Das lebende Museum von Laz

Besuch bei der Glasikonen-Künstlerin Maria Poenariu

Maria Poienariu vor ihrem Haus. Fotos: George Dumitriu

Fassade vom Haus der Künstlerin

Ikonenausstellung im Flur

Jedes Zimmer hängt voller bunter Bilder

Stammbaum

Im liebevoll dekorierten Hof

Zwischen dem wegen seiner Dakerfestung bekannten Ort Capâlna und der Kleinstadt Orastie liegt Laz, ein einfaches kleines Straßendorf im Landkreis Alba. Hier lebt die bekannte Glasikonenmalerin Maria Poenariu als letzte Vertreterin einer Familie, die diese Kunst seit fünf Generationen ausübt.

Maria Poenariu's Haus ist kein offizielles Museum, doch wer ihre beeindruckende Ikonensammlung bestaunen möchte, wird von der 88-jährigen Dame mit den leuchtenden wasserblauen Äuglein aufs herzlichste empfangen. Ohnehin sticht ihr schmuckes, blitzblau gestrichenes Anwesen, an dessen Fassade ein Jesus und zwei Engel prangen, dem vorbeifahrenden Reisenden sofort ins Auge. Von Capâlna kommend liegt es am Ortseingang auf der rechten Straßenseite, Hausnummer 72, direkt vor der Abzweigung zum Friedhof.

Nicht nur für die Pensionswirte der nahen Touristenorte ist Maria Poenariu eine Legende, die ihre Kunst an Besucher aus aller Welt verkauft. Auch im Museum von Alba Iulia, wo die alten Ikonen ihrer Vorfahren ausgestellt sind, ist die Künstlerin bekannt.

Auf den ersten Blick fällt der liebevoll dekorierte Innenhof des kleinen Anwesens auf: geschmackvolle Holzfenster, blütenweiße Stickvorhänge, Primeln in Keramikgefäßen – und nirgendwo die kleinste Spur des sonst so verbreiteten Kitsches. Stolz führt sie durch die drei Räume, deren Wände über und über mit leuchtend bunten Glasikonen dekoriert sind. Im oberen Stockwerk zieren zudem Webteppiche den Boden, auf den Stühlen liegen Kissen mit feinsten Häkelbezügen, die ein Schwanenmotiv zeigen, und aus der Bettlade zieht sie Laken mit filigraner Lochstickerei. Mit Ausnahme der Fleckerlsammlung als Muster für bestickte Trachtenblusen, die sie auch von anderen Frauen im Dorf erhielt und säuberlich aneinandergefügt hinter schweren Glasrahmen präsentiert, ist dies alles das Werk ihrer eigenen Hände.
Maria Poenariu war von frühester Jugend an eine begeisterte Handarbeiterin, die sogar die Textilfarben aus Pflanzenessenzen selbst zubereitet hat. Maiglöckchen ergeben Grün, Quittenblätter Orange, Mistel nimmt man für Ocker, Zwiebelschalen für Rot und Nussholz für Schwarz, erinnert sich die alte Dame. Handarbeit sei für sie wie ein kontinuierliches Gebet, schwärmt die Künstlerin mit verklärtem Blick –  intensiver noch als das in der Kirche, denn vorher bittet sie den Herrgott um Beistand und nachher dankt sie ihm nach jedem abgeschlossenen Werk, währenddessen aber sei er bei ihr.

Längst sieht Maria Poenariu nicht mehr gut genug zum Nähen, Sticken und Häkeln, und ihren Webstuhl musste sie vor 2 Jahren endgültig auf den Speicher verbannen. Nur die Malerei, die will sie noch lange nicht aufgeben. Auf dem Tisch liegt ein aufgeschlagenes Buch mit allerlei Motiven, die sie als Anregung für ihre Kreationen benutzt: „Pictura Taraneasca pa sticla”. Auch sie selbst wird darin als Künstlerin erwähnt. Leider wird die Dynastie der ländlichen Ikonenmaler mit Maria Poenariu enden, da die Witwe keine direkten Nachkommen hat.

Was wird dann wohl werden aus ihrem entzückenden Bauernhäuschen, dem lebenden Museum von Laz? Wer wird ihr Werk weiterführen? Für einen Moment verschleiert sich der Blick der ansonsten so hellwachen alten Dame. Von ihren Neffen hatte leider keiner Interesse, ihre Kunst zu übernehmen. Doch plötzlich leuchten ihre Äuglein so lebhaft wie zuvor, und sie verrät mir ein kleines Geheimnis. In die Dorfschule möchte sie einmal gehen, um mit der Lehrerin zu sprechen. Vielleicht haben die Kinder in der Schule ja Interesse, mit ihr zu malen und von ihr zu lernen?

Beim Abschied von der liebenswerten Künstlerin wird uns klar: nationales Kulturgut sind nicht immer nur Monumente. Manchmal kann es auch ein Mensch sein...