Die Ursulinenkrippe in Imst

Prachtvolle Barockkrippe im Ballhaus

Christi Geburt im Stall mit Engeln und vier heiligen Königen
Fotos Mag. Ignazius Schmid

Die Kleidung der Krippenfiguren zeigt ein buntes barockes Bild.

Fast fertige Figur: Auf den Oberkörper aus Holz muss noch der Kopf aus Wachs befestigt werden.

Jede Ortschaft in Tirol, die etwas auf sich hält, hat in der Kirche oder in einem Museum eine Krippe aufzuweisen, oftmals sogar mehrere. Da sie an Wertschätzung nie verloren haben, fanden die von Kaiser Joseph II. per Dekret für einige Jahre verbotenen Kirchenkrippen in den Bauern- und Bürgerhäusern in kleineren Ausführungen als beliebte Familienkrippen ihre Fortsetzung. Liebhaber des Sujets kommen in Tirol voll auf ihre Rechnung. 

Warenlager – Rathaus – Museum

Es versteht sich fast von selbst, dass auch die traditionsverbundene Tiroler Stadt Imst mehrere Krippen ihr Eigen nennt. Einige sind im Museum im Ballhaus zu besichtigen. Der Name Ballhaus leitet sich nicht von Ballspielen oder Tanzveranstaltungen ab, sondern von den Warenballen, die dort von 1530 bis ins 19. Jahrhundert gelagert waren, dann wurde eine Malzdarre darin untergebracht, eine Musikschule und das Heimatmuseum folgten. Bis 1998 logierte das Rathaus in dem historischen Gebäude, und 2003 wurde es zum „städtischen Museum im Ballhaus“ ausgebaut, das nun auch die Ursulinenkrippe beherbergt. Sie war vorher in Ranggen aufgebaut und fand vor hundert Jahren ihren Weg nach Imst. Aus Platzgründen wird sie nicht jedes Jahr, sondern alternierend mit einer anderen, aus Holz geschnitzten Großkrippe aufgestellt. 

Die Ursulinenkrippe hat ihren Namen vom Ursulinenkloster in Innsbruck, in dem sie 1790 als eine der ersten gekleideten Krippen entstanden ist, die ab dem frühen 17. Jahrhundert in den Kirchen Eingang fanden. Der gliederpuppenartige Körper der Figuren stellte keine besondere Herausforderung dar, er besteht aus einem Holzstück für den Oberkörper. Geschnitzt wurden nur die Hände und die Füße, die übrigen Teile waren lediglich eine Drahtarmierung, die auch Änderungen in der Körperhaltung erlaubte. Die Köpfe wurden einfach aufgesteckt – die ältesten sind aus Wachs von Modeln abgeformt, Glasaugen wurden von hinten her in die Köpfe eingesetzt, Haare aus verschiedenem Material, auch Echthaar angebracht. Anders als bei holzgeschnitzten Krippen war nicht ein einzelner Bildhauer am Werk, sondern mehrere Kunsthandwerkerinnen, die im Ursulinenkloster vor allem an der Herstellung der Kleidung arbeiteten. Dort hatten die Ordensfrauen die nötige Ruhe und konnten sich mit Hingabe der Krippe widmen. 

Erlesene Klosterarbeiten

Beim Schneidern von Theaterkostümen oder christlichen Ornaten verblieben oft kleine kostbare Stoffreste, die sich für diesen Zweck bestens eigneten, und von den Krippendesignerinnen mit Perlen und Pailletten bestickt und mit Spitzen und Borten besetzt zu Krippenkleidern verarbeitet wurden. So finden sich auch Stoffe, die sich aufgrund ihrer Webart Frankreich oder Italien zuordnen lassen. Die Paradeengel mit vergoldeten Flügeln, Kreuzstäben und federgeschmückten Kopfbedeckungen, sowie die Könige und deren Gefolge bringen in der Repräsentationskrippe wie in einer Barockoper Prunk und Pracht zum Ausdruck. In der Ursulinenkrippe blieben, anders als in den meisten Krippen aus dieser Zeit, die kostbaren Kleider erhalten, während die Figuren des einheimischen Tiroler Volks gelegentlich ein zeitgemäßes Gewand erhielten.  Von den insgesamt 239 Figuren gehören 70 zu den Königen und ihrem Gefolge an Dienern, Reitern, Soldaten und bewaffneten Husaren verschiedener Volksstämme. Bei den Tiroler Bauern und Hirten ist auffällig, dass sie keine Tiere dabeihaben, Schafe gibt es nicht. Die wenigen Tiere sind aus der königlichen Begleitung zwei Kamele und 14 feurige, sich aufbäumende Pferde. Diese konnten natürlich keine Gliederpuppen sein, sondern wurden vollständig aus Holz geschnitzt und sind mit ihren lebhaften Bewegungen offensichtlich das Werk eines sehr guten Bildhauers. Es finden sich auch Szenen, die nicht zum Weihnachtsgeschehen gehören, wie die Beschneidung Jesu und die Darbringung im Tempel, mit Hohepriestern, Bischof und Ministranten, und die Hochzeit zu Kanaa mit einem Kränzchen eleganter Hofdamen. Krippenberg ist bei der Ursulinenkrippe keiner erhalten, es wurde ein einfacher, klassischer Bau nachgestellt. Da es sich nicht um einen Stall handelt, sind auch Ochs und Esel nicht vorhanden, dafür hält ein prächtiger Engel Wache. Der Hintergrund ist eine um 1800 auf Leinwand gemalte Landschaft von Josef Kramer, vulgo Mundler aus Thaur. Hier finden sich nun einige Ziegen und Schafe auf der Weide. In der Mitte über der Krippe schwebt der Verkündigungsengel mit dem Spruchband „Gloria in excelsis deo“.

Restaurierungsarbeiten 

Die Ursulinenkrippe ist zwar gut erhalten, aber nach über 200 Jahren war doch eine fachliche Restaurierung nötig. Spezialistinnen nahmen sich der Kostbarkeiten an und retteten sie vor dem Verfall. Von den Figuren wurden Bruchstellen, Gebrauchsspuren und Verschmutzungen entfernt, Fehlstellen ergänzt. Die sechseinhalb Quadratmeter große Hintergrundmalerei restaurierte Mag. Hemma Kundratitz. In penibler Kleinarbeit wurden die Holzschnitzereien von Mag. Birgit Pichler, die Wachsteile von Sigrid Antretter und die historischen Textilien von Ing. Gabriele Klein restauriert. Dabei kamen auch interessante Details zum Vorschein: Bei einzelnen Figuren hatte man ein neues Kleid über ein älteres gezogen, und einige Stoffe wurden im 19. Jahrhundert zur Verstärkung mit Altpapier unterlegt. So fand sich das Relikt eines Dokumentes aus dem Jahr 1816. Nach fünfjähriger Arbeit konnte 2008 die Krippe in altem Glanz in einer Ausstellung der Bevölkerung repräsentiert werden. 

Der vierte König

In der Ursulinenkrippe sind es statt drei deren vier heilige Könige, die dem Kind in der Krippe huldigen. Um diesen vierten König wurde schon viel gerätselt. Es könnte sein, dass die Könige die damals bekannten vier Erdteile repräsentieren: Europa, Afrika, Asien und Arabien. Es gibt aber auch eine russische Legende um den vierten König:  Artaban kam aus dem Morgenland, hatte alle seine Besitztümer verkauft und dafür zwei kostbare Edelsteine, einen Saphir und einen Rubin, sowie eine Perle erstanden, um sie dem Kind in der Krippe zu schenken. Unterwegs lahmte sein Pferd und so kam er zu spät zum Treffpunkt mit den anderen drei Königen. Er ritt allein weiter und fand am Wegrand ein verlassenes, weinendes Kindlein. Er brachte es im nächsten Dorf zu einer Frau in Obhut und gab ihr für die Betreuung einen Edelstein. Weiter unterwegs traf er auf einen Leichenzug, bei dem der Vater betrauert wurde und die Familie als Sklaven verkauft werden sollte. Um die Schulden zu tilgen schenkte Artaban ihnen voll Mitleid den zweiten Edelstein und ritt weiter. Zuletzt kam er in ein fremdes Land in dem Krieg herrschte und Soldaten dabei waren, die Dorfbewohner zu töten. Artaban kaufte sie mit seinem letzten Kleinod los und ritt traurig weiter: Nun hatte er nichts mehr, was er dem Kind geben konnte. Nachdem er zuletzt noch sein Pferd verschenkt hatte, war auch sein Stern erloschen. Er kam in einen Hafen, in dem ein Familienvater auf eine Galeere verschleppt werden sollte. Er bot sich als Ersatz an und wurde statt ihm als Galeerensklave angekettet.  Als er nach vielen Jahren in einem fremden Land entlassen wurde, träumte er, wie ihm eine Stimme zurief: „Eile, eile!“ Da sah er wieder seinen Stern und fand in Bethlehem das Kind in der Krippe. Er war zutiefst beschämt, dass er ihm nichts mehr schenken konnte, aber eine Stimme sagte: „Du hast mich getröstet, als ich hilflos, mir geholfen, als ich in Not, und mich gerettet, als ich in Lebensgefahr war. Was du dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan hast, das hast du mir getan!“ Da wusste Artaban, dass er das Gotteskind nicht verloren hatte, sondern dass es immer bei ihm gewesen war und er es nun doch noch gefunden hatte. 
Das ist die Geschichte vom vierten König an der Krippe. Der vierte König ist nicht das Rätsel, sondern die Lösung: Es ist die christliche Botschaft der Krippe.