Die Anfänge der modernen Malerei in Siebenbürgen

Eine Ausstellung in Klausenburg zeigte auch sächsische Künstler

Zwei Gemälde, die die Vielfalt der siebenbürgischen Malerei der Zwischenkriegszeit illustrieren: Links das „Porträt des Schauspielers Kurt Wolfgang Wolff“ von Grete Csaki-Copony (1920), rechts das „Selbstporträt mit Zigarette“ von Hans Eder (1930)

Im Mai des Jahres 1896 kam eine Gruppe von Künstlern und Malereistudenten aus München in Nagybánya/Baia Mare/Neustadt an – der Maler Simon Hollósy hatte sie in die Hauptstadt seiner Heimat Maramuresch eingeladen, um hier gemeinsam in Ruhe ihrer Kunst nachzugehen. Als Betreiber einer privaten Malschule hegte er ein Interesse für den französischen Impressionismus, was von der Münchner Akademie der Künste nicht gerne gesehen wurde, ihm wiederum war der akademische Betrieb verhasst – eine Künstlerkolonie sollte die freie Entfaltung seiner künstlerischen Ideen ermöglichen. Damit war der Grundstein für eine eigenständige siebenbürgische Malerei gelegt.

Die Bedeutung und das schöpferische Potenzial peripherer Regionen wurde in der Kunstgeschichte erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt; dabei ist Siebenbürgen ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie fernab der Zentren des Kunstlebens neue Bildsprachen mit spezifischen Nuancen erschaffen wurden, schreibt Judit Boros im Begleittext zur Ausstellung über die siebenbürgische Malerei, die im Sommer im Kunstmuseum Klausenburg zu sehen war. Die Multikulturalität der Region, durch die die Kunstschaffenden einander Verbindungen zu unterschiedlichen westeuropäischen Zentren der Kunst ermöglichten, entwickelte sich in der Zwischenkriegszeit weiter: Denn nachdem Hollósy selbst weiter nach Técsö (heute Tiachiv, Ukraine) gezogen war, blieben die Malerinnen und Maler und gründeten eine freie Malschule, die bis 1927 weiterbestehen sollte.

Von der Malschule von Baia Mare sollten zwei künstlerische Revolutionen in Rumänien ausgehen – die erste betrifft die Landschaftsmalerei; die zweite, spätere, die Aufnahme von Einflüssen aus dem französischen Fauvismus, dessen starke Farbkontraste auch die moderne ungarische Malerei radikal veränderte. Vor allem vor dem Ersten Weltkrieg bestanden enge Verbindungen zwischen der ungarischen Künstlerkolonie und der französischen Hauptstadt – in Paris wurde ausgestellt, was in Baia Mare gemalt wurde, und was man in Paris gesehen hatte, inspirierte zu in Baia Mare geschaffenen Werken.

Der Erste Weltkrieg bzw. die anschließende Neuordnung der politischen Lage sollte diesen Kontakt weitgehend unterbinden – vorher nicht dagewesene Staatsgrenzen mussten nun überwunden werden. Dies gilt vor allem für die Kontakte nach Budapest, schließlich fand man sich unversehens im Staat Rumänien wieder. Die ungarischen Künstlerinnen und Künstler sahen ihren Auftrag nun auch darin, eine Säule der ungarischen Kultur darzustellen, so Kurator Attila Jakob, der durch die Ausstellung im Klausenburger Kunstmuseum führte. Diese umfasste Gemälde aus Beständen des Klausenburger Kunstmuseums selbst, aber auch aus dem Kunstmuseum von Neumarkt am Mieresch/Tg. Mureș und der Sammlung von Dr. Josef Böhm aus Freiburg. So zeigt sich deutlich die Vielfalt der Motive, Themen und Techniken, derer sich die siebenbürgischen Malerinnen und Maler bedienten – gleichzeitig lässt sich an den Werken ablesen, welch starken Einfluss sie aufeinander ausübten. Attila Jakob erzählt von einem Kunstkritiker, der ein Bild von Petre Abrudan zunächst Sándor Ziffer zuschrieb – so nahe waren sich die beiden zeitweise künstlerisch.

In den 1920er Jahren rumorte es in der Gemeinschaft von Baia Mare: Viele Angehörige der Gründergeneration beharrten auf den althergebrachten Motiven, vor allem Landschaften und Stillleben, sowie dem ursprünglich für die Kolonie klassischen spät-impressionistischen Stil – der nun ein wenig aus der Zeit gefallen wirkte: „Ihre Bilder, gemalt im Stil des Spätimpressionismus, waren geprägt von einem idealisierten Frieden, einer nostalgischen Evokation einer untergegangenen Welt“, schreibt Judit Boros. Andere dagegen experimentierten laut Attila Jakob mit Techniken, Farben und Motiven und gaben sich dem Dynamismus hin, der allgemein die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts prägte. Sie griffen die avantgardistischen Strömungen auf, die mit etwas Verspätung aus den Zentren des europäischen Kulturlebens in die siebenbürgische Peripherie überschwappten: Der Fauvismus oder Kubismus aus Frankreich etwa, oder der Expressionismus aus Deutschland – aber auch dessen Gegenströmung, die Neue Sachlichkeit. Dies ist auch der guten Verbindung nach Berlin gedankt, die gerade die Malerinnen und Maler aus der deutschsprachigen Minderheit hegten. Unter ihnen waren etwa Hans Mattis-Teutsch oder Hans Eder, die sich in dieser Zeit dem Expressionismus verschreiben. Dies sorgt natürlich bei der älteren Generation teilweise für Unverständnis – bei denen also, die ihrerseits einst vor den althergebrachten Kunstauffassungen  geflüchtet waren.
1925 wurde die „Școala de Belle-Arte“ in Klausenburg gegründet – deren Studierende verbrachten den Sommer in Baia Mare (wie auch diejenigen anderer Kunsthochschulen), und lernten bei den dort  etablierten Künstlerinnen und Künstlern verschiedene Strömungen kennen. Dies sollte sich erst in den 1930er Jahren ändern, als aus der freien Schule die „Școala Liberă de Arte Frumoase din Baia Mare“ wird und die Hochschulen ihre Studierenden lieber nach Baltschik – damals Großrumänien zugehörig –  schickten.

Obwohl sächsische Malerinnen und Maler – etwa Hans Eder, Fritz Kimm, Margarete Depner, Grete Csaki-Copony, der bereits genannte Hans Mattis-Teutsch oder Henri Nouveau (mit bürgerlichem Namen Heinrich Neugeboren) – einen wesentlichen Beitrag zur Herausbildung der modernen siebenbürgischen Malerei geleistet hatten, wurde ihnen in der Kunstgeschichte keine zentrale Position zugeschrieben, meint Attila Jakob. Er erklärt dies mit dem nationalistischen Zugang zur Kunst, der die folgenden Jahrzehnte prägen sollte: In Rumänien nahm man sich der rumänischen Kunstschaffenden an, in Ungarn der ungarischen – für sächsische, ebenso wie für jüdische Künstlerinnen und Künstler, interessierte sich niemand so recht, viele wurden der Bedeutungslosigkeit preisgegeben. Zahlreiche Werke seien heute in Privatbesitz und in beklagenswertem Zustand, da die Besitzerinnen oder Besitzer nicht über die Mittel oder Kenntnisse verfügten, sie sachgemäß aufzubewahren, so Jakob Attila. Es wäre deswegen eine große Herausforderung, eine Ausstellung mit ausschließlich Werken siebenbürgischer Malerinnen und Maler aus der deutschsprachigen Minderheit zusammenzustellen – dennoch wünscht sich der Kurator genau eine solche, um fast vergessene Namen und Bilder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.