„demoHamlet“ bereitet Publikum auf Premiere vor

Ada Lupu Hausvater mixte Shakespeare und „Subcarpaţi“ zum Kassenerfolg

Der Prinz (rechts) und der Geist, der ihm den Racheauftrag aufbürdet: Matei Chioariu und Marius Andrei Alexe in den Rollen des Hamlet und des verstorbenen Prinzen
Foto: Adrian Pâclişan / TNTm

Der Geist des ermordeten Königs von Dänemark wandelt in der Rotunde des Nationaltheaters Temeswar wie ein Löwe im Käfig, spukt auf den Monitoren, die den Eingang und den Spiegelsaal säumen. König Claudius und Königin Gertrud stehen in Metallkäfigen und erinnern ein bisschen an Schaufensterpuppen, aber auch an einen an den Pranger gestellten Hannibal Lecter, gehören sie doch wie dieser zu den emblematischen Verbrechern der Menschheit. Während die Theaterbesucher die Treppen hinaufgehen, werden sie auch von den Blicken von Marcellus, Horatio und Bernardo begleitet, die in T-Shirts mit Röntgen-Print ebenfalls in Käfigen stehen. Ein Drahtzaun hält die Besucher vom Spiegelsaal fern. Clubatmosphäre, für die mehrere Nebelmaschinen und Lasersysteme zum Einsatz kommen. In der Zwischenzeit wartet Hamlet sinnend vor der Bühne, im Saal, in greifbarer Nähe also, dann wiederum in der königlichen Loge, er wartet auf die Besucher.

Ein äußerst gelungener kultureller Werbegag ist die Vorstellung „demoHamlet & Konzert Subcarpaţi“, ein bisschen Hamlet und viel „Folklore-Underground“, wie Marius Andrei Alexe, der Solist der Band, ihre Musik beschreibt. Ein „Appetizer“ auf die Ada-Lupu-Hausvater-Variante von Shakespeares „Hamlet“ anno 2016 in Temeswar. „Ich habe mir die Frage gestellt, ob das Publikum nicht seinen eigenen ‘Hamlet’ braucht. Dann bin ich darauf gekommen, dass Shakespeares Stück für mich und die Menschen um mich ein Gegenwartsstück ist, solange Hamlet nur ein normaler, junger Mann ist, der in eine nicht normale Situation gerät“. Dazu hat sich die Spielleiterin, die auch Intendantin des hiesigen Nationaltheaters ist, beim ersten Treffen mit dem Solisten Marius Andrei Alexe auf der Bühne inspirieren lassen. Die Idee ist allerdings nicht neu, denn schon 2012 ließ am Staatsschauspiel Dresden der Regisseur Roger Vontobel die Dresdner Pop-Band „Woods of Birnam“ in seinem „Hamlet“ auftreten, wobei dem Solisten Friedel sogar die Titelrolle zukam.

Vorläufig ist es in Temeswar nicht Hamlet, Prinz von Dänemark, sondern der Geist des verstorbenen Königs, der vom Monitor aus auf Hip-Hop-Rhythmen die Frage obsessiv wiederholt, die seit über 400 Jahren Kopfzerbrechen verursacht: „Sein oder nicht sein?“ und das in Verse eingebaut, die auf die Proteste und den Spleen der jungen Generation setzen.

Hamlet steht da, schmunzelnd, nicht in schwarzem, mit Spitzen besetzem Samtanzug, sondern in schwarzem Sweat-Hoodie und schwarzen Dreiviertelhosen, ganz modisch und ganz Herr von Helsingör zugleich.
Wie gebietet man Ruhe einem vollgepfropften Saal, in dem vorwiegend Studenten sitzen, die dem Konzert der beliebten Band „Subcarpa]i“ entgegenfiebern? Plötzliche Dunkelheit und ein einziger Lichtstrahl auf der Bühne und die musikalische Untermalung lassen Ruhe entstehen.

Ein bisschen Shakespeare und ein bisschen Gegenwartsslang, Peca Ştefan ist der Dramatiker, der diesen Hamlet-Remix vorschlägt. Die Vorstellung soll die jungen Menschen ins Theater bringen, soll sie aufrütteln, soll sie ansprechen, wie es seit Generationen die Theaterbesucher anspricht. Und dafür schaut es dieser Altersgruppe „aufs Maul“: So geht es auch mal ums „Gras“, es geht um „Geld, Kopf und Kilo-Verluste“ und ab und zu flucht man, wie es der Alltag gebietet.

Zu dieser Vorpremiere hat das Nationaltheater schon im Dezember und wieder am 8. Januar eingeladen, denn „Hamlet“ wird die Vorstellung des Jahres am hiesigen Haus im Shakespeare-Jahr.

Klassischer Shakespeare hätte wahrscheinlich nicht dieselbe Wirkung auf das junge Publikum gehabt, das einen schnelleren Rhythmus und Antworten auf seine Fragen sucht. Und so wie das Motto „Dieser Tage ist alles aus den Fugen geraten“ besagt, widerspiegelt sich auch einiges von den Ängsten und dem Protest der jungen Generation darin.

„Ich weiß nicht, wie ich es mir erklären soll, aber ich habe ein akutes Gefühl, dass hierzulande bald etwas Hässliches passieren wird“. Das kann in Dänemark sein oder aber auch hierzulande oder überhaupt irgendwo auf dieser Welt, wenn man dieser Tage die Nachrichten verfolgt.

Claudia Ieremia spielt die eiskalte Königin Gertrud mit Gletscheraugen, schwarzem Konzern-Kostüm, und schwarzen Spitzenpants, die auf ein ganz anderes Milieu verweisen, und kommt in einem Duo mit dem hinterhältigen Claudius, von Ion Rizea zu einer fratzenhaft grinsenden Figur karikiert. Auf Hamlet, die Traumrolle des Schauspielers schlechthin, bereitet sich Matei Chioariu noch vor, von ihm erwartet ja das Publikum dann die Bürde und Würde in der Schlüsselfrage, die jeden bewegt. Für die Hauptrolle wählte das Nationaltheater diesen Mitarbeiter, der zugleich am Bukarester Operettentheater „Ion Dacian“ tätig ist. Und die Hoffnungen setzen alle auf ihn. Sein wichtigster Mitspieler ist in dieser „Demo-Show“ der Geist des verstorbenen Königs, von Bean interpretiert, so das Pseudonym des Solisten von „Subcarpaţi“. Alles in einer Vorstellung, die Grenzen verwischt: Dänemark kann ebenso gut Rumänien sein, das 17. oder das 21. Jahrhundert, spielt dabei keine Rolle.