Carmen Petra Basacopols Concertino im Bukarester Radiosaal

Das Rundfunkorchester unter Nicolae Moldoveanu mit Gabriel Croitoru als Solisten

Wer sich am Abend des 12. Oktober zum Konzert des Nationalen Radioorchesters im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks eingefunden hatte, konnte sich auf ein spannendes und interessant zusammengestelltes Programm freuen: neben sinfonischen Werken mit großem Orchester von Antonín Dvorák und Sergei Rachmaninow wurde ein Solokonzert der rumänischen Komponistin Carmen Petra Basacopol gegeben: das Concertino für Violine und Orchester, dessen Solopart von Gabriel Croitoru übernommen und auf der Guarneri-Geige George Enescus zu Gehör gebracht wurde.

Carmen Petra Basacopol, die dieser Aufführung ihres Concertinos für Violine und Orchester im Mihail-Jora-Saal des Rumänischen Rundfunks selbst beiwohnte, wurde im Jahre 1926 in Hermannstadt/Sibiu geboren. Sie begann ihre musikalische Ausbildung in Bukarest, wobei sie neben Komposition auch Musikwissenschaft studierte. Sie führte ihre musikalischen Studien in Paris fort, wo sie an der Universität Sorbonne später auch einen Doktortitel in Musikwissenschaft erwarb. Im Jahre 1962 erhielt sie eine Anstellung am Bukarester Konservatorium, wo sie Harmonie, Kontrapunkt und musikalische Formen unterrichtete. Sie errang Preise bei internationalen Kompositionswettbewerben, u. a. in Mannheim und Berlin. Im Laufe ihres langen und arbeitsreichen Lebens (ihr musikalisches Werk umfasst mehr als 100 Opuszahlen) wurden ihr zahlreiche Ehrungen zuteil, wie etwa der Preis der Vereinigung der Komponisten und Musikwissenschaftler Rumäniens (UCMR) oder der Preis der Rumänischen Akademie (AR).

Das Concertino für Violine und Orchester, das den Mittel- und Höhepunkt des Konzertes im Bukarester Radiosaal bildete, ist im Jahre 1963 entstanden. Es besteht aus drei Teilen: zwei schnellen Ecksätzen, die den langsamen Mittelsatz rahmen, wobei dieser – „attacca“ – unmittelbar in den Finalsatz übergeht. Der Beginn des insgesamt nur fünfzehn Minuten dauernden und deshalb wohl „Concertino“ betitelten Konzertes erinnert in seiner Klanglichkeit und Rhythmik stark an Werke Dmitri Schostakowitschs, zumal die hämmernde Dynamik, die dem Solopart unterlegt ist, im majestätischen Spiel der Violine ein melodisches Widerlager hat. Welcher Genuss, die wegen ihres weit tragenden Klanges nicht von ungefähr „Kathedrale“ genannte Guarneri-del-Gesů-Geige aus dem Besitz George Enescus, die mit ihrem kräftigen Volumen dem Orchester auch dynamisch Paroli bieten konnte, unter den meisterlichen Händen Gabriel Croitorus zu vernehmen!

Eine Besonderheit dieses Konzertes ist gewiss auch die Vielzahl von Kadenzen, die in der Gesamtanlage der Komposition fast den Charakter kleiner Solosonatensätze annehmen. Dieses spezielle Charakteristikum erinnert zugleich daran, dass im Oeuvre Carmen Petra Basacopols die Kammermusik einen besonderen Stellenwert einnimmt. Zugleich ist in den Tutti-Passagen des Concertinos immer auch große Sinfonik präsent, die sich vor allem im schnellen und lebhaften Schlusssatz tänzerisch entfaltet. So wurde im Bukarester Radiosaal der Bezug zu den beiden anderen sinfonischen Werken dieses Abends auch programmatisch deutlich.

Der kräftige Schlussapplaus galt nicht nur dem grandios aufspielenden Solisten Gabriel Croitoru, dem sensibel führenden Dirigenten Nicoale Moldoveanu und den kongenial begleitenden und in großer Besetzung auftretenden Instrumentalisten des Nationalen Rundfunkorchesters Rumäniens, sondern auch dem Werk selbst und nicht zuletzt der betagten, trotz ihrer 92 Jahre gleichwohl jugendlich wirkenden Komponistin, die vom Dirigenten mit einem Handkuss geehrt und vom Publikum mit besonderem Beifall bedacht wurde.

Gerahmt wurde das Solokonzert, das Kammermusikalisches mit großer Sinfonik zu verbinden wusste, an diesem Bukarester Konzertabend durch zwei weitere sinfonische Werke, die ebenfalls einen großen Klangkörper erforderten. Zum Auftakt des Abends wurde Antonín Dvoráks Konzertouvertüre „Othello“ aus dem Jahre 1892 gegeben. Das Werk mit der Opuszahl 93 bildet zusammen mit der Konzertouvertüre „Karneval“ (op. 92) und der Konzertouvertüre „In der Natur“ (op. 91) eine Trilogie, der Dvorák den Titel „Natur, Leben und Liebe“ verlieh und die an der Schwelle zu Dvoráks Amerika-Aufenthalt, wo er von 1892 bis 1895 als Direktor des Nationalen Musikkonservatoriums in New York wirkte, vollendet wurde.

In Amerika ist auch das letzte Werk des Bukarester Konzertabends entstanden, und zwar in Huntington auf Long Island im Jahre 1940. Es handelt sich um die „Sinfonischen Tänze“ (op. 45), Sergei Rachmaninows letztes vollendetes Werk. Das eine Dreiviertelstunde in Anspruch nehmende dreisätzige Werk, das den gesamten zweiten Teil des Konzertes im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks ausfüllte, begeisterte durch seinen Klangreichtum, seine reiche Rhythmik und durch das gelungene Zusammenspiel der zahlreichen Instrumentengruppen, wobei vor allem im ersten Satz das Klavier hervorragte. Nicht von ungefähr fertigte Rachmaninow von seinen „Sinfonischen Tänzen“ auch eine Fassung für zwei Klaviere an, die er gemeinsam mit Vladimir Horowitz privat, jedoch niemals öffentlich aufführte.

Der Höhepunkt dieses Werkes ist gewiss dessen zweiter Satz mit der Bezeichnung „Andante con moto (Tempo di Valse)“, der durchaus Maurice Ravels choreografischem Poem „La Valse“ gleichzustellen ist, wo die rhythmische und klangliche Verfremdung des Walzertanzes ebenfalls auf die Spitze getrieben ist, um modernistische Nuancen im Zerfall traditioneller Formen freizusetzen und das Verdämmern des Überkommenen im Aufleuchten des Neuen musikalisch hörbar zu machen. Hierzu fügt sich auch die biografische Programmatik dieses Rachmaninowschen Schwanengesangs, dessen drei Sätze die Untertitel „Mittag“, „Abend-dämmerung“ und „Nacht“ tragen.

Der letzte Satz besticht dann vor allem durch das „Dies Irae“-Motiv, das in seinem „Allegro vivace“ überschriebenen zweiten Teil besonders deutlich hervortritt. Sergei Rachmaninow hat dieses gregorianische Motiv in sehr vielen seiner Werke verwendet: in allen seinen Sinfonien, in seiner „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“, in seiner Tondichtung „Die Toteninsel“ nach dem gleichnamigen Gemälde von Arnold Böcklin, in zahlreichen Soloklavierwerken, in seinem 4. Klavierkonzert und eben auch in seinem letzten vollendeten Werk, den „Sinfonischen Tänzen“. Insofern fungiert dieses musikhistorische Zitat im Kontext dieses Werkes auch als autobiografische kompositionsgeschichtliche Anspielung. In diesem Schlusssatz kam auch das voluminöse und von Rachmaninow stark erweiterte Schlagwerk (Pauken, Tamburin, Triangel, Trommeln, Becken, Tamtam, Glockenspiel, Glocken) voll zur Geltung, wobei der gewaltige Schluss des Werkes beim Bukarester Publikum für Gänsehaut sorgte: denn das metallisch dröhnende Rauschen des kräftig angeschlagenen Tamtams drang über den Schlussklang des Orchesters hinaus und wallte nach dem Verklingen aller anderen Instrumente noch drohend und majestätisch durch den Saal, solchermaßen den Schlussapplaus hinausschiebend und zugleich an die Verse des mittelalterlichen „Dies Irae“-Hymnus gemahnend: „Tuba mirum spargens sonum / Per sepulcra regionum / Coget omnes ante thronum“ (Laut wird die Posaune klingen / Durch der Erde Gräber dringen / Alle hin zum Throne zwingen).