„Ein Barometer für den Grad gegenseitigen Verstehens“

Späte Einweihung des Luther-Calvin Denkmals in Bukarest zum 500. Reformationsjubiläum

Mit dem Denkmal ist die Reformation in Bukarest bei den Menschen angekommen, findet Bischof Reinhart Guib, hier mit Stadtpfarrer Daniel Zikeli. | Fotos: George Dumitriu

Enthüllung durch Oberbürgermeister Nicușor Dan und die Bischöfe der lutherischen und der calvinischen Kirche

Illustre Rednerrunde: Bischof Guib (am Rednerpult), Bischof Bela Kato, Stadtpfarrer Daniel Zikeli, der ungarische Parlamentarier Zsolt Nemeth, Vizepremier Hunor Kelemen, Stadtpfarrer Szegedi Laszlo Tamas, Staatssekretär Victor Opaschi, der orthodoxe Patriarchatsvertreter Gabriel Cazacu

Strahlendblauer Himmel über dem „Sala Palatului“- Park im Herzen der Hauptstadt. Kirchenglocken, Hupen und Polizeisirenen untermalen den historischen Moment – akustische Spuren dreier sich durchdringender Welten: Glauben, Alltag, Staat. In Bukarest, dem rumänischen Zentrum der Orthodoxie, von dem der Patriarchenpalast und die monumentale Erlöserkathedrale zeugen, in Bukarest, wo Ceaușescus gigantomanisches „Haus des Volkes“ heute ein demokratisches Parlament beherbergt, in diesem Bukarest der stabilen Mächte, aber auch der Transformationen, ist am 4. Mai ein Monument enthüllt worden: Eine Bibel. Ein marmornes Buch mit zwei Gesichtern. Bibel und Stein – Elemente der Stabilität und Ewigkeit. Darauf die Antlitze von Martin Luther (1483-1546) und Jean Calvin (1509-1564), den Vätern der Reformation, die Luther vor über 500 Jahren eingeleitet hat. Aber auch Motoren einer Veränderung, die sich nicht nur in der christlichen Religion niederschlug, sondern überschwappte auf alle Bereiche des Lebens.

Historische Wiedergutmachung

Der Ort: Der Garten der ehemaligen calvinistischen Kirche der ungarischen Reformierten, die 1959 willkürlich demoliert worden war.

Der Akt: Eine Art historische Wiedergutmachung, sagt auch Bukarests Oberbürgermeister Nicu{or Dan. Das Rathaus war einer der Unterstützer des Monuments.

Der Anlass: 500 Jahre Reformation, feierlich begangen im Jahr 2017. Die fünf Jahre verspätete Enthüllung des dazugehörigen Denkmals betrachtet Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, dennoch als gutes Zeichen. Guib über Luther und Calvin: „Gott hat sie der Welt gegeben als Sucher der Wahrheit mit verschiedenen Fähigkeiten und Begabungen für eine spirituelle Erneuerung.“ Sie haben nicht nur die Kirche reformiert, sondern auch Bildung und Lehre, Politik und Wirtschaft, Gemeinschaftsleben und Soziales, Kultur und Kunst, aber auch die Idee der persönlichen Verantwortung, fügt er an. Der im deutschen Eisleben geborene Luther und der in der Schweiz in Genf wirkende Calvin haben sich im wirklichen Leben nie getroffen. „Nun sind sie hier vereint, für immer im Dialog“, so der der Schweizer Botschafter Arthur Mattli: „Heute ist ein kleines Wunder passiert“. Auch Wunder brauchen ihre Zeit...

Der Künstler: Ionel Stoicescu, ein rumänischer Bildhauer aus Argeș. In Bukarest kann man seinen Werken im Herăstrău-Park begegnen, wo er unter anderem auf der Roseninsel die Gründerväter der Europäischen Union geschaffen hat.

Dialog der Kulte in der pluralistischen Gesellschaft 

Die Feier beginnt mit einem geistlichen Moment durch die Bischöfe Giub und Kato Bela von der der ungarisch-calvinistischen Kirche in Siebenbürgen. „Und jetzt beten wir ein Vaterunser, jeder in seiner Sprache“, schließt Guib. Er spricht wie selbstverständlich rumänisch, doch beten tut er auf Deutsch.

„Das Staatssekretariat für Kulte hat das Monument nicht finanziert, weil es von uns gar nicht verlangt wurde“, leitet Staatssekretär Victor Opaschi seine Rede ein. Und verweist auf die besondere Situation in Rumänien, wo 18 religiöse Kulte von der Regierung unterstützt werden. Rumänien hat sich der religiösen Vielfalt verschrieben, schützt sie und streicht ihren Wert heraus, „ein gesetzlich verbrieftes Recht, an dem alle Kulte 16 Jahre lang mitgearbeitet haben“, verweist Opaschi. Es sei eine der größten Realisierungen seit dem Fall Ceaușescus, unterstreicht er. „Religiöse und ethnische Diversität sind wertvolle Ressourcen in Rumänien“, fügt er an und betont, dass der Staat  dies als Atout und nicht als Bedrohung seiner Stabilität betrachte. Auch gibt es einen lebhaften interreligiösen und interethnischen Dialog, der nicht vom Staat vermittelt werden muss und nicht nur auf Leitungsebene stattfindet, sondern direkt im Volk. Dank der guten Beziehungen zwischen dem Staat und den Kulten gelte Rumänien in ganz Europa als Beispiel. „Die Rolle des Dialogs der Kulte ist insbesondere in der pluralistischen Gesellschaft hierzulande wichtig, denn sie sind die größten zivilen Organisationen.“ Der orthodoxe Geistliche Gabriel Cazacu sprach stellvertretend für Patriach Daniel seinen Glückwunsch aus. „Ich spreche aber auch für die Vereinigung ökumenischer Kirchen in Rumänien“, fügt er an. „In den letzten Jahren haben wir viele gemeinsame Werte entdeckt, die mir Hoffnung machen. Gemeinsam können wir viel bewirken und ein schönes Land schaffen, das mit all unseren Erwartungen und denen der zukünftigen Generationen überenstimmt.“

Europa belebt und Jahrhunderte remodelliert

Die Reform hätte ganz Europa neu belebt, die europäischen Nationen seien sowohl verantwortlicher als auch autonomer geworden und Calvins neue Ethik ein Fundament für den Kapitalismus, betonte Nemeth Zsolt, Präsident der außenpolitischen Kommission des ungarischen Parlaments. „Calvin hat eine Gesellschaft auf der Basis von Arbeit geschaffen, was Genf stark transformiert hat.“ 

Er sei sicher, die gute Beziehung der beiden reformierten Kirchen werde auch die Beziehung zwischen Rumänien und Ungarn stärken, fügte er hinzu. Vizepremierminister Kelemen Hunor (UDMR) dankte auch Ungarn für die Unterstützung für das Denkmal.

„Wenn wir Luther oder Calvin sagen“, setzt Bischof Guib fort, „dann sprechen wir über Erneuerung, Überwindung von Barrieren, Fortschritt, Modernisierung.“

Reformation bei den Menschen angekommen

„Das Denkmal ist ein Barometer für den Grad gegenseitigen Verstehens und der religiösen Toleranz“, findet Bischofsvikar und Stadtpfarrer der Bukarester evangelischen Kirche, Daniel Zikeli. 

„Welche Botschaft hat dieses Monument?“, fragt sein ungarisches Pendent, Bischofsvikar Laszlo Tamas Szegedi in die Runde. „Luther und Calvin haben Jahrhunderte remodelliert“, zitiert er die Vatikanszeitung „L‘Osservatore Romano“.  Seit der Reformation sind 500 Jahre vergangen. „Wo waren die beiden damals?“, spielt er auf die Spaltung der evangelischen Kirchen nach Luther an – und wo stehen wir heute? „Heute können wir die Botschaft und Lehre dieser beiden Menschen gemeinsam feiern: Kirche muss leben und in ständiger Reformation sein.“

Dass die Reformation in Bukarest gefeiert wird, sei ein historischer Moment, erklärt Bischof Guib im Anschluss der ADZ. „In einer Stadt, die orthodox geprägt ist, der Hauptstadt Rumäniens, und wo das Lutherisch-Reformierte zwar eine Geschichte hat, aber nie so wahrgenommen wurde, ist das vielleicht tatsächlich ein Moment, wo die Reformation Luthers angekommen ist – auch bei den Menschen in der Stadt!“