Die Geschichte des Salzes in der Bukowina

ADZ-Reihe „Kultur der Vielfalt“– Teil 5/6: Die Polen in Cacica und Solonețu Nou

So wurden früher Salzblöcke in der Saline transportiert.

Begrüßung im „Dom Polski“...

Salzskulpturen von Bolek Maierik an den Stollenwänden

Bunte Blumenkränze auf Mädchenhäuptern, Holzperlenketten, paillettenbestickte Kleider. Schwarze Afinata mit ganzen Heidelbeeren drin, würzige Saure-Gurken-Suppe, Kartoffel-Piro{ti, eine riesige Aufschnittplatte mit Hausmacher-Wurst, Rollbraten und Sülze. Die  Salzmine - weißes Gold: mit Kapelle, Ballsaal und Hochzeitsfloß, einem Lager zum Reifen von Käse. Die katholische Kathedrale mit der wundertätigen Schwarzen Madonna. Zwei Kirchen, in denen der Papst nicht fehlen darf, einmal als große Statue davor, einmal als kleine Altarfigur, doch immer ist es Johannes Paul II., der heilige Vater aus Polen. Nicht nur der Bauch, auch Herz und Seele sind immer noch übervoll von Eindrücken beim Besuch bei den Polen in Cacica und Solonețu Nou. Ihre Geschichte ist auch die des Salzes in der Bukowina. 

Bunte Blumenkränze auf Mädchenhäuptern, Holzperlenketten, paillettenbestickte Kleider. Schwarze Afinata mit ganzen Heidelbeeren drin, würzige Saure-Gurken-Suppe, Kartoffel-Piro{ti, eine riesige Aufschnittplatte mit Hausmacher-Wurst, Rollbraten und Sülze. Die  Salzmine - weißes Gold: mit Kapelle, Ballsaal und Hochzeitsfloß, einem Lager zum Reifen von Käse. Die katholische Kathedrale mit der wundertätigen Schwarzen Madonna. Zwei Kirchen, in denen der Papst nicht fehlen darf, einmal als große Statue davor, einmal als kleine Altarfigur, doch immer ist es Johannes Paul II., der heilige Vater aus Polen. Nicht nur der Bauch, auch Herz und Seele sind immer noch übervoll von Eindrücken beim Besuch bei den Polen in Cacica und Solonețu Nou. Ihre Geschichte ist auch die des Salzes in der Bukowina. 

Zeitsprung weit zurück: Die sumpfige Graslandschaft ist von Tümpeln übersät. Enten überall. Die Bewohner wundern sich über das salzige Wasser und merken schnell, dass es Wunden heilt, Essen konserviert und in Tierblasen abgefüllt ein gutes Tauschpfand auf dem Markt hergibt. Das Salz aus dem Bauch der Erde, das das Wasser nur an der Oberfläche anlöst, galt schon in der Antike als pures weißes Gold! 

Doch erst seit 1791, die Bukowina stand damals unter Habsburger Herrschaft, wird das Salzlager gezielt ausgebeutet. Polnische , ukrainische und deutsche Bergleute erschließen diese Kunst vor Ort. Mit Hammer und Meißel schlagen sie sich tief in den Salzstock hinein. So beginnt die Geschichte der Einwanderung der Polen in Cacica. Der erste Eindruck der Ankömmlinge: Entengeschnatter überall! Die Leute nennen den Ort, an dem sie sich niederlassen sollen, liebevoll Cacica – von Kazka, Ente auf Polnisch. 

Ein Universum aus Salz

Die ausgetretenen Holzbohlen, auf denen wir in die Salzmine hinuntersteigen (siehe auch ADZ-Online vom 29. Dezember 2016: „Weißes Gold, schwarze Madonna“), stammen noch aus dieser Zeit, sie sind über 200 Jahre alt. Die Mine ist bis heute in Gebrauch. Sie ist die einzige in Rumänien, in der extrafeines, rekristallisiertes Tafelsalz hergestellt wird. Seit 1956 wird das Salz nicht mehr in Blöcken abgebaut, die in Fässern auf Schienen transportiert wurden, wie das Museum in der Saline zeigt. Die Ausbeutung geschieht durch unterirdische Sonden, in die ab 90 Metern Tiefe Wasser mit hohem Druck eingeleitet wird, um den Stock anzulösen. Die gesättigte Salzlösung wird dann hochgepumpt und verdampft. Zurück bleibt feinstes Kristallsalz, 50 bis 60 Tonnen alle acht Stunden. Experten schätzen, dass der Vorrat noch rund 500 Jahre reicht. Der starke Dieselgeruch, der uns in der Mine auf Schritt und Tritt begleitet, ist tatsächlich ein Lösungsmittel, das die Stabilität des Stocks gewährleisten soll, wie die polnische Reiseführerin Ioana Croitoru erklärt.

Untertage: Ringsum ist alles aus Salz. Wir atmen Salz. Es riecht nach Salz. Wir laufen auf dem Salz, vorsichtig bedacht, nicht auszurutschen, es sieht aus wie Glatteis. Wir bestaunen die Reliefs des polnischen Künstlers Bolek Maierik aus Ple{a an den Stollenwänden aus Salz: Adam und Eva, Stefan der Große, biblische Figuren und Inschriften. Halten in 21 Metern Tiefe vor der katholischen Kapelle der heiligen Barbara an, der Schutzpa-tronin der Bergleute: Altar, Kreuz, alles aus Salz. Hier haben die polnischen Bergarbeiter vor dem Abstieg um Schutz und Segen gebetet und nach getanem Tagewerk gedankt. Als es die Treppe noch nicht gab, sind sie an Seilen in Flechtkörben in die Tiefe heruntergelassen worden. Jedes Jahr am 4. Dezember, dem Tag der heiligen Barbara, hielten drei Pfarrer – ein katholischer, ein orthodoxer und ein ukrainischer – dort einen Gottesdienst. Später wurde für die rumänischen Arbeiter eine eigene orthodoxe Kapelle in 35 Metern Tiefe in den Salzstock gehauen.

Das Bergwerk war den Menschen Alltag und Arbeit, aber auch Stätte des Glaubens und Lebens. Ob sie beim Tanzen im Ballsaal in 41 Metern Tiefe oder bei der Fahrt mit dem heute kristallverkrusteten Hochzeitsfloß über den kleinen Salzsee Anoraks getragen haben, wie wir? Es hat beständige zehn Grad in der Saline. Wer sie im Sommer besuchen will, sollte dies bedenken. In 75 Metern Tiefe, dort, wo heute eine Sportanlage und ein Spielplatz mit hölzernen Schaukeln und Sitzbänken für Kurgäste zur Verfügung steht, die in der salzgeschwängerten Luft ihre Lungenleiden auskurieren, reifte früher Käse, der sich in der salzigen Kühle hervorragend hält. Dort riecht es auch nicht mehr nach dem Lösungsmittel. 

Cacica: Erste Einwanderunswelle aus Polen

Die Geschichte der Bukowiner Polen ist eng mit dem Salzabbau verbunden. Einige Dutzend Bergarbeiterfamilien aus Galizien ließen sich 1791 hier im Norden der Moldau nieder. Die Mine in Cacica bauten sie nach den Vorbildern aus ihrer Heimat. Mit der Zeit entwickelten sich weitere Dörfer rings um die Saline. Dort siedelten sich Polen, aber auch Ukrainer, Rumänen und Deutsche an. 1918 wurde eine Schule in Cacica gegründet, in der man in vier Sprachen rund hundert Kinder unterrichtete: Polnisch, Deutsch, Rumänisch und Ukrainisch.

Unweit von Cacica legten 1834 weitere polnische Einwanderer, rund 30 Familien, die Basis für den Ort Solone]u Nou. 24 Familien ließen sich ein Jahr später im heutigen Ple{a nieder. 1842 entstand Poiana Micului mit 40 Familien aus dem Krakauer Viertel Nowa Huta. Polnische Siedler gründeten auch Moara und P²ltinoasa, wo heute noch rund 250 Mitglieder dieser Minderheit leben.

Die erste überirdische Kirche entstand in Cacica 1810. In die kleine Holzkirche holten sich die Gläubigen einen großen Schatz aus Polen: die Ikone der als wundertätig geltenden Schwarzen Madonna von Czestochowa/Tschenstochau. Heute ist sie das Glanzstück der 1904 errichteten katholischen Kathedrale und zieht Jahr für Jahr am 15. August, dem Tag des Entschlafens Mariens, Pilger aus aller Welt an, vor allem aber aus Polen. Von der Heilkraft der Madonna zeugen zahlreiche später zum Dank dargebrachte silberne Amulette, die Hände, Füße, Augen, Herzen oder andere geheilte Körperteile darstellen.

Vor allem seit dem Besuch des polnischen Papstes Johannes Paul II. im Jahr 2000 gilt Cacica als bedeutendes Pilgerziel, die Kirche wurde in den Rang einer Basilica Minor erhoben. Damals wurde auch die Schwarze Madonna restauriert und eine Statue des Pontifex vor der Kirche enthüllt. Hinter dem Sakralgebäude befindet sich eine symbolische Nachbildung der Grotte von Lourdes.

Die täglichen Gottesdienste werden in rumänischer Sprache abgehalten, an Sonntagen auch auf Ukrainisch (9 Uhr), Polnisch (10 Uhr) und Rumänisch (11.30 Uhr).  Am 14. und 15. August, dem Tag der Kirchweihe, sowie am 7. und 8. Oktober, zum Tag „Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz“, findet die Liturgie auch in Polnisch, Ukrainisch und Deutsch statt, wie Pfarrer Anton Marandescu erzählt.

Solonețu Nou: Besiedlung gegen Räuberbanden

Die polnischen Einwanderer, die 1834 -1842 die Siedlungen Solonețu Nou, Pleșa und Poiana Micului gründeten, sollten nach Vorstellung der Habsburger die Grenzlinie zwischen Solca und Gura Humorului bevölkern und verteidigen, wo damals Haidukken ihr Unwesen trieben. Die nach und nach in der Einöde entstehenden Siedlungen, die Rodungen, Landwirtschaft und Viehzucht nach sich zogen, drängten die Räuberbanden tatsächlich zurück. 

Die Bewohner von Solonețu Nou stammen aus der polnischen Region Czadca an der Grenze zur Slowakei. Der Name des Dorfs wurde vom Flüsschen Solone] entlehnt. Zwischen 1937 und 1940 gründeten katholische Missionare, wie zuvor in Cacica, auf dem Hügel in der Dorfmitte eine Kirche, die dem Herabsteigen des Heiligen Geistes geweiht wurde. Sie entstand an der Stelle der früheren Holzkapelle.  Das ursprüngliche Projekt, größer und teurer mit mehreren Türmen konnte aus Geldmangel nicht realisiert werden. Doch 1983 wurde angebaut, 2000 renoviert und vier Glocken aus Krakau gekauft, 2012 die kostbaren bunten Glasfenster aus Polen eingesetzt.

Heute beherbergt diese Kirche drei verschiedene Altäre, die aus verlassenen Kirchen der von Hitler „Heim ins Reich“ geholten Buchenlanddeutschen stammen, wie Pfarrer Stanislav Cucharec erzählt. Sie stammen aus katholischen und evangelischen Kirchen in Solca und Arbore. Auch die Geschichte dieser Deutschen ist eng mit dem Salz der Bukowina verknüpft, wie Cucharec später zu erzählen weiß... 

Für die heute noch rund 850 Seelen in Solone]u Nou werden die täglichen Gottesdienste auf Rumänisch und Polnisch abgehalten. Die polnische Gemeinschaft beklagt auch hier den üblichen Schwund: Viele junge Leute sind ins Ausland abgewandert, andere haben gemischte Familien gegründet. Bis vor sieben Jahren gab es hier noch einen erzkonservativen polnischen Pfarrer aus Bessarabien, erzählt Cucharec, der sich stark für die Bewahrung der polnischen Identität einsetzte und gemischte Ehen entmutigte. Heute, in einer globalisierten Welt, sei dies nicht mehr zeitgemäß, doch dank ihm haben sich in der kommunistischen Zeit trotz heftiger Assimilierungsbemühungen des Staates die polnische Sprache und die Kontakte nach Polen erhalten.

Identität, Sprache und Brauchtum bewahren – dies gelang den meisten polnischen Gemeinschaften mehr oder weniger gut, erzählt der Pfarrer weiter. Heute bekennen sich noch etwa 6000 Einwohner der Bukowina zur polnischen Minderheit. Die kompaktesten Gemeinschaften findet man noch in Solonețu Nou, Pleșa und Pioana Micului. Polen leben auch in Suceava, Radauți, Siret, Gura Humorului, Cacica und Moara. 

Original polnische Kulinarik erwartet uns im Kulturhaus „Dom Polski“ von Solone]u Nou, wohin der Leiter der Vereinigung der Polen in Rumänien, Ghervazen Longher, einlädt. Schmucke Trachtenträger, ein Mädchen und ein Bursche, bieten zur Begrüßung bärenstarke Afinata mit ganzen Heidelbeeren oder den klassischen Pflaumenschnaps an, bevor es an die lange Tafel mit Saurer-Gurkensuppe, Piro{ti aus Kartoffeln, gefüllt mit Grammeln, Käse oder Plaumenmus, Kartoffelschmarrn, Krautwickel mit Schmand und hauchdünnem Aufschnitt aus hausgemachten Würsten, Rollbraten und Sülze geht. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei, nur für Diätapostel sicher nicht. Die schlanken Polinnen und Polen sporteln das deftige Essen wohl in den Folkloretanzgruppen ab, die im Dom Polski regelmäßig proben. Sowohl in Poiana Micului als auch in Solone]u Nou gibt es künstlerische Ensembles für traditionellen Tanz und Gesang, „Mala Pojana“ und „Solonceanka“, mit Kindern und Jugendlichen in drei Altersgruppen.

Deutsche erschlossen die Bukowiner Salzvorkommen

Interessant ist, dass die Erschließung der Salzvorkommen in der Bukowina, die zur Ansiedlung der polnischen Bergleute führte, ursprünglich durch Deutsche erfolgt war. Diese gelangten nach der Annexion der Bukowina durch das Habsburgerreich 1774 aus verschiedenen Regionen des Kaiserreichs nach Solca. Die Katholiken kamen aus Böhmen, die Protestanten aus Bayern, erklärt Stanislav Cucharec. 1785 wurde im Kloster Solca von den Behörden ein Büro für Versuche und Forschung über Salz gegründet sowie ein Lager für aus Siebenbürgen herbeigeschafftes Salz als Reserve für die Bukowina angelegt. In diesem Zusammenhang wurden deutsche Geo-logen und Ingenieure herbeigerufen, um die Möglichkeiten des Salzabbaus rund um Solca und Cacica zu studieren. Erst dann wurden die Bergleute ins Land geholt. Nachdem zwischen Solca und R²d²u]i über 50 Salzstöcke entdeckt worden waren, wurde in Solca unter der Leitung eines Deutschen namens Johann Hoffmann ein Büro zur Ausbeutung von Salz gegründet.

Anfangs war die Gemeinde der Deutschen, die auf dem Gebiet des Klosters Solca in Arbore lebten, klein. Zum Beginn des 19. Jh war sie auf rund 400 Menschen angewachsen. Laut Volkszählung 1930 gab es in Arbore 5941 Einwohner, davon 87,7 Prozent Rumänen, 10,26 Prozent Deutsche und 1,81 Prozent Juden. Bis 1940 war die katholische Kirche der Deutschen in Arbore Teil der Pfarrei Solca, die mit dem Fortgang der Deutschen 1940 aufgelöst und der Pfarrei von Solone]u Nou unterstellt wurde. So waren auch die drei Altäre der deutschen Kirchen in Solca und Arbore nach Solone]u Nou gelangt, erklärt Pfarrer Cucharec. 

Einige Deutsche gab es aber auch in Solone]u Nou, von diesen Neu Solonetz oder Lichtenthal genannt: Zur Volkszählung 1930 wurden dort von 1234 Bürgern 72,6 Prozent Polen, 20,7 Prozent Ukrainer, 4,6 Prozent Rumänen, 1,7 Prozent Deutsche, ferner fünf Juden und drei Russen, verzeichnet. 
So ist die Geschichte des Salzes in der Bukowina auch eine Geschichte ihrer Min-derheiten.Beides ein unerschöpflicher Reichtum.

 

Die ADZ-Reihe „Kultur der Vielfalt“ ist Ergebnis einer vom Departement für Interethnische Beziehungen an der Rumänischen Regierung (DRI) organisierten Journalistenreise in die Moldau und Bukowina im Oktober 2021 auf den Spuren der nationalen Minderheiten. In sechs Folgen, die im 14-tägigen  Rhythmus erscheinen, geht es darin um Kultur und Kulturerbe der Armenier, der Ukrainer und Huzulen, der Lipowaner, Deutschen, Polen und Juden.