Die todbringende Drohne

ADZ-Reihe: Wertvolle Jugendbücher

„Bienenkönigin“, Claudia Praxmayer, cbt Verlag,, ausgeliehen in der Bibliothek des Goethe- Instituts Bukarest, Calea Dorobanți 32/Pavilion, www.goethe.de/bukarest

Was sie mit ihrer Zukunft anfangen soll, weiß Mel noch nicht so recht. Ihr Studium als Ernährungsberaterin hat sie aus Langeweile vorerst auf Eis gelegt. Dann lieber Gourmetköchin werden und im Restaurant ihres geliebten, überaus kreativen Vaters einsteigen? Auch nicht der rchtige Weg. Mel gönnt sich ein Jahr Auszeit zum Nachddenken, das sie in einer alternativen, auf Nachhaltigkeit basierenden Wohngemeinschaft in San Francisco verbringt. Eine alte Villa, ein riesiger Garten – und gleichgesinnte Mitbewohner, mit denen man mehr als nur Haushaltsaufgaben teilt: Josh, der Vermieter, ein altmodischer Journalist, der Zeitung am liebsten noch gedruckt liest. Coco, aufstrebende Wissenschaftlerin in der Bionik-Branche, die begeistert an einem Fischroboter forscht. Der gutmütige, schwerfällige Leo mit seinen Schaufelhänden, der am liebsten in der Erde gräbt und dafür gesorgt hat, dass der Garten nun auch zur Versorgung der Wohngemeinschaft mit Obst und Gemüse beiträgt, beruflich arbeitet er an einem verrückten landwirtschaftlichen Indoorprojekt. Und Ozzy, der skurrile Mathematiker, ein wortkarger, sensibler Beobachter und passionierter Origami-Künstler. 

Wenn sie morgens alle das Haus verlassen, schlüpft Mel in ihre Gummistiefel und erntet, was sie für das Mittagessen braucht. Bald ziehen lukullische Düfte durch das meist leere Haus. Wenn sie den Mitbewohnern abends ihre kulinarischen Künste auftischt, mit denen sie einen Teil ihrer Miete bestreitet, wird das Esszimmer zum kommunikativen Zentrum.

Küche und Garten sind Mels meditative Orte. Am liebsten aber hockt sie im Schneidersitz vor dem Bienenstock im hohlen Baum – und singt. Unbeobachtet, wie sie anfangs meinte. Doch immer öfter zeichnet sich die Silhouette von Ozzy hinter dem Vorhang ab. Glaubt er wirklich, dass sie das nicht merkt? Die Bienen beginnen, Melissa zu umschwirren. Sanft lässt sie sich von den Flügeln, den Fellchen, dem Summen und Vibrieren streicheln. Schon als kleines Kind hatte sie diese seltsame Gabe, dieses Bedürfnis, den Bienen ganz nahe zu sein. Es ist ein Erbteil ihrer verstorbenen Großmutter. Eines Tages findet sie vor ihrer Zimmertüre ein winziges, schwarzes Objekt. Eine Origami-Biene von Ozzy. 

Die Idylle bricht jäh zusammen, als Mel wieder einmal vor dem Stock meditiert: Aus den sanft vibrierenden Flügelwesen werden auf einmal Geschosse, hektisch prallen sie gegen ihre Stirn, ihre Wangen und Lippen. Als sie die Augen öffnet, erblickt sie vor dem Stock eine bebende Kugel: Hunderte Bienen, zitternd ineinander verknäult! Die Kugel löst sich auf und zurück bleibt – eine schwarze Drohne. Ein totes Insekt? Nein, ein Wunderwerk der Technik!

Mel weiß, dass die Bienen den Eindringling töten wollten. Doch nur asiatische Bienen bilden solche Kugeln, die den darin eingeschlossenen Feind durch Überhitzung umbringen – und deren Einfuhr ist in den USA streng verboten! Während die WG-Bewohner beraten, woher diese Bienen und die schwarze Drohne gekommen sein könnten und was nun zu tun sei, ist der Bienenstock im hohlen Baum auf einmal weg… Gestohlen? Entführt? Von den Behörden konfisziert? Hat die schwarze Drohne etwas damit zu tun? 

Von nun an ist nichts mehr wie früher: Immer öfter geraten die Mitbewohner hitzig aneinander. Die ehrgeizige Coco will das technische Wunderwerk auf Biegen und Brechen im Labor untersuchen. Mel sehnt sich nur ihre Bienenfreunde zurück. Die anderen oszillieren zwischen diesen Gegenpolen. Ozzy bekennt sich schließlich zu Mel und die beiden gehen den Dingen gemeinsam auf den Grund. Mel begibt sich endlich auf Spurensuche ihrer verschollenen Großmutter – und findet verblüffende Hinweise.  

Wird die einst so einige Wohngemeinschaft an den unterschiedlichen Interessen, die die Naturapostel und Technik-Adepten auf einmal jäh entzweien, zerbrechen? Unwillkürlich werden die Bienenflüsterin und ihre Mitbewohner in einen Strudel der Ereignisse hineingezogen. Unterschiedliche Interessen und Ansichten prallen aufeinander. Wem kann man noch vertrauen? Immer wieder kommt in den Konflikten der Gegensatz zwischen Wissenschaft und Intuition zum Tragen. Am Ende erfahren alle etwas schier Unfassbares über das Bienensterben. Doch dann hat Mel plötzlich eine rettende Idee… Wird ihr Plan funktionieren?

Die „Bienenkönigin“ ist ein zauberhafter, spannender Kriminalroman, der meisterhaft zwischen den Interessen der modernen technischen Welt und den Bedürfnissen der Menschen, die wieder mehr Naturnähe suchen, jongliert. Am Ende wartet Autorin Claudia Praxmayer mit einer ungewöhnlichen Lösung auf, die eine Synthese beider Gegensätze bedingt.