häuser zurückkehrten und töteten sie dann. Mit einer derart geschwächten Besetzung in der Festung war es ihnen ein Leichtes, diese anschließend zu bezwingen. Die wenigen Widerständler wurden in der Kathedrale, ihrem letzten Zufluchtsort, bei lebendigem Leibe verbrannt.

Auf den größten Widerstand auf ihrem Feldzug in Europa stießen die Mongolen an zwei Orten nördlich und westlich von Siebenbürgen: in der Schlacht von Liegnitz in Polen am 9. April 1241 und zwei Tage später, in der entscheidenden Schlacht von Mohi in Ungarn. Viele Ritter und Bischöfe verloren dabei ihr Leben, darunter Nikolaus, der Vorsteher der Sachsen in Hermannstadt.

Danach entfesselte sich die mongolische Wut über Pest, wo „die Donau von menschlichem Blut rot gefärbt wurde“, so Thomas in „Geschichte der Bischöfe“. Nachdem sie mit der Brutalität ihrer Schlacht zufrieden waren, gaben sie die Stadt auf und brannten sie vollständig nieder. 
Knesen: 

Versuch einer neuen Verwaltung

Nun kontrollierten die Mongolen bereits einen Teil von Ungarn, während sich der ungarische König Bela IV. auf eine kroatische Insel geflüchtet hatte. Die Berichte von Rogero di Puglia, auch Rogerius genannt, einem italienischen Prälaten, der in Großwardein von den Mongolen gefangengenommen worden war,deuten auf den Beginn der Verwandlung Siebenbürgens in einen gefügigen Vasallenstaat. „Die Mongolen etablierten Knesen, eine Art Gerichtsvollstrecker, die über das Volk die Gerechtigkeit ausüben sollten. Diese Herren verwalteten fast tausend Dörfer, insgesamt gab es ein paar hundert Knesen. Die Wahl des Wortes Knesen (sing. Knes) für diese neuen Verwalter könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich nicht um übergelaufene Ungarn handelte, wie Rogerius andeutet, sondern lokal ansässige Rumänen. Knesen könnte demnach vom rumänischen „cneji“, singular „cneaz“ kommen, was so viel wie Graf bedeutet. Als Knesen galten die Anführer der unterworfenen Walachen (vlahi), später Rumänen genannt. Es ist also gut möglich, dass die ersten Helfer der Mongolen nicht Ungarn, sondern von diesen benachteiligte Rumänen waren. 

Es herrschte Frieden, es gab Gerichtshöfe und jedermann hatte Anspruch auf Gerechtigkeit. Dieses Experiment mit einer neuen sozialen Ordnung in Siebenbürgen endete brüsk mit dem unerwarteten Tod des Großkhans Ögedei, der dessen Söhne und Neffen in die Hauptstadt Karakorum zurückzwang, um die Frage der Nachfolge zu klären.

Rückzug und Spur der Verwüstung

Auf ihrem Weg zurück durch Siebenbürgen machte der Großteil der mongolischen Armee und ihr Gefolge, das in den Pannonischen Ebenen stationiert war, wett, was sie im Jahr zuvor versäumt hatten: Die Route führte sie durch das südliche Siebenbürgen, wo sie im April 1242 Hermannsdorf (Hermannstadt) plünderten, bis auf Hundert alle erschlugen und das Kloster der Predigermönche anzündeten, wie ein Dominikanermönch in der Chronik des Klosters zum Heiligen Petrus in Erfurt niederschreibt. Der Chroniker der Dominikaner war wahrscheinlich Zeuge der Invasion, als er seine Brüder in Hermannstadt besuchte. 
Ein weiterer zeitgenössischer Bericht über den Rückzug der Mongolen und die Spur ihrer Zerstörungen liefert erneut Rogerius. Die Mongolen hatten ihn und einen seiner Diener gefangengenommen und verschleppt, um sie als Sklaven zu verkaufen oder hinzurichten, falls sie ihnen lästig würden. Beim Verlassen von Siebenbürgen durchquerten sie die bewaldeten Ostkarpaten, wo den beiden Gefangenen die Flucht gelang. Auf ihrem Weg durch Siebenbürgen zurück in Richtung Westen beschrieben sie das Ausmaß der Zerstörungen. „Wir liefen durch das verwüstete und aufgegebene Land, das sie bei ihrem Rückzug zerstört hatten.“ In Karlsburg/Alba Iulia (damals Deutsch-Weißenburg), zur Zeit bereits eine bedeutende Stadt in Siebenbürgen und Sitz des katholischen Bischofs, fanden sie „nichts als Totenschädel, Knochen, zerstörte und zerbrochene Mauern von Kirchen und Palästen, besudelt vom Blut einer enormen Anzahl an Christen.“ 

Übersetzung aus dem Englischen und redaktionelle Anpassung: Nina May

Die fünfteilige Serie „Geschichte Siebenbürgen: Hintergründe und Folgen der Mongoleninvasion von 1241-1242“ erscheint wöchentlich jeden Freitag.