„Durch Traum an den Rand des Chaos“

Kunstausstellung und Vorstellung eines Eduard Duldner gewidmeten Bildbands

Der bildende Künstler Eduard Duldner vor seinem Werk „Zelluläre Automaten“ Foto: die Verfasserin

Eduard Duldner: „Verflechtung elementarer Beziehungen“

Eduard Duldner: „Porträt bei 88 Jahren, auf dem Chaos reitend“

Die Ausstellung des bildenden Künstlers und Mitglieds des Künstlerverbandes Eduard Duldner mit dem Titel „Durch Traum an den Rand des Chaos“ wurde am 24. Oktober im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ eröffnet und dabei wurde auch das gleichnamige Kunstalbum vorgestellt. Mit diesem Kulturereignis wird das beliebte Programm des Schillerhauses zum deutschen Kulturerbe in Rumänien fortgesetzt. Das Event fand auf Rumänisch, unter der Leitung von Aurora Fabritius und mit der musikalischen Untermalung des Klavierduos Ana Boldea und Marius Boldea statt.
Eduard Duldner ist ein bildender Künstler rumäniendeutscher Herkunft aus Bukarest, dessen Tätigkeitsschwerpunkte auf Malerei, Grafik, geistlicher Kunst (Ikonen auf Glas, Holz, Wandmalerei) und Restauration liegen. Er hat seine Werke in Gruppenausstellungen und Eigenausstellungen in Rumänien sowie Belgien, Deutschland, Italien zur Schau gestellt. Seine Meisterstücke sind Teil privater und öffentlicher Sammlungen in Rumänien, Belgien, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Serbien, Italien und den USA.

Der im Honterus Verlag Hermanstadt veröffentlichte Bildband besonderer Qualität wurde vom Regionalforum Altreich des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und mit der Unterstützung des Regierungsdepartements für Interethnische Beziehungen herausgegeben und die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit den gleichen Institutionen sowie dem Demokratischen Forum der Deutschen in Bukarest organisiert.
Das Album enthält im Laufe von über 20 Jahren entstandene Bilder, darun-ter ein paar Jugendwerke und vier Bilderserien mit verwandter Thematik sowie manche erklärende Kommentare zu deren Ideeninhalt. Darüber hinaus vermittelt der Bildband auch das Interesse des Künstlers für aktuelle Theorien der Geisteswissenschaften und der Wissenschaft im Allgemeinen.

Die moderne Stadt – das Symbol einer universellen Collage – ist gekennzeichnet durch ihre unaufhörliche Bewegung und Metamorphose, mit ihren Rhythmen, Synkopen und den unablässigen Ausschnitten, die sich in der Gemäldeserie „Städtisch“ widerspiegeln. Es folgen das von einem Zitat aus den Sprüchen Salomos begleitete Ölbild „Ermahnung zur Umarmung der Weisheit“, die beiden farbenfrohen Mutterporträts in Öl und die erschütternde Pastell- und Mischtechnik-Serie „Breendonk“, betitelt nach der belgischen Festung, die 1940 mit der Eroberung durch die Wehrmacht zum SS-Auffanglager wurde und heutzutage als Gedenkstätte fungiert. Die Reihe „Kommunikation“ versteht sich als eine Metapher für die Verbindung zwischen Künstler und Betrachter, bei der, im Vergleich zur Alltagskommunikation, die Nachricht und der Kommunikationskanal voneinander untrennbar sind, durch ein anderes Zeichensystem ersetzt werden und zu einem einheitlichen Symbol verschmelzen. Die 2016 entstandenen Linolschnitte mit Mischtechnik namens „Evolution“ verweisen auf eine tiefere Bedeutung als Charles Darwins berühmte Lehre. „Der Raum, in dem wir leben, ist von einem Netz von Querverbindungen durchwachsen, so sind wir im Kosmos nicht verloren, alle unsere Aktionen sind einer Vernunft unterworfen. In dieser neuen Welt können wir frei schaffen, aber dürfen unsere Verpflichtung dem Ganzen gegenüber nicht übersehen“, lautet die Überzeugung des Künstlers, der sogar schon in der scheinbaren Unordnung eine bestimmte vorhandene Ordnung sucht.

In Anlehnung an die gleiche Idee der ursprünglichen Ordnung entstand 2014 auch „Die immanente Harmonie des Raumes oder die Ordnung im Chaos“ betitelte Serie Holz- und Acryl-Assemblagen. Die acht mittels Drucktechnik gefärbten Holzcollagen wurden auch im Schillerhaus ausgestellt und genossen bei der Vernissage die volle Aufmerksamkeit und Bewunderung der Kunstliebhaber. Noch beeindruckender erweist sich deren Entstehungsgeschichte, die der Kunstschaffende den Teilnehmern bei der Ausstellungseröffnung mitteilte.
Die rechteckigen Holzstücke stammen von einer früheren Mal- und Überdachungsarbeit des Künstlers an einem großen Flurkreuz, das in traditioneller Weise an einer Wegkreuzung errichtet wurde. Während der Überdachung des Kreuzes bemerkte Eduard Duldner, dass die auf den Boden fallenden rechteckigen Holzreste sich von selbst wie in einer Collage zusammenfügen und eine inhärente ursprüngliche Ordnung bilden. Diese Holzreste hat der Künstler gesammelt und in einem Kunstwerk zu einer neuen Ordnung auf einer Holzunterlage zusammengesetzt. 

Die schweren quaderförmigen Bilder geben der Weltanschauung des Kunstschaffenden eine Bühne, sie bilden den Rahmen für seine Vorstellungswelt. In den schwarzen, grauen, weißen und ockerfarbigen Mustern hinterließ die Fraktalen-Theorie mit den sich in einem stets komplexeren Maßstab wiederholenden Formen namens Fraktalen ihre Spuren. Die Grenzen dieser Muster sind kompliziert und veränderlich, sodass es unmöglich vorauszusehen ist, ob benachbarte Punkte sich im Inneren oder im Äußeren der Form befinden. Die Dreidimensionalität schafft Eduard Duldner durch die Positionierung der Holzstücke – eines neben dem anderen, sich überlappend, senkrecht und waagerecht. Der Künstler übernimmt das Konzept der Fraktale und verleiht ihm neue Bedeutungen, wie die Abneigung gegen Vorschriften, Starrheit und Formalismus.
Auch eine zweite, diesmal Zehnstück-Bilderserie, nämlich „Reverie“, war im Schillerhaus zu sehen. In diesen 2019 geschaffenen Grafiken nutzt der Künstler die Grenzzone zwischen dem Wachsein und dem Traum für die Darstellung der Wechselwirkung von Psyche und Materie, von Bewusstsein und Unterbewusstsein sowie Synchronizitäten oder Verbindungen zwischen den inneren Strukturen der Organismen und ihrer Umgebung. Dabei treten menschliche Silhouetten in Massenszenen oder einzeln neben Gebäuden-Fragmenten auf. Tief im Allgemeinbewusstsein verwurzelte Bilder kommen dabei intertextuell zum Ausdruck. Zum Beispiel zeigt ein gequältes Selbstporträt dem Betrachter – wie Jesus Christus nach seiner Auferstehung – die Wundmale in den Handflächen. Im Mittelpunkt eines anderen Bildes scheint eine Pietŕ-Szene mit einem weiblichen Leichnam zu sein. Dabei wird der blasse Körper von schwarzen Formen und Silhouetten getragen. 

Zur Chromatik der Grafiken äußerte sich Dr. Doina P˛uleanu, Direktorin des Kunstmuseums in Konstanza/Constan]a und betonte, „Farben sind notwendig in dem Maße, in dem diese, sich immer wiederholend und in einem symbolischen Schlüssel zusammengefasst, dazu fähig sind, räumliche Beziehungen und die Kommunikation zu vermitteln. Aus diesem Grunde muss ihre Intensität gleichmäßig sein, indem die Abschwächung vermieden wird, wie auch die Abwandlung, der Effekt der Perspektive, der Versuch, die Kreativität und die gestalterische Begeisterung des Autors (ohne sofortigen Erfolg)“ zu verbergen. (...) Ausgehend von der Auseinandersetzung des Künstlers mit der Welt, werden neue Strukturen geschaffen, Träger von Ideen und Bedeutungen, die dazu fähig sind, sich in schwer absehbaren Formen zu organisieren.“
Eduard Duldner nannte eines der Bilder „Selbstporträt bei 88 Jahren, auf dem Chaos reitend“. Könnte die interessante Grafik wohl darauf hinweisen, dass der Künstler hofft, irgendwann durch seine eigenartige Suche nach Ordnung das Chaos zu bändigen, zu unterwerfen und ein für allemal zu besiegen?