Der unbekannte Teil der Sammlung Alexandru Phoebus

Ausstellung im Museum der Kunstsammlungen in Bukarest

Selbstportrait, 1952

Seit dem Jahre 1972 befindet sich die Sammlung des Malers und Zeichners Alexandru Phoebus (1899-1955) im Bukarester Museum der Kunstsammlungen. Die aus 386 Einzelstücken bestehende Sammlung, die zum allergrößten Teil eigene Werke des Bukarester Künstlers, zu einem kleinen Teil auch ethnographische Objekte umfasst, gelangte dank seiner Gattin Ana, seiner Mutter Tamara und seines einzigen Sohnes Eugen Phoebus vor rund einem halben Jahrhundert in den Besitz des Bukarester Museums im ehemaligen Romanit-Palast. Dort, im rechten Seitenflügel des Museums der Kunstsammlungen in der Calea Victoriei 111, sind derzeit und noch bis zum 25. März dieses Jahres 130 Arbeiten – also rund ein Drittel der gesamten Kollektion des Bukarester Künstlers – zu sehen, die sonst, nicht zuletzt aus konservatorischen Gründen, im Depot lagern und nun für die Dauer dieser Werkschau erstmals der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Diese Ausstellung mit dem Titel „Der ungesehene Teil der Kunstsammlung Alexandru Phoebus“ kann gleichsam als Phoebus-Kollektion in nuce betrachtet werden, weil sie mit ihren 130 Exponaten das gesamte Schaffen von Alexandru Phoebus in allen seinen Aspekten repräsentiert. Alle Schaffensperioden des Bukarester Künstlers, angefangen von seinen Arbeiten im Kontext der Malerschule von Baia Mare/Nagybánya/Frauenbach über seine künstlerischen Studien in Paris, seine malerischen Reisen durch Rumänien (Siebenbürgen, Moldau, Dobrudscha, Balcic) und Griechenland bis hin zu seinen Bukarest-Bildern und seinen Familienporträts, sind in dieser Ausstellung vertreten. Desgleichen finden sich hier alle seine künstlerischen Techniken (Öl, Gouache, Pastell, Aquarell, Tusche, Bleistift) versammelt, sogar eine Skulptur, eine Porträtbüste aus Gips vom Antlitz seines Künstlerkollegen Basarab Spartali (1899-1968), kann in dieser Ausstellung bewundert werden. Die verschiedenen Bildtypen (ländliche und städtische Landschaften, Genreszenen, Darstellungen des menschlichen Körpers), die Alexandru Phoebus bevorzugte, sind in dieser Ausstellung ebenso zu studieren wie die diversen Kunststile (Postimpressionismus, Avantgarde, Expressionismus, Konstruktivismus, Ästhetik im Stile des Film Noir), in denen Alexandru Phoebus im Laufe seiner Entwicklung um künstlerischen Ausdruck rang.

Ein großer Teil der in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten malerischer wie graphischer Natur sind der Heimatstadt von Alexandru Phoebus, der Stadt Bukarest, gewidmet, in der der Künstler geboren wurde, lebte, arbeitete und starb und von der er einmal bekannte: „Bukarest ist die Stadt, die ich liebte und der ich meine ganze Seele hingab.“ Man könnte mit den Bildern von Alexandru Phoebus einen ganzen Bukarest-Band illustrieren, der die rumänische Hauptstadt von der Zwischenkriegszeit bis in die fünfziger Jahre in all ihren Facetten erstrahlen lässt. Man flaniert mit Alexandru Phoebus durch Bukarester Stadtparks wie den Herăstrău, spaziert durch alte Bukarester Straßen und Stadtviertel, geht den Mărășești-Boulevard, die Olteniței-Chaussee, die Rahova- oder die Țepeș-Vodă-Straße entlang, besucht alte Märkte und Ladenzeilen, bewundert Kirchen (Antim, Ilie-Gorgani, Bărăția) und Plätze (Banul Manta, Regina Maria, Victoriei), durchstreift Passagen und genießt das Flair einer Großstadt, in der auch Industrielandschaften und Armenviertel am Stadtrand nicht fehlen.

Zur sozialen Thematik im Werk von Alexandru Phoebus zählt etwa der Zyklus „Straßenkinderporträts“ (Tusche und Gouache auf Karton) aus dem Jahre 1947 (Mutter und Kind, Vater und Kind, Schlafender Junge, Bettelnder Junge, Rast), und auch im Zyklus „Kriegsszenen“ (1947), ebenfalls aus dem Spätwerk, kommt menschliches Leid und Elend in dunkel-düsterer Farbgebung zum Ausdruck, etwa in dem Bild „Das Desaster“, wo ein maskenhaftes Gesicht, das zu schlafen scheint, in den Wolken thront und auf eine trostlose Landschaft aus Kreuzen, Ruinen und Baumgerippen herabsinnt. Auch das Ölgemälde „Pax“ aus den Jahren 1946 bis 1948 fügt sich in diesen Kontext ein: ein toter Soldat in Uniform ist dort in der Pose des Gekreuzigten in die Bilddiagonale gelegt, im Stile einer Kreuzabnahme, freilich ohne mitmenschliche Hilfe und Anteilnahme.

Die Porträtkunst von Alexandru Phoebus zeigt sich vor allem in seinen Kinder- wie auch in seinen Selbstporträts, von denen etliche in der Bukarester Ausstellung zu sehen sind. Man findet dort wunderbare Kinderköpfe – Parallelen zur Malerei von Nicolae Tonitza tun sich hier auf! –, etwa von Mädchen aus Sâmbăta de Sus bzw. aus Drăguș oder von Jungen aus Făgăraș/Fogarasch, aber auch Phoebus’ einziger Sohn Eugen ist hier zweifach porträtiert: Mit blondem Pagenkopf und durchdringendem Blick aus blaugrünem Augenpaar sowie auf einem Holzstuhl am Fenster sitzend. Auch im Zyklus „Heranwachsende“ (1935-1936) finden sich wunderbare Knabenporträts, die aber durch die Selbstdarstellungen des Künstlers noch übertroffen werden. Das Selbstporträt (Öl auf Sperrholz) aus dem Jahre 1937 zeigt den Maler mit roter Baskenmütze neben seiner Staffelei, wie er den Pinsel geziert, ja affektiert zwischen rechtem Daumen und Zeigefinger hält, als handle es sich um einen Zauberstab. Ein weiteres Selbstporträt aus dem Jahre 1936, ebenfalls mit Baskenmütze und mit offenem Leinenhemd, betont den Schnurrbart, und das Selbstporträt aus dem Jahre 1928 mit halb geöffneten Lippen und Augen und mit zurück gebogenem Kopf, das Haupt von zwei Bäumen gerahmt, zeigt den Künstler in einem visionären und gleichsam entrückten Zustand.

Genreszenen aus Siebenbürgen, Ansichten aus dem Prahova-Tal (Predeal, Azuga, Bușteni), Hafenbilder aus Giurgiu und Oltenița, Landschaften aus Balcic, Strandbilder aus Eforie verbinden sich in dieser Ausstellung mit Bildern aus Paris (im Stile Palladys) oder mit Ansichten aus Saloniki, die Alexandru Phoebus während seiner Griechenland-Reise 1931 geschaffen hat. Aktdarstellungen runden das breite Spektrum von Alexandru Phoebus’ Malerei und Graphik ab. In allen Werken aber genießt man die Farbenfreude und den Kontrastreichtum, die den Gang durch diese Bukarester Ausstellung zu einer belebenden und erhebenden Erfahrung machen.