Dem Raum Geist geben

Der Banater Bildhauer Ingo Glass wird morgen 75 Jahre alt

Ingo Glass ist Metallplastiker, Ausstellungskurator und Buchautor
Foto: Zoltán Pázmány

Die Stahlplastik „Öffnung“ ist eines der ersten Denkmäler, die den Opfern der Revolution von 1989 gewidmet wurden. Sie wurde 1991 in Temeswar aufgestellt.
Foto: privat

„Was mich persönlich seit Jahren antreibt, ist die Auseinandersetzung und Suche nach Möglichkeiten der Reduzierung und Neuordnung der drei Grundformen – Kreis, Quadrat und Dreieck – sowie deren festgelegte Grundfarben mit dem Raum“, so der aus Temeswar stammende und zurzeit in Deutschland lebende Metallplastiker Ingo Glass, der morgen seinen 75. Geburtstag feiern wird. Die drei Grundformen entsprechen den drei Elementarfarben: die rote Farbe dem Kreis, das Gelb dem Dreieck und das Blau dem Quadrat. So widerspricht Glass mit seiner Zuordnung sogar den Bauhaus-Theoretikern Johannes Itten und Wassily Kandinsky. Dies da Itten in seiner Farbenlehre dem Quadrat die rote Farbe, dem Dreieck die gelbe und dem Kreis die blaue Farbe zuwies. Kandinsky fand aufgrund der Farbtemperatur ähnliche Farblösungen. Glass´ Werk wird der konkreten Kunst zugeordnet. Wegen der kargen Ausdrucksmittel, deren sich der Bildhauer bedient, könnte er auch als ein Minimalist bezeichnet werden.

In Deutschland wird zu Ehren des Plastikers sein 75. Geburtstag und das 35. Jubiläum als Kustos der kulturellen Einrichtung im Üblacker-Häusl in München gefeiert und die Ausstellung „Dem Raum Geist geben“ organisiert. Zu diesem Anlass wird am 12. April, zwischen 19-21 Uhr, die Ingo-Glass-Ausstellung eröffnet. Die Begrüßungsrede hält Anton Biebl, der Stadtdirektor im Kulturreferat der Landeshauptstadt München, eine Ansprache hält Dieter Rippel, der Vorsitzende des Vereins Freunde Haidhausens e.V. und eine Einführung bietet Reinhard Fritz, der Ehrenpräsident der Neuen Gruppe e.V. Die Ausstellung kann bis zum 12. Juni 2016 gesehen werden. Ingo Glass wurde 1941 in der Stadt an der Bega geboren, trotzdem fühlt er sich nicht als Temeswarer, sondern als Europäer. Seine Kindheit verbrachte der Künstler in der Banater Heide, in der Stadt Lugosch. Es waren keinesfalls unbeschwerte Jahre, da sein Vater zuerst in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet und später Zwangsarbeit am „Kanal“, im Strafarbeitslager am Donau-Schwarzmeerkanal, leisten musste. In Lugosch besuchte Glass die deutsche Schule und erhielt auch seinen ersten Kunstunterricht bei Elisabeth Popper an der Volkskunstschule im Ort. Popper war eine ehemalige Schülerin von Anton Hannak (1875-1934), einer der bedeutendsten österreichischen Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ein Mitglied der Wiener Sezession.

Später studierte Glass Bildhauerei am Kunstinstitut „Ion Andreescu“ in Klausenburg. Nach Hochschulabschluss, 1967, war er bis 1971 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für Gegenwartskunst in Galatz/Galaţi. Ebenda schuf er die 13 Meter hohe und 25 Tonnen schwere Metallplastik „Septenarius“, die 1976 am Donauufer aufgestellt wurde. Vor seiner Umsiedlung nach Deutschland, 1979, lebte Glass auch einige Jahre in Bukarest, wo er an der Kunstakademie und dem Friedrich-Schiller-Kulturhaus beschäftigt war. In der Hauptstadt veranstaltete er eine Ausstellung, an der 77 deutsche Künstler aus Rumänien teilnahmen. In Deutschland war der Plastiker bis zu seiner Rente als Ausstellungsgestalter für das Kulturreferat der bayerischen Landeshauptstadt München tätig. 1993 promovierte Glass an der Bukarester Kunstakademie mit einer Dissertation über Constantin Brâncu{i.

Vor fünf Jahren präsentierte der Plastiker dem Banater Publikum im Kunstmuseum Temeswar die Retrospektivausstellung „Offene Räume“, die auch in München und Budapest gezeigt wurde. Mehrere Kleinmetallplastiken in den bereits bekannten drei Farben und den verschiedensten Zusammenstellungen waren in der Ausstellung von 2011 enthalten. Zu diesem Anlass ging eine Arbeit des Künstlers auch in die Sammlung des Temeswarer Kunstmuseums ein. Seiner Geburtsstadt schenkte Ingo Glass jedoch weitaus mehr: drei im Außenraum aufgestellte Metallplastiken. Die erste davon ist die zehn Meter hohe Monumentalstahlplastik „Öffnung“, ein den Revolutionsopfern von 1989 gewidmetes Denkmal. „Hommage à Vasarely“ (2003) ist eine weitere Metallplastik, die aus ihrem ursprünglichen Ausstellungsort, dem Skulpturenpark der Triade-Stiftung in Temeswar, in die nahe gelegene Ortschaft Dumbr²vi]a „verpflanzt“ wurde, und das dritte Werk ist „Tor zu Serbien“ (2009). Beide letztere weisen die bereits bekannten Grundformen in den drei Elementarfarben auf. Für sein Leben und Schaffen wurde der Künstler auch mehrfach ausgezeichnet: 2013 erhielt er das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. In seinem Herkunftsland wurde Ingo Glass 2012 auf Initiative des Schriftstellers und Hochschullehrers Marcel Tolcea, damals Leiter des Kunstmuseums in der Banater Hauptstadt, zum Ehrenbürger von Temeswar ernannt.