Die Holzkirche von Rogoz

ADZ-Reihe: Inspirierende Orte

Ostseite der Holzkirche von Rogoz: Die Dachbalken enden in symbolischen Pferdeköpfen und durch das runde Fenster fällt am Tag der Verklärung Christi ein Lichtstrahl mitten auf den Altar.
Fotos: George Dumitriu

Der tragende Dachbalken endet in einem stilisierten Pferdekopf mit dem Symbol der Lebensblume auf Stirn und Brust.

Acht Holzkirchen in der Maramuresch gehören dem UNESCO-Weltkulturerbe Rumäniens an, eine davon ist die auf den ersten Blick eher unscheinbare Kirche von Rogoz. Während im Inneren prachtvolle Malereien beeindrucken, die verraten, wie sich die Menschen auf dem Land die Bibelgeschichte und himmliche Wesenheiten vorgestellt haben, lohnt sich vor allem ein Blick auf Details. Denn so manches Element, das in den christlichen Glauben integriert wurde, stammt noch aus vorchristlicher Zeit. Zum Beispiel die Pferdesymbolik an und in der Holzkirche von Rogoz, die auf die in der Region anwesenden Kelten zurückgeht, wie der dortige orthodoxe Pfarrer, Ion Chirilă, verriet. Aber auch die„Lichtspiele“, die schon in der Antike beliebt waren.

Keltische Pferdesymbolik

Pferde spielten eine zentrale Rolle in der keltischen Mythologie. Sie galten als göttliche Krafttiere, ihre Darstellungen finden sich oft auf Münzen und in Grabbeigaben. Eng mit dem Pferdekult verbunden waren die gallische Göttin Epona, Beschützerin der Pferde, und ihr walisisches Gegenstück Rhiannon. Epona und ihre Pferde sollen die Seelen auf ihrem Ritt im Jenseits angeführt haben. Im Christentum wurde das Pferd dann als Symbol der Agape, der bedingungslosen Liebe zwischen Gott und Mensch, interpretiert. 

In der Kirche von Rogoz ziert ein Pferdekopf mit der Lebensblume auf Stirn und Brust das Ende des zentralen Dachbalkens. Die Blume des Lebens erscheint in mehreren Kulturen des Altertums. Die ältesten Beispiele kommen in Assyrien und Ägypten vor, im Palast des Königs Assurbanipal in Dur Šarrukin vom Jahr 645 v. Ch.,  und auf den Pfeilern des Osiris-Heiligtums in Abydos, Ägypten, rund 6000 Jahre alt.

Touristen bekommen diese charmante Besonderheit in Rogoz meist nicht zu sehen, man muss dafür auf den Dachboden klettern. Aber auch außen an der Holzkirche enden alle Dachbalken in stilisierten Pferdeköpfen. Altarwärts, in der Richtung, die auf die aufgehende Sonne im Osten verweist – seit der Antike die symbolische Himmelsrichtung der Auferstehung der Seele – sind die Pferdeköpfe einander sanft zugeneigt. Auch hier ein Symbol für die göttliche Liebe, erklärt der Pfarrer. 

Beabsichtigte Lichteffekte

Noch ein interessantes Phänomen in Rogoz verweist auf vorchristliche Bräuche, wie sie in der Antike, vor allem im Alten Ägypten, üblich waren: Dort waren Tempel oft so konstruiert, dass das Licht der aufgehenden Sonne an bestimmten, bedeutenden Tagen – etwa zur Sonnenwende oder am Tag des Gottes, dem der Tempel geweiht war (Beispiel: Abu Simbel) – genau in das Allerheiligste und auf die Statue dieses Gottes fiel. 

Dies passiert auch in Rogoz: Zum Sonnenaufgang am 6. August, dem Tag der Verklärung Christi, fallen die Lichtstrahlen durch das Ostfenster direkt auf den Altar. Das Phänomen hält etwa eine Woche lang an, so der Pfarrer. Die Kirche sei deswegen sogar ein wenig von der sonst üblichen Ost-Westachse orthodoxer Kirchen verschoben, erklärt er und fügt an, dass es solche – beabsichtigte und teilweise auch dokumentierte – Lichtspiele auch in einigen anderen orthodoxen Kirchen gibt. Ein Beispiel dafür ist die  Kirche von Patrăuți, ebenfalls UNESCO-Welterbe (ADZ-Online, 7. Oktober 2016: „Das Lichträtsel von Patrăuți“).