Fünfundzwanzig Stunden Theater

Der Hermannstädter Theatermarathon „Atme. Theater“ fand zum vierten Mal statt

Szene aus dem Stück „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“. Foto: Andrey Kolobov

„Überall, wo es menschliche Gesellschaften gibt, äußert sich der ununterdrückbare Geist der Darbietung... die Menschen begegnen sich in den flüchtigen Theaterwelten, die wir erschaffen, um unsere menschliche Komplexität, unsere Verschiedenheit, unsere Verletzlichkeit in Fleisch und Blut und Atem und Stimme auszudrücken.“ Mit diesen Worten des südafrikanischen Dramatikers Brett Bailey eröffnete Bogdan Sărătean, der Initiator des Hermannstädter Theatermarathons „Atme. Theater“, am vergangenen Samstag die nun vierte Auflage des Festivals. Die erste Darbietung des Veranstaltungsreigens, der „25 Stunden Theater non-stop“ heißt, aber 27 Stunden gedauert hat, fand im Thalia-Saal statt. Geboten wurde die Premiere einer musikalischen Komödie mit Florin Coşuleţ (Hermannstadt/Sibiu) sowie Petre Ancuţa und Emilian Marnea (Bukarest). Die beiden letzteren zeigten, dass sie sowohl die Kunst der Schauspielerei, als auch die des Musikers perfekt beherrschen. Nach diesem ersten Stück musste sich das Publikum entscheiden: Die Organisatoren hatten die Vorstellungen so angesetzt, dass sie sich zeitlich überlappten. Die nächsten zwei Komödien begannen fast gleichzeitig.

Im „Cavas“-Saal (in der Uni) bot das Ensemble des „Teatrul de pe Lipscani“ aus Bukarest „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“: Eine auch dem Hermannstädter Publikum wohl bekannte Aufführung, die an der Deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters immer wieder gezeigt wird. Manche Zuschauer schienen sich jedoch nur für den Namen des großen Dramaturgen zu interessieren. So verließen mitten im Stück zwei empörte Personen den Saal und verlangten das Geld für die Eintrittskarten zurück, weil die Vorstellung „nicht wirklich die Werke von Shakespeare zeigt“. Zuschauer, die man im Theater meistens nicht erwartet, gab es bei der Vorstellung „Doggystyle“ des „Social Act Theatre“ aus Galaţi. Die Aufführung beschäftigt sich mit dem Thema der Straßenhunde und deren Euthanasierung. Daher durften auch die unmittelbar betroffenen, das heißt Hunde, der Vorstellung beiwohnen.

Zugenommen hat bei der diesjährigen Auflage die Anzahl der Bühnen, auf denen Theater geatmet worden ist. Es kamen der Festsaal der Astra-Bibliothek, das „Weltkultur“-Café sowie das „Aviatorul Pub“ hinzu. Zu den bereits traditionellen Austragungsorten gehören hingegen der „Cavas“-Saal, das „Atrium“-Café oder das Kulturcafé „Sigi“. Eine klassische Location des Festivals ist der Große Ring/Piaţa Mare, wo der morgentliche „Erfrischungsworkshop“ ausgetragen wurde. Über 200 Zuschauer, Teilnehmer und einfach Neugierige kamen auf den Hermannstädter Hauptplatz, um unter der Anleitung des Schauspielers Florin Coşuleţ im Pyjama Morgengymnastikübungen durchzuführen und gemeinsam die Zähne zu putzen. Auf diese Tradition wollen die Veranstalter auf keinen Fall verzichten, hatte Sărătean auf der Pressekonferenz gesagt. Bei der vierten Auflage des „Atme. Theater“-Marathons verzichteten die Organisatoren auf namhafte Künstler und stellten das alternative Theater in den Vordergrund.

Das Festival ging offiziell mit einer Jam Session mit Matti MC in der Nacht auf Montag zu Ende. Jedoch konnte man am Montagabend noch einen Atemzug Theater nehmen: Das Stück „Nu de gât“ (Nicht am Hals) des „Brusc“-Theaters aus Jassy/Iaşi bekam während des Theatermarathons den meisten Beifall und wurde wiederholt.