Ein Musterbeispiel der Brâncoveanu-Architektur

Der restaurierte Palast von Potlogi kann besichtigt werden

Potlogi – Vorhof mit Hauptgebäude und Portikus

Die Küche mit der zentralen Feuerstelle

Eingang mit originalen floralen Reliefs über der Tür und Widmungsplakette

Fürstliches Schlafgemach mit Kachelofen und Himmelbett
Fotos Michael Marks

Die Daker, die Römer oder der berühmt berüchtigte Vlad }epes, kaum jemand hat die rumänische Architektur und Kunst so nachhaltig beeinflusst wie Constantin Brâncoveanu. Der Herrscher der Walachei, der weniger durch seine militärischen Erfolge als durch seine Bautätigkeit in einer nahezu 25-jährigen Friedenszeit wirkte, brachten seine sagenhaften Reichtümer – man nannte ihn auch den „Goldenen Prinzen“ – schließlich zu Fall. 1714 wurde er samt seinen Söhnen nach Konstantinopel verschleppt und enthauptet. Ein tragisches Schicksal, für das ihn die rumänisch–orthodoxe Kirche erst 1992 kanonisierte. Zahlreiche Kirchen und Klöster, am berühmtesten wohl das Kloster von Horezu, dokumentieren den künstlerischen Gestaltungswillen dieses Herrschers, dessen Architektur in einer Mischung aus venezianisch-italienischer Renaissance und orientalischem Barock das Stilgefühl der Rumänen bis in die Neuzeit prägte.

Wie lebten dieser sagenhafte Herrscher und seine Familie?

Berühmt ist bisher der Mogo{oaia-Palast, heute praktisch vor den Toren Bukarests gelegen. Mehr noch als für die zu bewundernde Architektur wurde er durch seine glamouröseste Bewohnerin, Martha Bibescu, bekannt, die für sein heutiges Aussehen mitverantwortlich ist. Hingegen schien der etwas ältere Palast von Potlogi, 1698 für den ältesten Sohn, auch ein Constantin, erbaut, – rund 50 Kilometer nördlich von Bukarest, wo sich ehemals die Straßen von Bukarest, Târgo-vi{te und Craiova kreuzten – die meiste Zeit vernachlässigt worden zu sein. Selbst der Ortsname scheint wenig glamourös, leitet er sich doch von „Potlog“, d. h. „Schuhleder“, ab. Be-reits kurz nach dem Fall Brâncoveanus 1715 von den Türken geplündert, später immerhin rückerstattet, erlitt der Palast in den nachfolgenden Kriegen des 18. Jahrhunderts mancherlei Zerstörung und diente der lokalen Bevölkerung als billiges Baustofflager. Bis in die kommunistische Zeit wurde er höchstens unzureichend restauriert, und alte Fotografien dokumentieren den erbarmungswürdigen Zustand, in dem sich Haupthaus, aber auch die Nebengebäude befanden. Die meiste Zeit schien er schlicht in Vergessenheit geraten zu sein. Von daher ist es wohl zu erklären, wenn selbst die offizielle Webseite der rumänischen Tourismuszentrale dieses höchst eindrucksvolle Bauensemble, das nun aufwendig u. a. mit EU-Mitteln restauriert wurde – offiziell bereits seit 2015 eingeweiht, aber erst seit diesem Jahr tatsächlich für Besucher zugänglich – nicht erwähnt.

Puristen, denen die romantische Patina alter Gemäuer heilig ist, werden hier eher nicht auf ihre Kosten kommen. Dafür strahlt die auf drei Seiten von einer Mauer umfriedete 23.000 Quadratmeter große Anlage samt des gerade erst angelegten repräsentativen Vorhofs, den neu angelegten Zier- und Nutzgärten, sowie Nebengebäuden, wie der rekonstruierten Küche rechter Hand des Eingangstors und der als Museum genutzten ehemaligen Remise linker Hand, zu viel restaurierte Frische aus. Alle anderen jedoch werden sich freuen, hier erstmals die profane Architektur und das Lebensgefühl der walachischen Fürsten kennenzulernen. Dabei haben die Restauratoren sich bemüht, wenn möglich originale Bauelemente und Wanddekorationen zu integrieren. So die Fußböden, aber auch Farbreste der ursprünglichen Wandbemalung blieben sichtbar erhalten.

Küche, Kirche und Nebengebäude

Die eindrucksvolle Küche – von außen erinnert sie eher an eine Kirche – verfügt über eine in den Boden vertiefte offene Feuerstelle, die von einem zentralen und vier weiteren kleineren Rauchfängen überwölbt wird. Kochutensilien und Gerätschaften des 17. und 18. Jahrhunderts sind ent-lang der umlaufenden Wände z. T. in Vitrinen ausgestellt – nicht gerade die Originale, aber zeitgenössisch passendes Interieur. Dass die Küche so weit entfernt vom Haupthaus gelegen ist, hat wohl mit Sicherheitsbedenken zu tun. Der Preis war, dass Speisen eher lau die fürstliche Tafel erreichten. Weitere Nebengebäude entlang der Mauer rechts dienen heute dem Museumspersonal als Dienstwohnung.
Durch einen Mauerdurchbruch der Hofmauer gelangt man zur rechten zu der dazugehörenden Kirche des Heiligen Demetrius, die bereits 1683, also vor dem Bau des Palastes von Constantin Brâncoveanu, errichtet wurde und im Inneren über einige originale Fresken verfügen soll – leider gehört sie meist nicht zum Besuchsprogramm.
Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die alte, heute zu einem modernen Museumsbau umgestaltete Remise, in der die gängigen Fortbewegungsmittel der damaligen Fürsten, d. h. Kutschen und Kaleschen thematisiert werden. So importierte man die modernen Kutschen, auch „Berline“ genannt, vor-zugsweise aus Kronstadt, oder auch direkt aus Wien.

Orientalischer Palast oder italienischer Landsitz?

Beherrscht wird der großzügige Vorhof aber von dem dreigeschossigen rechteckigen Haupt-gebäude. Das im Gegensatz zum Palast von Mogo{oaia weißgetünchte Gebäude hat eigentlich wenig palastähnliche Züge, eher gemahnt es an eine „villa rustica“, d. h. an den italienischen Landhausstil der Renaissance. Die strenge Fassade wird jedoch durch den typischen vorspringenden Portikus samt durchbrochener Steinbalustraden und das Vordach tragende Säulen aufgelockert, die das Entree zum ersten Stock bilden. Warum der Brâncoveanu- auch Blumenstil genannt wird, verdeutlichen die zart blau eingefärbten, bisweilen ein wenig schon verblassten Blütenreliefs, die sich um die Fenster- und Türlaibungen ranken und unterhalb des Gesimses eine Bordüre bilden. Der Eingang wird von einem originalen Widmungsrelief samt fürstlichem Adler und Inschrift gekrönt.

Innen schmücken die Wände heute durchgängig florale Stuckaturen nach persischem Vorbild, auch wenn ein Teil der Räumlichkeiten eher mit Wandfresken versehen war. Wo erhalten, werden diese auch gezeigt. Links von der Eingangshalle befinden sich die offiziellen und privaten Räume des Fürsten, rechts die Gemächer der Fürstin. Auffällig ist, dass Möblierung, aber auch die Anordnung der Räumlichkeiten sich eher an europäischen und weniger an orientalischen Vorbildern orientieren. So gibt es eine Banketthalle samt Tisch und Stühlen, ein Sekretärs-Zimmer, wo heute Dokumente und Beispiele des frühen Buchdrucks präsentiert werden, einen Thron- und Beratungssaal und das fürstliche Schlafgemach samt Bett und Schrank. Zwar gab es eine Nische für Tee- und Shisha-Genuss, und auch die hier ausgestellten zeitgenössischen Kostüme muten bisweilen orientalisch an. Aber Manieren bei Tisch samt Tischtuch, Servietten und sogar Besteck, die Speisen- und Getränkefolge entsprachen weitestgehend europäischen Gepflogenheiten. Selbst eine Latrine samt dem „Stuhl“, war vorhanden. Rückwärtig öffnet sich der Palast mit einer Loggia zum Garten, der ursprünglich durch ein kleines Gewässer begrenzt wurde.

Besonders ist noch der Raum des Hausverwalters, wo der weniger kostbare Hausrat verwahrt wurde. Ausgesuchte Beispiele von Alltagsgegenständen, aber auch Trachtenelemente und Schmuck füllen hier die Vitrinen. Hier existierte eine Geheimtür, die zu den Schatzkammern im Inneren des Hauses führte. Vom Erdgeschoss aus, unter der Loggia, wird noch der Eingang zu einem Geheimgang gezeigt, wo die sagenhaften Schätze des „goldenen Prinzen“ aufbewahrt wurden.
Die Führungen erfolgen überwiegend auf Rumänisch, aber es gibt überall auch Erläuterungstafeln auf Englisch. Dort wo die Räumlichkeiten nicht ihrer Funktion gemäß eingerichtet wurden, gibt es eine reichhaltige Dokumentation zu Leben und Leiden von Konstantin Brâncoveanu, seinem Stammbaum, aber auch zu den Rekonstruktionsarbeiten des Palastes.
In den ausgedehnten Kellergewölben hat man heute funktionstüchtige Konferenzsäle eingerichtet. Schautafeln beschäftigen sich mit den grundlegenden Elementen des Brâncoveanu-Stils und zeigen Fotografien der bekanntesten Bauten.
Die Absicht, hier ein Zentrum für die Vermittlung und Erforschung dieser so wichtigen rumänischen Epoche zu errichten, ist unverkennbar – bleibt zu wünschen, dass dies auch von der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen wird.

Informationen über Preise und Öffnungszeiten unter :http://ansamblulbrancovenesc potlogi.ro/en/