Ein Streifzug durch über 300 Jahre schwäbische Siedlungsgeschichte

Zum zweiten Band „Monografien der schwäbischen Ortschaften – Kurze Geschichten Deutscher Gemeinden in Nordsiebenbürgen“

Ein noch heute genutzter Weinkeller in Bildegg zeugt von der traditionsreichen Weinbaukultur der Sathmarer Schwaben.

Die römisch-katholische Kirche in Fienen. Die Ortschaft gehört zu den ältesten mit Schwaben besiedelten Gemeinden. Bereits 1720/21 ließen sich hier die ersten Siedler nieder.

Das kleine schwäbische Museum in der Ortscahft Petrifeld gibt Einblick in das einstige sathmarschwäbische Leben.
Fotos: der Verfasser

Bereits vergangenes Jahr veröffentlichte das Regionalforum Nordsiebenbürgen den ersten Band, in dem zehn schwäbisch bzw. deutsch geprägte Ortschaften, vornehmlich aus dem Kreis Sathmar/Satu Mare, vorgestellt wurden. Der zweite Band, der vor einigen Wochen erschien, ist das Ergebnis monatelanger Recherchearbeiten der beiden Autoren Johann Forstenheizler und Arthur Glaser. Im gegenwärtigen Band 13 werden weitere schwäbische/deutsche Gemeinden im Kreis Sathmar kurz und prägnant vorgestellt.

Die dörfliche Gemeinschaft aus unterschiedlichen Perspektiven

Neben den Recherchen der bestehenden Literatur führte man auch Gespräche mit (ehemaligen) Bewohnern zu ihren Erinnerungen. Entstanden sind dabei 13 Ortsgeschichten, die ein Panorama des schwäbischen bzw. deutschen Lebens über drei Jahrhunderte darstellt.

Das neue Buch stellt, wie auch schon im vorangegangenen, jede Gemeinde in klar skizzierten Abschnitten vor. Dazu gehören ein Überblick zu Ansiedlung und Geschichte der Schwaben/Deutschen in jedem Ort. Ebenso erfährt man von wichtigen gesellschaftlichen Grundpfeilern wie Kirche und Schule über Wirtschaft und Soziales bis hin zu Bräuchen, Sitten, Kultur und Sport. Dem Leser ergibt sich so ein breites, aber dennoch kurz gehaltenes informatives Bild über das Leben der Schwaben und wie sie damit ihre Heimatdörfer bis in die Gegenwart prägten. Die kurz und übersichtlich gehaltenen Kapitel sind daher für jeden einladend, der mehr über die einzelnen, früher mehrheitlich von  Sathmarer Schwaben bewohnten Ortschaften erfahren möchte. Das Buch besticht auch durch zahlreiche Bilder, die oft noch die einst blühende Dorfgemeinschaft und Kultur offenbaren. Sie führen dem Betrachter die deutschen Spuren vor Augen, wo heute oft kaum noch Schwaben anzutreffen sind.

Glauben und Bildung in der Muttersprache als Eckpfeiler schwäbischer Gemeinschaft

Die größtenteils aus Oberschwaben stammenden Ansiedler brachten neben ihrem schwäbischen Dialekt nicht nur handwerkliches und landwirtschaftliches Know-How in ihre neue Heimat mit. Der römisch-katholische Glaube, den die meisten Siedler gleich mit importierten, ist bis heute tief mit der Region verbunden. Auch der Schulunterricht in der Muttersprache war für die schwäbischen Gemeinschaften ein frühes Anliegen. So bauten sich die Schwaben oft recht früh nach der Eta-blierung in ihren neuen Heimatorten Kirchen, die über die Jahrhunderte restauriert und erneuert wurden und bis heute das Dorfbild prägen. Kirche und Bildung gingen dabei von Beginn an Hand in Hand. Die entstehenden Dorfschulen waren daher bis in das 20. Jahrhundert vor allem konfessionell geprägt. In einigen Dörfern gelang es den Bewohnern, die deutsche Sprache als Unterrichtssprache über Jahrzehnte nach der Ansiedlung beizubehalten. Dennoch fiel die deutsche Sprache in der Schule schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der verstärkten Magyarisierungspolitik zum Opfer. Auch viele Dorfpriester reihten sich in den ungarischen nationalistischen Kurs mit ein. Der deutsche Gottesdienst verschwand daher auch zunehmend aus den Kirchen. Einige schwäbische Gemeinden ergaben sich widerstandslos diesen Entwicklungen. Vereinzelt wehrten sich die Schwaben aber auch gegen das Verschwinden ihrer Muttersprache und Kultur. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Vertrag von Trianon fanden die schwäbischen Gemeinschaften wieder mehr Selbstbewusstsein. In erster Linie auch durch den neuen rumänischen Staat als „Geburtshelfer“ wurden in den 1920er und 30er Jahren Bewegungen zur Wiederfindung der eigenen Identität geboren. Gründungen von Ortsgruppen der „Deutsch-Schwäbischen Volksgemeinschaft“ waren maßgebliche Impulsgeber für die Wiederentdeckung der schwäbischen und deutschen Kultur. In den gleichen Zeitraum fiel auch die verstärkte Etablierung deutscher Schulen oder zumindest der deutschen Sprache in den Schulunterricht.

Der Kulturkampf zog sich in den meisten sathmarschwäbischen Gemeinden wie ein roter Faden durch die Geschichte der Gemeinde. In den einzelnen Ortsgeschichten stößt der aufmerksame Leser daher auch auf Konflikte, oft auch innerhalb der schwäbischen Gemeinde. Interessant ist darüber hinaus auch die ambivalente Entwicklung der einzelnen Gemeinden. Wie auch schon in den im ersten Band präsentierten Ortschaften gab es einige Gemeinden, in denen beispielsweise der schwäbische Dialekt bis in die Gegenwart gepflegt und gesprochen wird. In wiederum anderen ging das Schwäbische schon vor dem Ersten Weltkrieg nahezu komplett verloren. Gleiches lässt sich auch beim deutschsprachigen Schulunterricht beobachten. Einige schwäbische Orte schafften es sogar nach dem Zweiten Weltkrieg, auch während des kommunistischen Regimes, deutschsprachige Kindergärten und Grundschulen wiedereinzuführen und diese teils bis heute beizubehalten.

Reichhaltiges Kulturleben und Brauchtum

Neben prosperierenden Gemeinden bauten sich die Deutschen im Sathmarland ein vielfältiges Kulturleben auf. Auch Bräuche, die oft durch die Vorfahren aus der Urheimat mitgebracht wurden, waren ein fester und wichtiger Bestandteil des Gemeinschaftslebens. Die Bräuche und Feiertage richteten sich größtenteils am religiösen Kalender aus. So gab es u.a. zu Weihnachten, Ostern und auch Pfingsten fest etablierte Vorbereitungen und Bräuche, die von den einzelnen Familien gepflegt wurden. Zu Neujahr zog man beispielsweise bei den Verwandten und Nachbarn von Haus zu Haus und wünschte mit bestimmten Sprüchen und Liedern „ein gutes neues Jahr“. Das Buch zeigt oft kulturelle Parallelen in den vorgestellten Ortschaften auf. Das Leben in der schwäbischen Gemeinde hatte einen festen Rhythmus von Arbeit, Kirche und Brauchtum. Man würde es heute modern „Work-Life-Balance“ nennen. Diese Strukturen innerhalb der deutsch geprägten Ortschaften überlebten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Mit dem Übergang zum kommunistischen System kam es auch in den Gesellschaftsstrukturen der Dörfer zu maßgeblichen Veränderungen. Die meisten Landwirte wurden enteignet. Man schloss sich dem „Kollektiv“ an oder versuchte sonst irgendwie ein Auskommen zu finden. Vor allem die jüngere Generation fand Arbeitsplätze in der zunehmend entstehenden Industrie. Aufgrund dessen hatten viele das Dorf verlassen und zogen in die Städte. Diese Veränderung hatte auch kausale Auswirkungen auf das Dorf- und Kulturleben. Die unvermeidbare Entwicklung führte dazu, dass viele Bräuche nicht mehr gepflegt wurden und sogar ganz verschwanden. Einige Bräuche haben jedoch bis heute überlebt. Teils werden sie noch von den wenigen in Rumänien verbliebenen Schwaben, aber auch von denen, die nach Deutschland aussiedelten, aufrechterhalten und weitergegeben.

Kriegsdorf – eine konfessionelle Insel inmitten der Sathmarer Schwaben

Wie im ersten Band, wo es auch Einblick in die Gemeinschaft der Oberwischauer Zipser gab, werden nicht nur sathmarschwäbische Dörfer präsentiert. Dass sich im „Sathmarland“ nicht nur katholische Schwaben niedergelassen haben, lässt sich an der Gemeinde Kriegsdorf/Hodod be-sonders gut darstellen. Auf Initiative der beiden Adligen Franz III. Wesselényi sowie Wolfgang Banffy von Tasnad siedelten sich protestantische Siedler aus Baden-Durlach, der Schweiz und Oberösterreich 1750/51 in Kriegsdorf an. Die Ankömmlinge waren vornehmlich gute Handwerker. Ihre Fähigkeiten und ihr Tatendrang spiegelten sich in der raschen Entwicklung der Gemeinde wider. Die deutschen Tugenden machten die Ortschaft zu einer prosperierenden Gemeinde. In Sachen Glauben und Schulbildung standen die „Kriegsdorfer“ ihren schwäbischen Nachbarn in nichts nach. Der protestantische Glauben sowie die deutsche Unterrichtssprache waren ein fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft.


Das Buch kann über oder beim Sitz des Regionalforums Nordsiebenbürgen, Strada Horea nr. 10, 440004 Satu Mare bezogen werden. ISBN: 978-606-8194-77-6