FilmFestival Cottbus erstmals auf der Couch

Keine Preise an rumänische Filmschaffende zur 30. FFC, aber noch Chance

Eine Szene aus dem rumänisch-österreichischen Kurzfilm „100 Euro“

Ion Sapdaru and Ovidiu Crisan in „Campaign/Berliner“ von Marian Crișan (2020)

Eine Szene aus „Konferentya“des russischen Regisseurs Ivan I. Tverdovskiy

Die Corona-Pandemie hat auch in der Filmbranche nachhaltige Spuren hinterlassen: Dreharbeiten wurden unterbrochen und Kinos vorübergehend dicht gemacht, Filmpremieren aufs nächste Jahr verschoben. Auch Filmfestivals und Galaveranstaltungen mussten dieser Situation ihren Tribut zollen. In Osteuropa traf es zuerst das Transsylvanische Internationale Filmfestival (TIFF), wo das Publikum immerhin noch live, nämlich vor der riesigen Freilichtbühne im Herzen von Klausenburg/Cluj-Napoca und weiteren Locations teilnehmen konnte, selbstredend unter Beacht-ung von Corona-Regeln wie Mund-Nase-Schutzmaske und Abstand zu den Nachbarn. Der künstlerische Leiter Mihai Chirilov und sein Team brachten trotz Corona-Schutz-Reglements das Kunststück fertig, dass das TIFF 2020 an den zehn Open-Air-Festivaltagen rund 45.000 Zuschauer in den Bann zu ziehen vermochte.

Novum des FilmFestival Cottbus: Total online

Auf ein Wunder des „Wettergottes“ Petrus, also auf annehmbare Temperaturen für Open-Air-Filmaufführungen im Dezember in Cottbus, durften die Macher des 30. Internationalen FilmFestival Cottbus (FFC) freilich nicht hoffen. Daher entschieden sie sich, zumal ob zunehmend drastischer Corona-Schutz-Maßnahmen, das 30. Festival des osteuropäischen Films ohne Publikum, ausschließlich online, zu veranstalten.

Das bedeutete natürlich eine enorme Kraftanstrengungen, faktisch alles umzuorganisieren – etwa das technische Management der IT-Vernetzung aller Mitglieder der sieben Jury-Teams und der Filmemacher in ihren Ländern zu bewerkstelligen, und zudem die digitalen Voraussetzungen zu schaffen, damit das Stammpublikum und neue Liebhaber des FFC die Filme im „Heimkino“ bequem zu Hause per Laptop auf der Couch ansehen können, eine Tasse Kaffee oder ein Glas Bier in Armreichweite. Da es sich außerdem um das Jubiläumsfestival – 30. Jahre FFC – handelte, zeichnete sich schon bisher ein besonders hoher Zuspruch ab.

Gewinner-Symbol: Skulptur „Lubina“

Das 30. FilmFestival Cottbus fand vom 8. bis 13. Dezember 2020 bundesweit online als Stream statt, wurde aber bis 31. Dezember erweitert - Tickets können zum Preis von 3,99 EUR auf der Homepage des Festivals (filmfestival-cottbus.de) erstanden werden. Bis zum 13. Dezember zeigte das 30. FFC annähernd 150 Filme, aufgeteilt in vier Wettbewerbs-Sektionen und zahlreiche Nebensektionen.

Sie konkurrierten um Preise im Gesamtwert von 72.000 Euro, verbunden mit den begehrten Preisskulpturen „Lubina“ (in der Sprache der sorbischen Minderheit: die Liebreizende): Denn erstmalig wurden nicht nur die Prämierten aus der Sektion „Wettbewerb Spielfilm“ mit einer „Lubina“ geehrt, sondern auch die Preisträger aus den Sektionen „Wettbewerb Kurzfilm“ und „U18 Wettbewerb Jugendfilm. Bei der ebenfalls digital präsentierten Preisverleihung am 12. Dezember in Cottbus erhielt der Regisseur Ivan I. Tverdovskiy (Russland) und sein Team für das Filmdrama „Konferentiya“ den Hauptpreis für den besten Spielfilm. Der ergreifende Film ist eine Reflexion über die Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater 2002, inszeniert am Originalschauplatz. Dotiert ist dieser Filmpreis mit 25.000 Euro. Die anderen Hauptpreisgewinner in der Sektion Spielfilm sind „Jak Najdalejstad“/I never cry“ von Piotr Domalewski (Polen) sowie die Hauptdarsteller des Films „Oasis“ von Ivan Ikic (Serbien).

Die neun weiteren Filme in der Sektion „Wettbewerb Spielfilm“ gingen leer aus, darunter der rumänische Film „Campaign/Berliner“ von Marian Crișan. Wenn ich, Berliner und Rumänien-Kenner, in der IFC-Jury gesessen hätte, dann hätte ich unbedingt auch diesem Film einen Hauptpreis zukommen lassen. Die Essenz dieses Films ist universell und grenzenlos, da die Handlung durchaus auch in anderen EU-Ländern spielen könnte, die Personen und Orte austauschbar sind. In der lakonisch inszenierten Handlung trifft der Bauer Viorel auf den Polit-Profi Mocanu. Um dessen Freundschaft und Gefolgschaft zu erheischen, gibt sich der Berufspolitiker mit allerlei Mätzchen volksnah, will er doch die Stimme von Viorel und die aller Dorfbewohner ergattern, um mit deren Stimmen ins Europäische Parlament gewählt zu werden. In der Sektion „Wettbewerb Kurzfilm“ lief die rumänisch-österreichische Co-Produktion„100 Euro“ des rumänischen Drehbuchautors Alexey Lapin. Protagonisten dieses 25-Minuten-Films sind zwei rumänische Gastarbeiter, die in Wien einen schier aussichtslosen Kampf um ihren ausstehenden Lohn führen und gleichzeitig auf der Flucht sind vor ihrem Vermieter, der eine offene Monatsmiete eintreiben will.

Publikumspreis wird erst vergeben

Der „Publikumspreis“ des 30. FFC wurde zur Preisverleihung am 12. Dezember noch nicht vergeben: Dieser Preis wird im Rahmen des 30. FFC digital durch die Abstimmung des Publikums online stattfinden, und zwar in Kooperation mit der in Cottbus erscheinenden Tageszeitung „Lausitzer Rundschau“.

So haben auch Leser der ADZ die Möglichkeit, die Filme der Sektion „Wettbewerb Spielfilm“ und der Sektion „U18 Wettbewerb Jugendfilm“ sich digital aus Deutschland auf ihren Laptop oder ihr Tablet in Rumänien zu holen und ihren Favoriten auszuwählen (auf www.lr-online.de/ffc-publikumspreis). Auf diese Weise können sich die ADZ-Leser eine Menge interessanter Filme des 30. FFC per „Heimkino“ bequem zu Hause ansehen, ihren Favoriten auswählen und auf oben genannter Seite dem Festivalteam in Cottbus mitteilen. Dem Gewinner winken 3000 Euro, gestiftet von der „Lausitzer Rundschau“. Stichtag ist der 31. Dezember.

Ein persönlicher Tipp: Schauen Sie sich auf YouTube (youtube.com/watch?v=
eJeOOqJBmeo) die Preisverleihung vom 12. Dezember an, bei der Trailer aller preisgekrönten Filme gezeigt werden, von der Moderatorin Monika Anna Wojtyllo und Bernd Buder (Programmdirektor) präsentiert – mit Trinksprüchen in der jeweiligen Landessprache der Preisgewinner. Einfach köstlich!


Das FilmFestival Cottbus wurde 1991 gegründet und gilt inzwischen als eines der international führenden Festivals des osteuropäischen Films. Die etwa 100.000 Einwohner zählende Stadt in der zweisprachigen (deutsch/sorbischen) Region Lausitz im Bundesland Brandenburg, in unmittelbarer Nähe zum Nachbarland Polen, wird jedes Jahr im Herbst zum wichtigsten Anlaufpunkt für internationale und nationale Filmgäste sowie Freunde des mittel- und osteuropäischen Films. Vier Wettbewerbe und länder- und themenspezifische Programmsektionen bieten dem Publikum die einzigartige Möglichkeit, zahlreiche Produktionen aus Ost- und Mitteleuropa zu sehen.