Design made in Rumänien

Die Galerie Epretext versucht die Norm des Gewöhnlichen zu durchbrechen

Hohe Endpreise für Designer-Keramik und Dekoration. Eine Investition, die sich nicht jeder leisten kann in Rumänien – und wer es kann, dem fehlt oft noch das Verständnis für die handgefertigten Produkte. | Fotos: Epretext

Armstuhl, hergestellt von Askia

Epretext bietet alles, was man zum Wohnen braucht. Selbst Spielzeuge aus Holz, wie dieses, das an das berühmte Werk von Constantin Brâncuși „Tisch des Schweigens“ angelehnt ist.

Fast endlos schien das Unitäre. Im rumänischen Sozialismus erstrebte man eine nahezu absurde Gleichheit aller, ohne Raum für eine Vielfalt, die aus dem Einzigartigen entspringen kann. Das drückte sich nicht selten in den stets gleichen Wohnzimmern der Rumänen aus, die kaum eine große Auswahl beim Kauf von Einrichtungsgegenständen hatten. Dann kam die Wende und 30 Jahre später kann man von der Qual der Wahl sprechen. Und tatsächlich: Das Postsozialistische Milieu ist wenig kohäsiv. Aber auch nicht so bunt, wie man denken und hoffen würde. Ironischerweise hat der Kapitalismus vielerorts das geschafft, was sich der Sozialismus vorgenommen hatte. Dieselbe Wohneinrichtung wie beim Nachbarn?

 Gewollt so. Eine Entscheidung mit Absicht – manchmal statusgetrieben, oft aber einfach nur, weil das Marketing überzeugte. Gut verkaufte Massenware bringt die im Sozialismus angestrebte Uniformität zurück. Ein Problem, womit sich Künstler schon vor hundert Jahren in westlichen Ländern auseinandersetzten. Walter Gropius hatte schon 1919 genug von der Fließbandware, welche das Leben der Deutschen überschwemmte. Denn Massenware hat noch einen Nachteil: Sie ist oft von geringer Qualität. Dadurch ist sie zwar für jeden zugänglich, die Handwerkskunst wird allerdings unterminiert. Die Gründung der Bauhaus-Schule führte unter anderem zur Geburt des modernen Designs. Und sein Einfluß hat auch Rumänien erreicht. 2021 findet man das, was Gropius pries, auch in Temeswar/Timișoara wieder: Design-Gegenstände, preislich etwas abseits von Ikea und Co., dafür aber einzigartig und direkt von der Quelle. 

Epretext made in Romania

Epretext hat als Galerie rumänisches Design in den Vordergrund des Alltäglichen gebracht. Zuerst mit Ausstellungen im öffentlichen Raum und inzwischen mit einem eigenen Laden und einer Webseite, um die ausgestellten Designs nicht nur zu zeigen, sondern auch Interessenten die Möglichkeit zu bieten, Besitzer der Kreationen zu werden. 

„Ich habe mir schon immer qualitatives Design um mich herum gewünscht. Freude hat nichts mit dem Vulgären zu tun“, so Adela Maria Marius, Gründerin von Epretext. „Wir müssen aufhören, auf den anderen zu schauen, zu imitieren aufgrund einer übertriebenen Sucht nach Status. Eleganz, Raffinesse und eine Unbekümmertheit können ein Zuhause ausmachen. Pomp wird niemals ein simples, zeitloses Design übertrumpfen können. Das Vulgäre ist vergänglich.”

Die Architektin hat zusammen mit ihrem Partner, dem Galeristen Andrei Peter Jecza, die Galerie Epretext 2019 gegründet. Hier trafen sich zwei Welten: Jecza besitzt seine eigene Galerie für zeitgenössische Kunst und hat sich zur Aufgabe gemacht, moderne rumänische Kunst im Westen bekannt zu machen. Marius studierte unter anderem Architektur an der Bauhaus Schule Berlin. Sie möchte modernes Design aus Rumänien sowohl im eigenen Land als auch im Ausland fördern. 

„Guter Geschmack kann gelernt werden”, so die Architektin. „Entweder in der Familie, in der man aufwächst, oder indem man viel reist, viel sieht. Aber wir können Rumänien kaum mit anderen Ländern vergleichen. Rumänien ist ein Land, das viel durchgemacht hat. Ich glaube, dass wir eine Übergangs-Generation sind. Anders als unsere Eltern, reisen wir mehr und können das, was wir auf unseren Reisen finden und lernen, nach Hause zurückbringen und anwenden.”

Seit diesem Herbst gibt es auch einen offiziellen Laden, wo die Architektin Kunden berät, so wie ein Galerist. Dabei geht es nicht allein um den Kauf der Design-Gegenstände, viele erhoffen sich auch Beratung. 

Mit fast 40 rumänischen Designern und Künstlern arbeitet Epretext zusammen. Die offizielle Webseite bleibt weiterhin die wichtigste Anlaufstelle für neue und alte Kunden. Im Sortiment findet man alles, was das Herz begehrt: Möbel, Beleuchtung, Teppiche, Keramiken, Skulpturen, sogar Spielzeuge aus Holz, Bücher und Kleidung. 

Design hat seinen Preis

Erschwinglich sind die Produkte kaum, dafür aber einzigartig. Hier wird klar eine Nische bedient. „Ich wusste anfangs nicht, wer meine Zielgruppe sein wird”, so Marius. „Inzwischen weiß ich, dass es junge Familien sind, mit Ehepaaren in den 30ern bzw. 40ern, die ein aktives Interesse für Design und Kunst zeigen. Ich habe faszinierende Menschen kennen gelernt und mein Bild von den Menschen bei uns hat sich drastisch geändert. Es gibt durchaus Menschen, die etwas bewegen möchten, die im Ausland studiert haben, die einen guten Geschmack haben, mit Idealen und dem Wunsch, in einer besseren und schöneren Welt zu leben.” 

In den Räumlichkeiten der Kultureinrichtung „FABER“ hat auch Marius den idealen Ort gefunden für den ersten Epretext-Shop. 

Das Konzept wird mittels Ausstellungen beworben. Zusammenarbeit mit wichtigen lokalen Akteuren, unter anderem auch mit der Stiftung Art Encounters, welche Temeswars Biennale veranstaltet, sorgt für Reichweite. 

Diejenigen, die bereits an Epretext und den von ihr vertretenen Künstlern und Designern interessiert sind, bleiben den Veranstaltungen treu. Neue Kunden zu gewinnen ist die Herausforderung. Nicht nur die Preise spielen dabei eine Rolle, sondern auch weiterhin die kulturellen Hürden. Wie in vielen kreativen Branchen fehlt dem Experten die notwendige Anerkennung. Somit scheitern oft Projekte, wie etwa die Innengestaltung eines Hauses, an der Kommunikation zwischen dem Kunden und dem Architekten oder Designer. „Ich glaube, wir müssen uns angewöhnen, die Dinge so zu machen, wie man sie machen müsste”, meint die Architektin. „Viele Menschen möchten es schnell und billig machen und auf ihre Weise. Was oft dabei rauskommt: Sie haben viel mehr Geld investiert, es hat viel mehr Zeit beansprucht und ihren eigenen Erwartungen sind sie trotzdem nicht gerecht geworden. Wenn wir ein schönes Haus betrachten oder eine Räumlichkeit, in der wir uns wohl fühlen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass oft jemand mit Erfahrung, jemand vom Fach, seine Finger im Spiel hatte. Der Designer möchte nicht dem Kunden eine Vision auferlegen, er ist viel mehr ein Kompass. Er hilft dabei, dass man nicht vom ursprünglichen Pfad abkommt – was durchaus passieren kann, wenn man Abkürzungen sucht – und dass man tatsächlich am Ziel ankommt.”

Darum glaubt auch Adela Maria Marius, dass die Geldfrage zweitrangig ist. Letztendlich ist es eine Frage, was ein Mensch für wichtig erachtet und ob er den wahren Wert versteht. Eine subjektive Frage, aber eine, die sich junge Menschen zunehmend stellen, besonders in größeren rumänischen Städte wie Temeswar. Junge Menschen, die inzwischen besser verdienen und sich entsprechend ihres Berufes und ihres Umfeldes umorientieren möchten. Die Kluft zwischen dem Westen und dem Osten wird immer schmaler. Ironischerweise wird die Welt immer uniformer. Die große Zielsetzung des Sozialismus blüht im modernen Kapitalismus auf. Das kann gut und schlecht sein. Wichtig bleibt die persönliche Haltung gegenüber dem Angebot einer Konsumgesellschaft. Letztendlich müssen alle Kuratoren werden, so wie Epretexts Adela Maria Marius. Denn schließlich müsste man langsam von der Qual der reichen Auswahl wegkommen.