Die Zukunft der Bücher in einer digitalisierten Welt

Internationales Literaturfestival in Bukarest

Jonathan Coe (r.) und Will Self befürchten, dass die Vorherrschaft der schlechten Bücher im digitalen Zeitalter zunehmen wird.
Foto: Aida Ivan

Die fünfte Ausgabe des Internationalen Literaturfestivals (FILB) hat in der ersten Dezemberhälfte im Bukarester Bauernmuseum stattgefunden. Die Gäste des ersten Abends waren die britischen Schriftsteller Jonathan Coe („Das Haus des Schlafes”) und Will Self („The Book of Dave”), die Fragmente aus ihren Büchern gelesen haben. Gleichaltrig aber vom Charakter her völlig unterschiedlich, haben die zwei Autoren Redegewandtheit und Scharfsinnigkeit in der mehrstündigen Diskussion mit dem Publikum bewiesen. Als Absolventen von renommierten Universitäten (Oxford und Cambridge) haben sie verschiedene Wege im Leben gewählt, aber eines haben sie gemeinsam: das Schreiben.

Der kompromisslose Will Self hat eine höchst interessante Lebensgeschichte. Bevor er sich als Schriftsteller betätigte, hat er, in der Reihenfolge, in einer Punkband gespielt, war Journalist und Zeichner. In seiner Jugend war er heroin-, kokain- und amphetaminabhängig. Der zwei Meter große Autor imponiert auf der Bühne des Bauernklubs (Clubul Ţăranului) nicht nur durch seine Statur, sondern auch durch seinen dynamischen, feurigen Stil – ein kecker Mann, mit unzensierter Sprache. Jonathan Coe, Professor an der Universität Warwick in West Midlands (hier erhielt er seinen Doktortitel in englischer Literatur), scheint ein eher bescheidener Mann zu sein, was aber nicht zu bedeuten hat, dass seine Kritik an der Gesellschaft weniger scharf ist.

„Die Sachen, die ich an Großbritannien hasse, sind wahrscheinlich die Sachen, die ich auch an Rumänien hassen würde: Der Geldrausch ist eine davon. Alles hat einen Preis, aber ist nichts wert. Oder politische Parteien, die sich in andere politische Parteien wandeln. Es ist wilder und brutaler in Rumänien, aber dieselben Sachen geschehen auch in Großbritannien. Es ist immer derselbe Mist, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Was gibt es da, das man nicht hassen soll?“ Flink und mit natürlicher Leichtigkeit bewegt sich Will Self durch verschiedene Themen und meistert einen kaum spürbaren Übergang von Humorvollem zu Ernstem oder Groteskem. Er spricht über den Tod des Journalismus, verspottet den britischen Premierminister, äußert durchdachte Meinungen über die Zukunft des Romans in der digitalisierten Welt und macht sich lustig über die Heizöfen des rumänischen Schriftstellerverbands.

Im Vergleich zu dem quecksilbrigen Will Self scheint Jonathan Coe eine recht diskrete Präsenz zu sein. Das Internet töte die Fähigkeit der Menschen ab, Informationen aufzunehmen, meint er. „Der Roman wird nicht mehr die zentrale Rolle in der europäischen Kultur spielen, so wie in den letzten Jahrhunderten, aber er wird auch nicht verschwinden. Er wird noch da sein, aber nur am Rande“, behauptete Jonathan Coe in Bezug auf den Einfluss der neuen Medien.

Literarische Produktionen gemeinsam zu betrachten, scheint etwas Neues für Will Self zu sein, der in einer Gesellschaft herangewachsen ist, in der jeder Schriftsteller als ein kleiner unabhängiger Kapitalist, als „eine kleine Fabrik, eine Wort-Mine” betrachtet wird. Den rumänischen Schriftstellerverband betrachtet er als ein Geschöpf des Kommunismus. „In England gibt es kaum ein Gespür für literarische Bewegungen oder Menschen, die Empathie für die anderen Schriftsteller oder deren literarische Projekte haben. Es gibt eine Vielfalt von Herangehensweisen und eine gemeinsame Absicht – alles konzentriert sich auf Geld und Verkauf“, meint Will Self. „Schriftstellerverbände können albern und staubig scheinen, aber vielleicht gibt es da Potenzial für Schriftsteller“, fügt er hinzu.

Über die Digitalisierung der Bücher erklärt Will Self, dass er als „digitaler Einwanderer” die elektronischen Bücher völlig akzeptiert hat. Das hindert ihn trotzdem nicht, die Defizite der Generation der „digitalen Eingeborenen“ zu sehen. „Als wir jung waren, haben wir viel mehr gelesen. Wenn man heute an der Uni studiert, so liest man nicht mehr so viel. Auch die kommenden Generationen werden digitale Eingeborene sein. Es ist eine interessante Periode, die wir erleben, aber auch eine einigermaßen beunruhigende.“ Jonathan Coe ist der Meinung, dass es im Moment ziemlich schwierig sei, genau zu beurteilen, was wirklich geschieht. Er glaubt, dass sich das Wirtschaftsmodell der Buchbranche in Großbritannien verändern wird. All das ängstigt die Schriftsteller.