„Du glückliches Österreich… zeichne!“

Online-Ausstellung des Österreichischen Kulturforums in Bukarest

Seit einem Vierteljahrhundert ist die Bundesrepublik Österreich Mitglied der Europäischen Union. Aus Anlass der 25. Wiederkehr des Jahrestages des Beitritts Österreichs zur EU im Jahre 1995 hat das österreichische Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten eine Online-Ausstellung ins Netz gestellt, von der das Österreichische Kulturforum Bukarest vor Kurzem eine rumänische Version erstellt hat. Die sehenswerte Internet-Ausstellung kann, außer in deutscher und rumänischer Sprache, auch auf Englisch und Russisch besucht werden.

Hugo von Hofmannsthal hat in einer schematischen Übersicht aus dem Jahre 1917 den preußischen und den österreichischen Nationalcharakter einander gegenübergestellt, um deren jeweilige Besonderheiten pointiert zu erfassen. So steht dort dem selbstgerechten, anmaßenden und schulmeisterlichen Preußen der verschämte, eitle und witzige Österreicher gegenüber. Dominiert beim Preußen nach Hofmannsthal das Selbstgefühl, so beim Österreicher die Selbstironie. Kampf ums Recht steht gegen Lässigkeit, harte Übertreibung gegen „Ironie bis zur Auflösung“.

So verwundert es nicht, dass das internationale Österreichische Kulturforum (Austria Kultur International) das Beitrittsjubiläum Österreichs zur Europäischen Union mit einer Online-Ausstellung von Karikaturen begeht, die politische Kritik mit den Mitteln des Humors vorbringt und historischen Ernst mit sprachlichem Witz und zeichnerischer Ironie zu verbinden weiß. Realität und Satire werden im Medium heiterer Gelassenheit zueinander in Beziehung gesetzt und deren Widerstreit wird so im Medium der Kunst scherzhaft genießbar.

Insgesamt 38 österreichische Karikaturistinnen und Karikaturisten haben mit ihren Werken zu dieser Online-Ausstellung beigetragen, die man, zumal sie in zehn Abteilungen gegliedert ist, auch in Etappen oder einfach nur zwischendurch online besuchen kann. Die Konzeption und die Texte zur Karikaturen-Ausstellung stammen von Gottfried Gusenbauer, dem künstlerischen Direktor des Karikaturmuseums Krems, und von Ulrike Guérot, der Leiterin des Departments für Europapolitik und Demokratieforschung der Donau-Universität Krems. Abgerufen werden kann die Karikaturen-Ausstellung, die zudem die große stilistische Bandbreite und die zeichnerische Vielfalt in der österreichischen Presse widerspiegelt, unter folgender Internet-Adresse: online-exhibitions.at/tu-felix-austria-zeichne/

Das Motto der Internet-Ausstellung „Du glückliches Österreich…zeichne!“ spielt an auf eine von Ovid stammende Strophenzeile, deren zweite Hälfte die Habsburger im Spätmittelalter durch den Abvers „Tu felix Austria nube!“ (Du, glückliches Österreich, heirate!) abgewandelt haben, um damit ihre eigene kluge Heiratspolitik zu charakterisieren. Herrschaftsausbau durch Eheschließungen, dynastische Stabilität durch geschickte Diplomatie waren die Kennzeichen dieser friedlichen Grundhaltung, die in der Online-Jubiläumsstellung nun im Medium der Kunst beerbt und weitergeführt wird.

Dementsprechend karikiert Bruno Haberzettl in der ersten Abteilung der Online-Ausstellung habsburgische Herrschergestalten, deren witzige Konterfeis zusätzlich durch lustige Texte untermalt sind. So wird etwa Kaiser Friedrich III., dessen somnolente Physiognomie sich im Antlitz des gleichfalls dösigen Halbmonds widerspiegelt, als „die steirische Erzschlafmütze“ apostrophiert, und unter einer Karikatur des österreichischen Herrscherpaares Franz Stephan und Maria Theresia im Kreise ihrer wild um sie herum tollenden zahlreichen Kinder steht der Satz: „Die Einführung der Schulpflicht war wohl nur eine Frage der Zeit…“.

In der folgenden Abteilung der Ausstellung werden politisch-polemische Propagandasprüche karikaturistisch hinterfragt wie etwa „Das Boot ist voll“: Luis Murschetz zeigt ein Schiff der europäischen Küstenwache voller Rettungsringe, während gleich daneben ein Boot voller Flüchtlinge kentert, ohne dass jenen aber irgendwelche Hilfe zuteil wird. Und Gerhard Haderers Karikatur, die eine fröhlich feiernde Festgesellschaft an einer Steilküste in einer Villa zeigt, unter deren ins Meer hinausragendem Balkon gerade ein Schlauchboot an den Klippen scheitert, trägt den sarkastischen Titel: „Vorweihnachtliche Herbergssuche auf Lampedusa“. Manfred Deix schließlich spielt auf die sprichwörtliche Brüsseler Regulierungswut an, wenn er die Frage stellt „Geht mit dem Verbot, den Begriff Käsekrainer zu verwenden, ein Stück österreichischer Identität verloren?“ und diese durch das karikaturistische Porträt eines Österreichers kommentiert, der anstelle einer Nase einen Käsekrainer, also eine  Brühwurst, im Gesicht trägt und, auf diese schielend, buchstäblich nicht weiter als bis zu seiner Nasenspitze sieht, aus der zudem der Käse tropft.

Weitere Karikaturen spielen auf den antiken Mythos von der Agenortochter Europa und dem sie entführenden Zeus-Stier an, wobei Begleittexte nicht nur den griechischen Mythos näher erläutern, sondern auch die Geschichte der Europäischen Union, angefangen vom Schuman-Plan und der Gründung der Montanunion bis hin zur aktuellen Gegenwart. Das Europäische Parlament wird von Michael Pammesberger nach dem Vorbild des berühmten Brue-gelschen Gemäldes, das im Kunsthistorischen Museum in Wien hängt, als babylonischer Turm karikiert, aus dem in zahlreichen europäischen Sprachen der Satz herausschallt: „Wir haben gewonnen!“ Und Heinz Ortner karikiert das Sprichwort „Wir ziehen alle an einem Strang!“, indem er die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU sich in einem Gewirr von Schnüren verheddern lässt, durch die sie eigentlich miteinander verbunden und vernetzt sein sollten.

Die Einführung des Euro in der EU kommentiert Thomas Paster mit seiner „Gelduntergang“ betitelten Karikatur, einem nächtlichen Seestück, in dem die einzelnen Nationalwährungen als Papierschiffchen untergehen, während die gesamte Szenerie durch ein Feuerwerk in Form der Europa-flagge hell erleuchtet ist. Und Thomas Wizany karikiert den von der damaligen englischen Premierministerin eingeleiteten Austritt Großbritanniens aus der EU, indem er die Tierärztin Dr. May von hinten an einen Stier herantreten lässt, dem die mythologische Gestalt Europas angesichts des durch die Brexit-Schere angedrohten Verlusts seiner Männlichkeit tröstend ins Ohr flüstert: „Auch wenn’s weh tut. Wirst sehen, es hat nicht nur Nachteile!“

So kann man beim Besuch dieser Online-Ausstellung des Österreichischen Kulturforums Bukarest Ernst mit Heiterkeit, das Nützliche mit dem Angenehmen, historische Bildung mit künstlerischem Genuss verbinden und sich zugleich am Humor der österreichischen Karikaturistinnen und Karikaturisten erfreuen, die mit ihren klugen und lustigen Werken zu dieser permanent im Internet zugänglichen Ausstellung beigetragen haben.