Der letzte König Rumäniens

Zur Jahrhundertfeier der Geburt König Michaels I.

Porträt des Königs Michael I. 1947
Foto: Wikimedia – Istrocolor

Der originale königliche Thron war bis zum 31. Oktober die Hauptattraktion der historischen Abteilung des Nationalen Kunstmuseums (MNAR)
Fotos: die Verfasserin

Am 25. Oktober wurde neben dem Tag der rumänischen Armee ein Jahrhundert seit der Geburt des letzten rumänischen Königs, Michael I. von Hohenzollern, gefeiert. Sein Schicksal ist eng mit dem Rumäniens verbunden und seine dem Kommunismus zum Opfer gefallenen Untertanen litten genauso viel unter dem totalitären Regime wie ihr untröstlicher König im Exil an Sehnsucht nach Heimat und Volk und an einem gebrochenen Herzen.

Zur Ehrung seiner zu kurzen, jedoch ereignisreichen Herrschaften, sowie seiner viel zu selten erwähnten Verdienste, wie die Verkürzung des Zweiten Weltkriegs, sein ununterbrochener Einsatz für die Bewahrung der historischen Wahrheit, die Anprangerung der Verbrechen des Kommunismus und die Verhandlungen für den Beitritt Rumäniens zu NATO und EU, wurde ihm letzte Woche an mehreren Orten und durch verschiedene Veranstaltungen gedacht.

Michael I. und die königlichen Familien Europas

Michael I. ist das erste Mitglied der königlichen Familie Rumäniens, der in und fast zur gleichen Zeit wie Großrumänien geboren wurde.
Der letzte rumänische König kam am 25. Oktober 1921 in Sinaia, Kreis Prahova, auf die Welt. Der Vorgang der Vereinigung der rumänischen Provinzen war nach knapp drei Jahren vollzogen, seit dem in Karlsburg/Alba Iulia signierten Beitritt der historischen Provinzen Siebenbürgen, Banat, Kreischgebiet/Cri{ana und Maramuresch zum Königreich Großrumänien, weil der Friedensvertrag von Trianon 21. Juli 1921, erst ein Jahr nach seiner Unterzeichnung, in Kraft trat. Der letzte rumänische Kronprinz war der Sohn des rumänischen Fürsten und künftigen Königs Karl II. und der Fürstin Elena von Griechenland. 
Durch seine Eltern und Großeltern, König Ferdinand I. von Rumänien (geb. Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen) und Königin Maria (geb. Prinzessin Marie von Edinburgh, Enkelin der Königin Victoria des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland sowie des Zaren Alexander II. von Russland), sowie durch den ersten König Rumäniens, Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen, Sohn des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, und Königin Elisabeth von Wied, ist König Michael I. und implizit die königliche Familie Rumäniens mit den wichtigsten königlichen Familien Europas verwandt. König Michael I. war der Cousin der herrschenden Königin Elisabeth II. von Großbritannien und ihres in diesem Jahr verstorbenen Mannes, Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, der in seiner Kindheit ein paar Sommerferien mit ihm in Rumänien verbracht hatte. Bei der Hochzeit des zukünftigen britischen königlichen Paars hat König Michael seine künftige Braut, Prinzessin Anna von Bourbon-Parma, Nichte der Kaiserin Zita von Österreich, 1947 kennengelernt. Bei der 60. Jubiläumsfeier der Thronbesteigung Königin Elisabeths II. 2012 hat sie ihren Cousin als Ehrengast zu ihrer Rechten gestellt. Dies bezeugen Fotos vom damaligen Empfang. Königin Sofia von Spanien (geb. Prinzessin von Griechenland und Dänemark), die ihrem Sohn zuliebe 2014 auf den Thron verzichtet hat, war als Tochter des Königs Paul von Griechenland, des Onkels mütterlicher Seite von König Michael, für ihn Cousine ersten Grades und nannte ihn ihren „Lieblingscousin“. Im Dezember 2017 ist sie nach Rumänien gereist, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. 

Der König ist tot

König Michael I. ist am 5. Dezember 2017 in Aubonne, Schweiz, mit 96 Jahren verstorben. Sein Leichnam wurde nach Bukarest verbracht und im Thronsaal des Königlichen Palasts, der seit seiner Zwangsabdankung das Nationale Kunstmuseum beherbergt, in einem von der königlichen Fahne Großrumäniens bedeckten Sarg aufgebahrt, um Tausenden von Menschen zu ermöglichen, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Eine Woche lang rückte der König wieder in die Aufmerksamkeit der rumänischen Medien. Die himmelschreiende Verleumdung und Lügengeschichte, die 70 Jahre lang, zuerst vom kommunistischen Regime um seine Persönlichkeit gewoben und nach der Wende 1989 von der Regierung der Übergangszeit nicht bereinigt wurde, bestritten Persönlichkeiten der rumänischen Kultur innerhalb von ein paar Tagen öffentlich im Fernsehen mit Dokumenten, Zeugnissen und Dokumentarfilmen.

Die ungefälschte Geschichte

Michael wurde 1927 mit nur fünf Jahren erstmals zum König Rumäniens gekrönt, nach dem Tod von König Ferdinand. Sein Vater, König Karl II., hatte zwei Jahre davor seiner Mätresse zuliebe auf den Thron verzichtet. Die Regierungsgeschäfte führten seine Großmutter, Königin Maria, die Königsmutter Elena, sein Onkel Prinz Nicholas und ein Regentschaftsrat bis 1930, als sein Vater ins Land zurückkehrte und seinen neunjährigen Sohn vom Thron stieß. Nach dem Verlust der Provinz Bessarabien 1940 und unter dem Druck der politischen Klasse und der Untertanen, die vor dem königlichen Palast demonstrierten, war König Karl II. gezwungen, den Thron aufzugeben und ins Exil zu gehen.

Der nun erwachsene, knapp 19-jährige Michael bestieg den Thron erneut, mitten im Zweiten Weltkrieg, mit der Eisernen Garde unter den Fenstern des Königspalastes. Seine weiteren sieben Herrschaftsjahre waren von politischer Unrast geprägt. 

Die Führung übernahm General Ion Antonescu zusammen mit der extremen Rechten. 

„Ich hatte viele Konflikte mit Antonescu, aber in einer Hinsicht bin ich ihm zutiefst dankbar. Er hat meine Mutter (die Red.: aus dem Exil, wohin sie ihr ehemaliger Ehemann, König Karl II., bei seiner Rückkehr geschickt hatte) zurückgebracht“, erzählte König Michael später.

Auf ihre Bitte schickte der König einen Zug mit Lebensmitteln und Medikamenten zu den Lagern in Transnistrien, in denen die unter dem diktatorialen Regime von Antonescu deportierten Juden starben. Weitere Juden wurden von der Königsmutter und König Michael gerettet, indem die von General Antonescu Hitler versprochenen Züge mit Juden, die auf dem Weg nach Auschwitz waren, auf königlichen Befehl Rumänien nicht verlassen durften. Der Verdienst der Königinmutter wurde später von Israel anerkannt, wo ihr auf Vorschlag des Yad-Vashem-Instituts die Ehrenbürgerschaft und der Titel „Gerechte unter den Völkern“ verliehen wurde. Dieses Jahr weihte das Bürgermeisteramt der israelischen Stadt Petach Tikwa einen Platz zum Gedenken an die Königsmutter Elena von Rumänien ein.

In seiner kurzen Herrschaft spielte der junge König mit nur 23 Jahren eine Schlüsselrolle im Zweiten Weltkrieg, als das Königreich Rumänien 1944 das Militärbündnis mit dem Deutschen Reich dank einer höchst geheimen Verschwörung des Königs und seiner Vertrauten brach und sich den Alliierten anschloss. Dadurch stoppte König Michael die Bombenanschläge der Allierten auf Rumänien und rettete viele Menschenleben. Darüber hinaus führte die Einstellung der Erdöl-, Erdgas-, Getreide-, und Lebensmittellieferungen an das Deutsche Reich zu einer wesentlichen Verkürzung des Kriegs, und zwar um sechs Monate, Experten zufolge. Dieser Verdienst wurde König Michael international zuerkannt und damals vom amerikanischen Präsidenten Franklin Roosevelt sowie im November 2012 im Rahmen des Londoner Events dem König zu Ehren hervorgehoben.

Obwohl der rumänische Souverän am 23. August ein Waffenstillstandsabkommen mit den Alliierten unterzeichnet hatte, war dies kein Hindernis auf dem Weg der Roten Armee, die Rumänien trotzdem besetzte.

Die im Frühjahr 1945 durch das Abkommen von Jalta, trotz der Proteste und Empörung des Monarchen, eingesetzte sowjetische Verwaltung in Rumänien erfreute sich jedoch keiner Legitimität, weil König Michael sechs Monate lang, vom 21. August 1945 bis zum 6. Januar 1946, ihr dies durch einen königlichen Streik verweigerte und in dieser Zeitspanne keine Erlässe der illegitimen Regierung von Petru Groza unterzeichnete. 

Infolge der im November 1961 stattgefundenen „freien“ Wahlen, deren Ergebnisse gefälscht wurden, gelangte die kommunistische Partei offiziell an die Macht. In den darauffolgenden  Monaten werden Tausende Intellektuelle, Adlige, politische Gegner, Kleriker, Monarchisten und Vertraute der königlichen Familie unrechtmäßig zu Haftstrafen verurteilt oder einfach ohne Gerichtsverfahren inhaftiert, ohne dass der König etwas dagegen tun konnte. 

Am 30. Dezember 1947 wurde der König durch Premierminister Petru Groza und Gheorghe Gheorghiu Dej unter der Androhung von Waffengewalt und der Tötung von 1000 Studenten zur Abdankung erpresst. König Michael I. und seine Mutter verließen das Land und erreichten Lausanne, Schweiz, am 6. Januar 1948.

Im Exil heiratete der König Prinzessin Anna von Bourbon-Parma, die ihm fünf Töchter, die Prinzessinnen Margareta, aktuelle Hüterin der Krone, Elena, Irina, Sofia und Maria, gebar. Die rumänische königliche Familie führrte zunächst ein bescheidenes Leben in Großbritannien und siedelte dann in die Schweiz um, wo König Michael als Testpilot arbeitete. Dann wurde er Börsenagent in New York und schließlich in Genf bis 1989. Parallel zu seinem Familien- und Berufsleben kämpfte König Michael gegen die Verleumdung durch die Kommunisten und die Fälschung der historischen Ereignisse aktiv aus dem Exil, indem er   öffentlich die Wahrheit darstellte und die Verbrechen des kommunistischen Regimes anprangerte. Sein Volk ermutigte er durch hoffnungsvolle Reden im Radiosender „Freies Rumänien”, warb immer wieder für die Beseitigung des totalitären Regimes in Rumänien und versuchte, mit amerikanischen und britischen Abgeordneten in dieser Hinsicht zu verhandeln. Als endlich die Wende 1989 kam, wurde der König von der sozialistisch-demokratischen Übergangsregierung von Premierminister Petre Roman und Präsident Ion Iliescu mehrmals schikaniert. 1990 wurde er unter dem Vorwand eines fremden Reisepasses mitten auf dem Weg zur königlichen Kathedrale in Curtea de Arge{ von der Polizei wieder zum Flughafen begleitet. 1992 nutzte die Orthodoxe Kirche Rumäniens eine Heiligsprechung im Kloster Putna, Kreis Suceava, den König heimzubringen. Am Karsamstag, dem 25. April 1992, wurde der König von mehr als einer Million Menschen in Bukarest liebevoll empfangen, durfte sich aber in Rumänien nicht lange aufhalten. 

Weiterhin im Exil lebend, förderte König Michael den Beitritt Rumäniens zur NATO und zur Europäischen Union. In adligen Kreisen und einflussreichen politischen Zirkeln agierte er stets als Botschafter für Rumänien. 

Erst 1997 erhielt Michael I. seinen rumänischen Reisepass und durfte in sein Heimatland zurückkehren. Zehn Jahre später wurde ihm der Pele{-Palast in Sinaia, Kreis Prahova, rückerstattet. 2016 zog er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem öffentlichen Leben zurück. Jedoch bleiben die treffenden Worte seiner letzten Ansprache an alle Rumänen im Kollektivgedächtnis. 

Am 25. Oktober 2011 hielt König Michael eine Rede im Parlament zu seinem 90. Geburtstag: „Es liegt nur an uns, das Land stabil, wohlhabend und bewunderswert für die Welt zu machen. Ich sehe das heutige Rumänien nicht als Erbe unserer Eltern, sondern als ein Land, das wir von unseren Kindern geliehen haben. So helfe uns Gott!“ Mit dem Tod seines letzten Königs verlor das rumänische Volk auch ein Vorbild für Aufrichtigkeit, christliche Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Heimatliebe, Mut, Bescheidenheit und Würde.

Veranstaltungen zur Hundertjahrfeier seines Geburtstags

Letzte Woche widmeten mehrere Kulturinstitutionen Ereignisse der Erinnerung des Königs zur Hundertjahrfeier seiner Geburt.

Am 24. Oktober wurde ein Dokumentarfilmmarathon veranstaltet, gebildet aus drei Filmen, die vom Sender History Rumänien ausgestrahlt wurden. Dort wurden die ungefälschte Geschichte Rumäniens erzählt, welche in den Schulen bis heute nicht unterrichtet wird, und viele interessante historische Details: Ein Dokufilm über Königin Maria, „Maria – Herz Rumäniens“, der Film „Der König, der Hitler überlistete“ über die Schlüsselrolle, die König Michael im Zweiten Weltkrieg inne hatte und der in mehr als 80 Ländern gezeigt wurde, und der neue Dokufilm über die langwierige Rückkehr des Königs in die Heimat „König Michael: Der Weg nach Hause“ des Produzenten John M. Florescu. Die ersten beiden Filme werden immer wieder und letzterer laut Sender bis Jahresende noch elfmal gezeigt. 

Im Nationalen Kunstmuseum (Calea Victoriei Nr. 49-53) fanden am 25. Oktober den ganzen Tag Führungen durch die historischen Räume des Königlichen Palasts statt. Besucher konnten durch den Haupteingang den königlichen Speisesaal über den Ehrenflur betreten. Die Fürstentreppe führt zum Thronsaal im ersten Stockwerk, wo bis zum 31. Oktober der originale Thron, der aus der Dauerausstellung des Museums in Gole{ti, Kreis Arge{, stammt, zu sehen war. Dieser wäre während des Kommunismus beinahe verloren gegangen, als das Lager des Filmstudios in Buftea, wo er als Filmrequisite aufbewahrt wurde, in Flammen aufging. Andere Möbelstücke, Portraits, Büsten der königlichen Familie und verschiedene monarchische Symbole wurden nach 1948 aus dem Palast entfernt und zerstört oder versteckt. Nach der Revolution 1989 wurden diese wiederentdeckt und restauriert, um ausgestellt zu werden. Auch eine der drei aus Stahl gegossenen identischen Kronen König Ferdinands ist als Teil der Dauerausstellung zu sehen. 

Am selben Tag enthüllte die Hüterin der Krone, Margareta, eine Statue ihres Vaters in Sinaia und gab bekannt, der Elisabeth-Palast (Regele Mihai I. Boulevard, Intrarea Române{ti Nr. 28C, Bukarest) bleibe bis zum 8. November für Besuche geöffnet. Zur gleichen Zeit organisierte der Enkel des Königs, Prinz Nicholas, zusammen mit seiner Frau, Alina Binder, einen orthodoxen Gedenkgottesdienst mit Almosenverteilung in Erinnerung an seinen Großvater in der Neuen erzbischöflichen Kathedrale in Curtea de Arge{, wo dieser, seine Frau Prinzessin Anna von Bourbon-Parma, Königsmutter Elena und König Karl II. beigesetzt sind. Die karitative Organisation des Prinzen Nicholas, welche seinen Namen trägt, und aktiv zur Förderung und Erhaltung des geschichtlichen Erbes der königlichen Familie wirkt, führt ein Projekt durch, in dessen Rahmen alle Menschen eingeladen sind, ihre persönlichen Erinnerungen an König Michael oder die königliche Familie in einem Video mitzuteilen. Diese Zeugnisse sollen zur Erhaltung der rumänischen Monarchie im Kollektivgedächtnis beitragen.