Deutsche Kultur mit Sonnenschein im Herzen

60 Jahre Schillerhaus: eine Jubiläumsfeier der Superlative

Drei „Blumenmädchen“ und ein Rosenkavalier: Carmen Cobliş, Aurora Fabritius, Mariana Duliu, Erwin Ţigla

Unbestrittener Höhepunkt: der Schuhplattler der Tanzgruppe „Sonnenschein“ (Moineşti)

Bezaubernde Tanzgruppe „Ringelreihn“ aus Bacău

Spontane Tanzeinlage zum Radetzkymarsch der Gruppe „Karpaten Show“

Momenteindrücke im Rückblick: Drei Damen strahlen um die Wette, in den Armen ein Blumengebinde – Mariana Duliu, Carmen Cobliş, Aurora Fabritius. Daneben der Rosenkavalier mit verschmitztem Gesicht – Erwin Josef Ţigla. Der Blick gleitet die Wände entlang: ein Pilz, dem ein Zug samt Gleisen entspringt; ein Dorf auf einer Apfel-Insel; ein Schiff, das den ganzen Raum des Mini-Sees ausfüllt – naive Malerei als Feuerwerk an Farben. Sie konkurrieren mit der üppigen Dirndl-Pracht: bunte Schürzen, samtene Wämser, filigrane Spitzen. Irgendwann wirbeln Beine und Röcke durch die Lüfte, Zöpfe lösen sich, haltlos gewordene Hosenträger schlenkern umher. Fulminanter Höhepunkt ist der Schuhplattler der Tanzgruppe „Sonnenschein“ aus Moineşti, der Begeisterungsstürme auslöst: Paarweise versohlen sich die Burschen gegenseitig, einer stehend, einer kopfüber hängend, die Beine um die Mitte des Partners geschlungen, sodass jeder kräftig auf die Hinterfront des anderen hauen kann. Zwei Tage wurde gefeiert zum Anlass des 60. Jubiläums des Bukarester Kulturhauses „Friedrich Schiller“: am 26. Mai mit Festakt und Ansprachen, am 27. Mai im Dorfmuseum mit deutschen Tanz- und Musikgruppen, vorwiegend aus dem Altreich und aus dem Banater Bergland.

„Jedes Kulturinstitut ist nur so gut wie seine Partner“

Die Dankesliste an Unterstützer des Schillerhauses in der Eröffnungsrede von Direktorin Mariana Duliu beginnt mit dem Bukarester Rathaus, dem Kulturministerium, dem Departement für interethnische Beziehungen an der rumänischen Regierung (DRI), der Evangelischen Kirche, der Deutschen und Österreichischen Botschaft. Das Jubiläumsjahr hätte passender nicht fallen können, trifft es doch mit gleich mehreren Jubiläen zusammen, die Deutsche und Rumänen verbinden, bemerkt Unterstaatssekretärin Christiane Cosmatu (DRI): 50 Jahre seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 25 Jahre deutsch-rumänischer Freundschaftsvertrag und 10 Jahre EU-Mitgliedschaft Rumäniens. Uwe Koch, Leiter des Kulturreferats der Deutschen Botschaft Bukarest, würdigt unter anderem die Partnerschaft des Schillerhauses mit dem Goethe-Institut, weil Sprache Verständnis für deutsche Kultur und deutsches Denken weckt: „Jedes Kulturinstitut ist nur so gut wie seine Partner, weil es mit diesen auf einer breiten Palette des kulturellen Lebens aktiv sein kann“. Die Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen (DFDR) im Altreich, Dr. Klaus Fabritius, und im Banater Bergland, Erwin Josef Ţigla, lobt er als „Exponenten des deutschen Kulturlebens“, Aurora Fabritius für die Vielfalt der von ihr organisierten Veranstaltungen.

Dr. Klaus Fabritius erinnert daran, dass das Schillerhaus und das ungarische Kulturhaus „Sandor Petöfi“ die einzigen staatlichen Kulturhäuser für Minderheiten sind, alle anderen sind private Einrichtungen. Seit 1992 befindet sich das Altreich-Forum in den Räumen des Schillerhauses, gemeinsame Interessen bedingten eine ausgezeichnete Kooperation.
Erwin Josef Ţigla erinnert an seine erste Zusammenarbeit mit dem Schillerhaus: 1990, zum Anlass der inzwischen jährlichen Ausstellung „Kinder malen ihre Heimat“. Zur Jubiläumsfeier ist er diesmal mit drei Künstlern der naiven Malerei aus Reschitza angereist, deren Werke die Wände zieren: das Ehepaar Doina und Gustav Hlinka und Viorica Farkaş. Beide Damen haben als Schülerinnen Gustav Hlinkas begonnen, heute sind alle drei auf internationalem Niveau bekannt. Im zweiten Raum bietet die Fotoausstellung „Menschen und Traditionen“ von Dr. Klaus Fabritius einen Querschnitt deutscher Trachten, eingefangen auf Veranstaltungen im In- und Ausland.

Die ADZ war als langjähriger Partner des Schillerhauses durch Chefredakteurin Rohtraut Wittstock vertreten. Wie sich das Schillerhaus im Laufe der Jahre vom Kursort und Treffpunkt der Deutschen auch zur Plattform für interkulturelle Kommunikation entwickelte – und damit den Anforderungen der Zeit anpasste – zeigt die Textautorin in einem Kurzvortrag, basierend auf in der ADZ veröffentlichten Artikeln. Schauspieler Oswald Gayer erinnert auf humorige Art an die schöne Zeit des Kellertheaters im Schillerhaus. Er schließt mit einem Plädoyer zur erneuten Etablierung einer Theatergruppe: Nichts eigne sich besser, Deutsch zu lernen! Carmen Cobliş, Geschäftsführerin des Regionalverbandes der Foren im Altreich, fügt der Reihe der Jubilare einen weiteren hinzu: Die Musikgruppe „Zwei mal Zwei“ aus Bacău feiert zehnjähriges Bestehen. Das anschließende Musikprogramm bestreiten Marianne Chirilovici (Gesang) und Lucian Duca (Gitarre) von der Reschitzaer Gruppe „Intermezzo“ sowie die hauseigene Blaskapelle „Karpaten Show“.

Keine Sonne – dafür Schuhplattler, Jodler und Ballett

Carmen Cobliş moderiert durch den zweiten Tag der Feier – wegen strömenden Regens von der Freilichtbühne in den Festsaal des Dorfmuseums verlegt –, zu der Musik- und Tanzgruppen aus Reschitza, Bacău, Moineşti, Piatra Neamţ, Jassy und Bukarest angereist waren. „Intermezzo“ läutet das dreistündige Programm ein, die fünfköpfige Formation wurde 2016 auf Initiative des Forums Karasch-Severin gegründet. Es folgt die Tanzgruppe „Enzian“ aus Jassy/Iaşi, 2014 mit Schülern der 6. Klasse der Grundschule „Alexandru cel Bun“ zusammengestellt. Mittlerweile besuchen sie das Lyzeum und die Gruppe gehört zum Jassyer Forum. Als besondere Überraschung kündigt Cobliş den Solosänger Cătălin Motei an. Der Schüler der 10. Klasse gehört auch zur Tanzgruppe „Sonnenschein“ aus Moineşti. Mit warmer Stimme präsentiert er Klassiker wie „Rot sind die Rosen“ oder „Du kannst nicht immer 17 sein“.  Die Tanzgruppe „Ringelreihn“ aus Bacău – gegründet 2012, mittler-weile fand ein Generationswechsel statt – beeindruckt mit schwierigen Hebefiguren und einer spektakulären Kreisformation, in der die Mädchen fast am Boden liegen, die Füße zum Mittelpunkt gestreckt, an den Armen gehalten von den Burschen. Bald lösen sich Zöpfe, ein Röckchen reißt aus dem Bund, gibt den Blick auf ein Ballett-Trikot darunter frei. Die Moderatorin bestätigt, was schon aufgrund der Darbietung zu vermuten war: Es sind die Schüler einer Ballettklasse.

Durch besonders witzige Lieder zeichnet sich die Gesangsgruppe „Edelweiß“ aus Piatra Neamţ aus. „Schätzel ade“ oder „Anneliese, warum bist du böse auf mich“ schmettern sie im Refrain. Die Tanzgruppe „Sonnenschein“ aus Moineşti ersetzt, was dem Wetter fehlt – ebendiesen: Höhepunkt ist der witzige Schuhplattler – weh dem, der es nicht rechtzeitig schaffte, auf den Auslöser zu drücken! Gegründet wurde die Gruppe 2013 von Alina Popa als Folge des Projekts „Deutsch-Club“ im theoretischen Lyzeum „Spiru Haret“. Die Lehrerin verstand es, die Schüler so zu begeistern, dass bald eine zweite Gruppe – insgesamt mit 18 Mitgliedern – entstand. Die Vokal-Instrumentalgruppe „Zwei mal Zwei“ aus Bacău begann 2007 als „Duo Zwei“. 2011 avancierte sie zum Trio „Zwei Plus“ und führte als Quartett 2016 die Mathematik weiter, um der Marke „Zwei“ treu zu bleiben. Ihre Spezialität: Jodler und die „Sauerkrautpolka“. Den tänzerischen Abschluss bildet „Enzian“, diesmal aus Reschitza. Der Name der Alpenblume soll an die Herkunft der Banater Berglanddeutschen aus der Steiermark erinnern. Musikalisch bildet die Bukarester Blaskapelle „Karpaten Show“ das Finale. Als der schmissige Radetzkymarsch erklingt, gibt es noch einen überraschenden Auftritt: Dem Schuhplattler stehlen sie zwar nicht die Schau, doch als Tanzpaar begeistern sie durchaus – Fotograf George Dumitriu hatte sich spontan Carmen Cobliş geschnappt und wirbelt die Moderatorin, die sich als gute Tänzerin entpuppt, schwungvoll vor allen durch den Saal. Wenn Deutsche feiern, geht es lustig zu – doch ein Tropfen rumänisches Blut hat noch nie geschadet.