Ein verstummtes Lied

Zur Premiere von Eugene O’Briens „Eden“ in Hermannstadt

Nicu Mihoc als Möchtegernmacho Billy Foto: RST

Er hat sie geliebt. Mindestens kann sie sich daran erinnern. Er hatte sie trotz ihrer nicht gerade perfekten Figur und eines peinlichen Spitznamens unter allen anderen Mädchen ausgewählt. Er hatte sie zum Tanzen aufgefordert, vor all denen, die sie ausgelacht haben. Doch das Tanzen, die nächtlichen Spaziergänge am Flussufer und seine Liebe liegen inzwischen ganze elf Jahre zurück. Die Geschichte dieser einseitig aufgekündigten Liebe erzählt die erste Premiere des Jahres 2012 an der rumänischen Abteilung des Hermannstädter Radu-Stanca-Theaters in der Regie von Cristian Juncu.

Zwei weiße Barhocker schmücken die sonst schwarze Bühne wie zwei nebeneinander und doch völlig parallel zueinander driftende Eisschollen. Genau so laufen die Gedankenwelten der beiden Hauptdarsteller aneinander vorbei. Irgendwann kreuzten sich die Wege von Breda (Serenela Mureşan) und Billy (Nicu Mihoc) und dieser Liebesbeziehung entsprangen zwei Töchter. Doch nun ist Billy vom Eheleben gelangweilt und Breda ist darin unglücklich. Einen Ausweg aus der Öde findet er im Suff und seine Männlichkeit will er durch die Eroberung einer jungen Schönheit, Imelda, beweisen. Breda versucht die alte Gefühlsglut wieder zu entfachen, nimmt drastisch ab und versinkt in den Träumen, die ihr ein erotisches Buch schenkt.

Wahrlich, nichts ist in dieser Welt so unterschiedlich, wie Mann und Frau. Der Autor, Eugene O‘Brien, gestattet dem Publikum einen erstaunlich präzisen Einblick in die völlig verschiedenen Gedankenwelten der beiden Geschlechter. Sein Stück ist ein Monolog zu zweit, der dieselbe Begebenheit abwechselnd aus der Perspektive der Frauen oder der Männer betrachten lässt. Das Ergebnis wird wohl keinen überraschen: Sie verstehen die gleiche Angelegenheit völlig anders. Jeder von ihnen interpretiert in eine Geste etwas, was gar nicht gemeint war. In einem fast schon mitleidigen Genehmigen eines flüchtigen Kusses, sieht Breda die Liebesflammen, die sie und Billy in dieser Nacht wieder zusammenführen sollen. Imeldas höfliche Floskeln legt Billy seinerseits als Bestätigung seiner Chancen aus, bei ihr im Bett zu landen.

Brillant spielen die beiden Darsteller ihre Rollen. Nicu Mihoc überzeugt als besoffener Möchtegernmacho nicht weniger als Serenela Mureşan als verträumte, romantische und schüchterne Breda. Der spritzige und manchmal derbe Humor lässt das Publikum in Gelächter ausbrechen, nur um sofort danach über die Tragik der Situation nachzudenken. Das Ende dieser kurzen Geschichte ist so unerwartet, wie es nur im wahren Leben passieren kann. Die Spannung bleibt bis zum letzten Moment erhalten. Man könnte dieses Stück auch mit den Worten von Adelbert von Chamisso beschreiben: „Liebe ist kein Solo. Liebe ist ein Duett. Schwindet sie bei einem, verstummt das Lied.“