Der Enthusiasmus des Germanisten

Prof. Dr. George Guţu wird 70 Jahre alt

Der Germanist George Guţu ist bei vielen internationalen Fachtagungen vertreten.

Als Prof. Dr. George Guţu nach mehrjährigem Lektorat und fünfjähriger Professur 1998 die Leitung des Bukarester Lehrstuhls für Germanistik übernahm, trat er ein schwieriges Erbe an. Im Zuge des Massenexodus der deutschen Bevölkerung aus Rumänien infolge der politischen Revolution 1989/90 in Ost- und Südosteuropa waren nicht zuletzt jene jungen Deutschen westwärts emigriert, die als sogenannte „Muttersprachler“ ehemals dem Lehrstuhl ein bestimmendes Qualitätsgepräge gesichert hatten. Im Unterschied zu ihren rumänischen und anderen Kommilitonen des Deutschen aus Elternhaus und Schule mächtig, fiel ihnen das Studium leichter. Wie würde der Lehrstuhl bei diesem Verlust Niveau und Ansehen im In- und Ausland wahren können?, lautete die Frage, die sich dem 54-Jährigen, an der Universität zu Leipzig in Sachsen zum Germanisten und Kulturwissenschaftler Ausgebildeten, stellte.

Der am 16. März 1944 im einstigen Freihafen und Sitz der Europäischen Donaukommission Galatz geborene George Guţu war als Schüler des „Kogălniceanu“-Lyzeums der interkulturell geprägten Vaterstadt mit Deutsch als Fremdsprache in Berührung gekommen. Etwa ein Jahrzehnt später hatte er als herausragender Student der sächsischen Universität deren Diplom und Auszeichnung entgegengenommen und abermals rund zehn Jahre danach ebendort den Doktortitel mit einer bahnbrechenden Untersuchung zum frühen Schaffen des aus der Bukowina stammenden Paul Celan erworben, wobei er bis dahin unbekanntes wertvolles Archivmaterial aus dem Bukarester Alfred-Margul-Sperber-Nachlass ans Tageslicht förderte. Als er 1998 Leiter des Bukarester Germanistik-Lehrstuhls geworden war, begann er eine Tätigkeit, deren wissenschaftliche und pädagogische Vielfalt über die universitären Grenzen hinausreichte und die Beobachter in Erstaunen versetzte. Sie war, freilich, die Fortsetzung eines Aktivitätspensums, das in die Jahre der Professur zurückreichte.

So hatte George Guţu z. B. bereits 1990 die Gesellschaft der Germanisten Rumäniens und zwei Jahre darauf deren Zeitschrift gegründet, in der seither unter seiner redaktionellen Leitung Dutzende von Fachleuten aus über zwanzig Ländern mit Texten zu Themen der Germanistik zu Wort kamen. Die umfangreichen Bände sind Fundgruben sprach- und literaturwissenschaftlicher sowie –historischer Informationen. Als glückliche Mischung aus methodischer Intelligenz und Blick für das Praktische, aus Neugierde an geistigen Gehalten und Organisationsgabe drängte es den enorm fleißigen Mann zu steter Ausweitung seiner Aktivitäts-Kreise über den Lehr- und Wissenschaftsbereich hinaus. Abgesehen von seinen Übersetzungen deutscher Autoren ins Rumänische, schuf er die Buchreihe „GGR-Beiträge zur Germanistik“, er rief das Forschungs- und Exzellenzzentrum „Paul Celan“ ins Leben, besorgte die Herausgabe des germanistischen Jahrbuch Rumäniens „transcarpathica“, war Gründungsmitglied des Münchner „Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas“ an der LMU München und veranstaltete Tagungen zu Sonderproblemen der neueren deutschen und rumäniendeutschen Literatur. Gastprofessuren und internationale Konferenzen führten den angesehenen Mann häufig ins Ausland.

Ohne Zweifel ist die nach langer Unterbrechung wieder aufgenommene Tradition der zu internationaler Bedeutung gewachsenen Kongresse der rumänischen Germanisten  d i e  Großleistung George Guţus, erst recht eingedenk des Umstands, dass sich nicht nur Idee, Planung, Vorbereitung und Durchführung auf ihn und wenige Freiwillige beschränkten, sondern auch die Finanzierung das Ergebnis ausschließlich seiner Bemühungen war. 1994, 1997, 2000, 2003, 2006, 2009 und 2012 trafen sich Hunderte von Germanisten aus Europa bis Japan und Amerika in verschiedenen Städten Rumäniens zu Begegnungen wissenschaftlicher Mitteilungen und literarischen Austauschs.

Die Anerkennung dieser außerordentlichen Lebensleistung blieb nicht aus. Die Wahl zum Mitglied u. a. der Weimarer Goethe-Gesellschaft, der Rilke- und der Canetti-Gesellschaft, der Internationalen Vereinigung für Germanistische Wissenschaften, der Österreichischen Gesellschaft für Germanistik, der Österreichischen Gesellschaft für Literatur u. a. m. belegen es nicht weniger als die 2010 erfolgte Auszeichnung mit dem „Verdienstorden für Kultur im Range eines Ritters“ durch den Staatspräsidenten Rumäniens oder die Verleihung des „Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst“ durch den Präsidenten der Republik Österreich.

Keiner machte die neuere Germanistik Rumäniens in Fachkreisen weltweit so bekannt wie George Guţu. In einer immer schwierigeren Zeit für die Germanistik auch in seinem Land stemmte er sich mit beispielhafter Energie und Umsicht gegen die Entwicklung und verlor trotz fallweiser Rückschläge und Resignation niemals den Enthusiasmus für die deutsche Sprache und Dichtung – zur Herausforderung manches deutschen Germanisten, sei hinzugefügt. Immanuel Kants Wort vom Enthusiasmus, ohne den keine große Leistung möglich ist, darf daher als Motto über dem Leben des Bukarester Professors stehen.

Ad multos annos, mein Freund!